Es ist ein freundliches, helles Haus am Rande von Templin, in dem Angela Merkel die letzten Jahre verbringt: Im Senioren-Landsitz „An der Buchheide“ feiert sie in diesem Jahr in ihrer Heimatstadt ihren 80. Geburtstag und das Auslaufen des Atomkompromisses, den sie vor 24 Jahren durchgesetzt hat: Das AKW "Emsland" soll in diesem Jahr als letztes vom Netz gehen. Die frühere Kanzlerin, zurückgekehrt in ihre Heimatstadt, wirkt gelöst: Lächelnd spielt sie an einem Kugel-Rechengerät, schiebt die roten und weissen Kugeln hin und her, lässt sie klappern. Die Pflegerin hatte mir schon auf dem Weg zum Aufenthaltsraum gesagt, dass sie das Gerät immer bei sich führt. Nachdem ich der Altkanzlerin gratuliert habe, beginnen die Fragen nach dem Atomkompromiss:
Frau Merkel, der sogenannte Atomkompromiss liegt jetzt fast 25 Jahre zurück und es gibt immer noch kein reguläres Endlager für den Atom-Müll, wie soll das denn nun weiter gehen?
Ich habe damals schon gesagt, dass der Gabriel Gorleben als Wahlkampfthema missbraucht, das ist heute nicht anders. Heute wie damals bin ich für eine ergebnisoffene Untersuchung des Salzstocks. Und wenn die Untersuchung beendet ist, dann lagern wir eben (kichert).
Aber der Atomkompromiss hat 4.400 Tonnen zusätzlichen Atommüll zu Folge. Und bei der Entscheidung vor 24 Jahren dauerten die Untersuchungen bereits 33 Jahre an, wie lange soll das denn noch gehen?
Gut Ding will Weile haben. Sehen sie mal, als ich noch Umweltministerin war, habe ich in den 90ern die Zwischenlagerung in Morsleben gegen alle Bedenken durchgesetzt, sogar die radioaktive Verseuchung des Trinkwassers durch das Lager Asse II habe ich damals ignoriert, nur damit wir in Ruhe in Gorleben weiter forschen können. Das soll doch nicht alles umsonst gewesen sein.
Gab es nicht auch die Möglichkeit Tonsteinformationen in Bayern und Baden-Württemberg auf ihre Tauglichkeit als Endlagerstätte zu untersuchen?
Na klar gab es die, aber der Seehofer und der Mappus wollten zwar die Laufzeit-Verlängerung, aber auf keinen Fall Atomlager in ihren Ländern. Die wollten wiedergewählt werden und ich wollte Ruhe in der Union, was sollten uns dabei neue Untersuchungen helfen?
Die Energiekonzerne haben sich an der Laufzeit-Verlängerung dumm und dämlich verdient, man schätzt bis heute etwa 65 Milliarden Extra-Profit. Davon sollte doch jede Menge in die Steuerkasse. Angekommen ist viel weniger. Was ist das schief gelaufen?
Vor langen Jahren habe ich mal dem "Spiegel" gesagt: "Aber was weiß ich denn? Ich glaube, wenn ich 80 bin, weiß ich gar nichts mehr." Jetzt bin ich 80 (kichert).
Die Städte und Gemeinden leiden bis heute unter ihrer damaligen Entscheidung, die haben auf rund 300 Millionen Euro verzichten müssen. Bedauern sie das?
Die Bürgermeister können doch nicht eins und eins zusammenzählen (schiebt die Kugeln schnell hin und her), aber eins und eins sind immer noch zwei!
Was hat das mit den Mindereinnahmen zu tun?
Wenn man zwei hat und nimmt eins weg, dann bleibt doch eins übrig. Das ist der Beweis: Manchmal muss man auf was verzichten, um zu einem logischen Schluss zu kommen!
Damals haben Sie von einer "Energie-Revolution" gesprochen. Das hätte doch einen Wechsel zum Ökostrom zur Folge haben müssen?
Und? Ist die Luft nicht sauberer geworden durch die Kernenergie? Stellen Sie sich nur vor, wir wären auf Braunkohle umgestiegen. Alles duster, wie in der DDR.
Aber das war doch gar nicht die Alternative?
Na und? Wir haben damals so viel Wind um unsere "Energie-Revolution" gemacht, da hätten ganze Länder sich monatelang von beleuchten lassen können. Wenn das keiner gemacht hat, dann liegt das außerhalb meiner Verantwortung (kichert, klappert, schaut aus dem Fenster, starrt auf die nahe gelegene Therme).
Frau Merkel, danke für das Gespräch.