ZDF-Nachrichten, beste Zeit, eine blonde, blauäugige Petra Gerster sendet ihre Vertrauen einflößende Aura in jedes Wohnzimmer der Republik: "Die Bürger wollen Reformen, sie sagen Ja zur Eigenleistung, sie wünschen eine energische Modernisierung des Landes." Und dann schaut sie Dir und ganz besonders Dir noch einmal tief in die Augen und Dein Gehirn wird erst ganz schwer, dann beginnt es zu glühen, Dir wird schwindlig und beinahe wärest Du auf ein groß angelegtes, gebührenfinanziertes Betrugsmanöver reingefallen. Die "Perspektive Deutschland", eine hausgemachte Online-Umfrage auf Deine Kosten wird zur scheinbar objektiven Nachricht.

Wenn man die fast 150 Seiten der vom ZDF, der Wegrationalisierungsfirma McKinsey und der Zeitschrift "Stern" organisierten Umfrage selbst liest, sind die Ergebnisse völlig anders: Gut drei Viertel der Befragten plädieren für geringe soziale Unterschiede in der Gesellschaft, zwei Drittel machen sich Sorgen darüber, dass die staatlichen Sicherungssysteme sich verschlechtern, etwa 80 Prozent haben ein geringes Vertrauen in Parteien, Bundestag, Agentur für Arbeit und in die Renten- und Krankenversicherung. Sieht so ein Volk aus, von dem der Schirmherr der Kampagne, der mit wenig Durchblick begabte, ehemalige Bundespräsident von Weizsäcker im Ergebnis der Umfrage sagen darf: "Der Pessimismus nimmt fühlbar ab".

Selbst in den Kernbereichen der von Kanzler Schröder begonnenen und von der Kanzlerin Merkel fortgeführten Ideologiekampagne für noch mehr Markt und noch weniger soziale Rechte, beugen sich die Deutschen nicht dem Propagandadruck: 73 Prozent wenden sich gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes, obwohl sie seit Jahren gedrillt werden zu glauben, dies sei ein wesentliches Heilmittel gegen Arbeitslosigkeit. Weitere 66 Prozent wenden sich gegen die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und eine klare Mehrheit verweigert Gehaltsverzicht, "schwankende Wochenarbeitszeit" oder Mehrarbeit zur vorgeblichen Sicherung von Arbeitsplätzen.

Die Online-Umfrage, an der mehr als 600 000 Menschen teilgenommen haben sollen, ist aber bereits in Ansatz und Methode dubios. Zunächst erstaunt, warum mit der Umfrage keines des anerkannten Befragungsinstitute, FORSA, Infratest oder ähnliche beauftragt wurde, sondern die Initiatoren, mit wenig wissenschaftlicher Qualität, selber gebastelt haben. Weiter bleibt offen, wie denn die Verzerrungen durch "Freiwilligkeit" (jeder der sich selbst zur Umfrage meldet neigt natürlich ihren Zielen zu) und jene durch die soziale Segmentierung, die durch die Orientierung auf Computerbesitzer und Internetnutzer entstand, vermieden worden ist.

Man hat einen amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler (keinen Statistiker, keinen Empiriker, kein Demoskopen) beauftragt, über eine "Zufallsstichprobe" in Höhe von 2.500 Befragten die notwendigen Korrekturen vorzunehmen. Also kein soziales Schichtenmodell, das, wie im Mikrozensus üblich, die Bundesrepublik sozial und demographisch abbildet, keine auch nur annähernd saubere, wissenschaftliche Durchführung einer Umfrage, die der Öffentlichkeit ein korrektes Bild zeigen und den Politikern einen Handlungsrahmen setzen soll.

Er traue keiner Statistik, so Winston Churchill, die er nicht selber gefälscht habe. Die vom ZDF vorgelegte Statistik geht nirgendwo auf ernsthafte Alternativen ein, nutzt zu gerne Suggestivfragen und muss trotzdem noch in der Interpretation gefälscht werden. Lobend äußern sich die Ideologen des Senders über jene 33 Prozent der Befragten, die angeblich erkannt haben, dass die Lohnnebenkosten am Mangel an Arbeitsplätzen Schuld tragen. In den so genannten Nachrichten fallen dann jene 63 Prozent hinten runter, die Rationalisierungsmaßnahmen (44 %) und schlechtes Management (29 %) als Ursache für Arbeitslosigkeit erkennen.

Wann immer gute Nachrichten gebraucht werden, muss der Mainstream, die Gefolgschaft von Mehrheitspolitik und Wirtschaft, immer häufiger zur Eigenfabrikation von Fakten greifen. Doch zunehmend mehr Deutsche verweigern sich der zunehmend schlichteren Leugnung der Wirklichkeit. Die Sabine Christiansens, die Petra Gersters und jene, die deren beachtlichen Einkünfte regeln, erreichen zudem primär nur noch die simplen Sympathisanten des Systems. Doch die in der Bevölkerung gewachsenen Erkenntnisse reichen nicht aus, um zu begreifen, dass die Mehrheit, ob über Steuern oder Gebühren, eine sie verarschende Minderheit finanziert.