"C'est pas pour l'extase, c'est que l'existence," klingt es demnächst aus dem Fenster der Merkels am Kupfergraben in Berlin. Es wird einer dieser lauen Sommerabende sein und unten, vor der Museumsinsel, versammeln sich an die dreihundert Kameraleute und Tonmänner, um diese gelungene Kopie einer Chanson-Zeile von Carla Bruni aufzunehmen, dargeboten von Joachim Sauer, dem First Husband. Angefangen hatte es mit Franz Müntefering. Der hatte auf einer Koalitionsausschuss-Sitzung geknurrt, es ginge nicht so weiter, der Berlusconi oder der Sarkozy, die hätten auch keine Lösung für die Krise, kämen aber über ihre Frauengeschichten immer positiv in den Medien weg. Und dann: "Ich will nicht sagen, es geht um Extase, um Existenz geht es, liebe Kollegen! Um die Existenz dieser Koalition. Da muss man vorangehen und Beispiel geben, nicht Pfötchen."

Die seriöse "Bildzeitung" meldete es, der gehaltvolle "Tagesspiegel" verbreitete sich darüber, der brillante "Focus" kam nicht umhin, es wahrzunehmen: Der deutsche Medienzirkus hatte nur noch ein Thema: Michelle & Münte. Das Traumpaar fand sich im Büro, in Münteferings Büro. Der Mann der kurzen Wege, stellte die "Financial Times Deutschland" fest, machte es wie alle anderen: Obama und dessen Michelle, Brad Pitt und Angelina Jolie, Bill Gates und seine Frau, alle hatten sich am Arbeitsplatz kennen gelernt. Was soll uns das Abwracken eines ganzen Landes kümmern, wenn die „Bunte“ über Michelle Schumann schreibt: „Sie ist schlank, hat eine hohe Stirn, süße Grübchen und trägt oft einen knallroten Mantel – die Lieblingsfarbe ihres Chefs.“ So macht man Politik. Müntefering, pflichtbewusst wie immer, hat als erster diese Probleme der Koalition angepackt. Mit Erfolg.

Nach Außenminister Fischers Neigung zu Praktikantinnen aller Art bewegte sich Deutschland ziemlich ärmlich in der Welt des Glamours. Berlusconi kümmerte sich mit großem Aufwand um immer jüngere Damen und erreichte in den Frisörzeitungen, also dort, wo die Wähler sitzen und warten, Traumwerte. Auch, dass sich seine Frau scheiden lassen will, erhöhte den Unterhaltungs-Faktor (UF) des italienischen Staatschefs auf der Roland-Berger-Medien-Skala von fünf auf glatte acht. Noch besser munitionierte sich Sarkozy für die öffentliche Auseinandersetzung: Eine veritable Sängerin wurde geheiratet, ganz Frankreich geriet aus den Banlieus in den siebten Himmel, die Problem mussten nicht mehr weg gekärchert werden, sie schmolzen dahin. Wer die Zeilen und Sendeminuten über die Oberarme von Michelle Obama gelesen und gesehen hat, der weiß, wie die Welt regiert wird.

Da Angela Merkel partout keinen Sänger heiraten wollte (obwohl sich Dieter Bohlen eilfertig angeboten hatte: "Alte, wir lassen uns auch sofort wieder scheiden, ging mit Verona auch so, die wurde dann ein Hit"), übt Joachim Sauer nun Tag für Tag die Gittare zu spielen. Von Steinbrück weiß man, dass er, die Rolle des jungen Handke übernehmend, von mehreren Theatern zur Publikumsbeschimpfung eingeladen worden ist. Der Wirtschaftsminister hat sich längst zur "Next-Uri-Geller-Show" angemeldet und wird einem Millionen-Publikum vorführen, wie die Opel-Überproduktion ebenso verschwindet wie die Überschuldung von FIAT. Ulla Schmidt arbeitet an einem Karnevals-Song ("Isch bin krank, isch bin krank und dat is jut so") und leistet so ihren ersten medienwirksamen Beitrag zur Regierungspolitik.

Natürlich kann die Opposition diesem Buhlen um Wählerstimmen nicht tatenlos zusehen. Der Versuch von Claudia Roth, die eigene Tränenflüssigkeit als neue Ressource im Kampf gegen die weltweite Wasserknappheit einzusetzen, erscheint doch zu trocken. Roland Berger soll den Vorschlag mit minus zwei UF bewertet haben. Guido Westerwelles Tanz mit den Riesen-Seifenblasen wird bereits von mehreren Varietés gebucht, während der Versuch Oskar Lafontaines, die Schalmeienkapelle Wiebelskirchen zu übernehmen, an einer fehlenden Plattform gescheitert sein soll, die bei öffentlichen Auftritten unabdingbar ist. Noch übt die Opposition, doch wenn Gregor Gysi der Gesine Schwan einen Antrag machen wird, den sie nicht ablehnen kann, dann wird Horst Köhler in Bedrängnis geraten. Obwohl er jüngst, bei seinem Versuch den deutschen Scheinheiligkeitsrekord zu brechen, gesagt haben soll: "Yes, we can it auch".