Der ehemalige Abteilungsleiter für Umwelthygiene bei der »Hygieneinspektion Potsdam«, der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Matthias Platzeck, tritt vom Amt des SPD-Bundesvorsitzenden zurück. Aus der Umgebung Platzecks war schon länger zu hören, dass er »angefressen« sei. Angefressen von den schlechten Werten der SPD, von der Tatsache, dass nicht er, sondern Müntefering nach wie vor die Partei regiert und nicht zuletzt davon, dass die SPD jenes soziale Profil verloren hatte, dessentwegen er 1995 vom »Bündnis 90« abrückte und in die SPD eingetreten war.

An Matthias Platzeck, in der DDR lange Zeit ein eher unauffälliger Diplomingenieur mit grünen Neigungen, der im Kabinett Modrow als Minister ohne Geschäftsbereich an der Beerdigung der DDR beteiligt war, konnte die jüngste Entwicklung nicht spurlos vorüber gehen. Er galt als sensibel, wurde von seinen Genossen als »zu emotional, nicht hart genug« eingestuft und war ganz sicher über die dauerhaft schlechten Umfragewerte tief erschrocken. Platzeck wurde krank an seiner Partei, an deren Situation.

Nach wie vor lag die CDU mit 44 Prozent deutlich vor der SPD mit 32 Prozent (ZDF Politbarometer vom 07.04.06). Auch die persönlichen Werte der CDU-Kanzlerin, Angela Merkel, lagen weit vor dem, auf dem zweiten Platz abgeschlagenen SPD-Vorsitzenden. Zugleich besser und schlimmer mussten Platzeck die Ergebnisse der »Sonntagsfrage« vorkommen: Beharrlich lieferten sich das linke (SPD, Grüne, Linkspartei) und das rechte Lager (CDU/CSU, FDP) ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Trotz aller Mainstream-Medien-Bemühungen gab und gibt es ein knappe Mehrheit für für Links. Wie hätte der arme Platzeck dieses linke Lager führen wolllen und mögen?

Aus anderem Holz ist der designierte Nachfolger Platzecks, Kurt Beck. Unter dem Mantel der Volkstümlichkeit wußte der gelernte Elektromechaniker immer, wie man mit Kröten umgeht: Man hilft ihnen nicht über die Straße, man schluckt sie. Ob es darum ging seinem langjährigen Freund und Vorgänger im Amte des Rheinland-Pfälzischen Ministerpräsidenten, Rudolf Scharping, rechtzeitig in den Rücken zu fallen oder um die Bewahrung der letzten SPD-FDP-Koalition: Um Inhalte hat sich Beck selten sonderlich gekümmert. Ihm ging es um Macht und Machterhalt.

Und genau hier fangen Becks objektive Schwierigkeiten an. Denn zum einen steht ihm eine Wählerschaft gegenüber, die immer noch das »soziale« im Parteinamen der SPD einklagen möchte. Zum anderen ist da Angela Merkel. Und die versteht von der Macht und ihren Bedingungen mehr als Kurt Beck. Die damalige FDJ-Sekretärin galt im »Zentralinstitut für Physikalische Chemie« in Berlin-Adlershof schon als so wenig verhaltensauffällig, dass sie 1986 mit einer der seltenen Westreisen belohnt wurde.

Erst Ende 1989, längst nachdem sich die DDR-Opposition formiert hatte, findet man die Merkel im »Demokratischen Aufbruch« einer schillernden Gruppierung wieder, die schnell von der CDU aufgesogen wurde. So schnell wie Merkel die Partei wechselte, so schnell machte sie in der CDU Karriere: Von Kohls Mädchen für alles wandelte sie sich und wandte sie sich in einem Artikel in der »FAZ« schon im Dezember 1999 gegen ihren Mentor, um dann in 2000 zur CDU-Vorsitzenden gewählt zu werden. Merkels Opferliste ist lang: Von Schäuble über Merz, Laurenz Mayer und Kirchhof, sie überlebte alle.

Natürlich sind Biografien nur Marginalien historischer Bewegungen. Und niemand vermag zu sagen, ob die Mehrheit der Wähler in nächster Zeit ihre geistige Trägheit zugunsten einer aktiven Vertretung ihrer Interessen überwinden möchte. Ganz sicher aber ist, dass es einer SPD unter Kurt Beck nicht gelingen kann, auch nur in die Nähe der CDU-Prozente zu kommen. Kurt Beck, das ist die Müntfering-SPD, das ist der gelebte soziale Unsinn, der verspricht, das wir mehr Arbeitsplätze bekommen, wenn wir alle länger arbeiten. Na klar, die Erde ist eine Scheibe und Kurt Beck ist ihr Prophet.

Das Spannungsverhältnis einer Partei, die gegen ihren Hauptkonkurrenten nur gewinnen kann, wenn sie ihr soziales Profil zumindest scheinbar schärft, kann und wird Kurt Beck nicht aushalten können. Er ist, nur darin Matthias Platzeck ähnlich, ein Parteivorsitzender auf Zeit.

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