Ihr seid Schmuddelkinder, mit euch reden wir nicht: Mit dieser infantilen Haltung hatten SPD und GRÜNE der Linkspartei vor der Bundespräsidentenwahl klar gemacht, dass sie nichts, aber auch gar nichts mit der LINKEN zu tun haben wollten. Sie schlugen, ohne jedes Gespräch mit der Linkspartei, einen eigenen Kandidaten zur Bundespräsidentenwahl vor. Als die LINKE dann ihre Kandidatin vorstellte, wurde sie von den beiden Parteien aufgefordert, durch die Wahl von Joachim Gauck "endlich die SED-Vergangenheit hinter sich zu lassen“. Im Klartext: Bekennt durch eure Stimme für Gauck, dass ihr in den letzten zwanzig Jahren nichts anderes als SED-Verbrecher wart. Auf dieses ziemlich selbstmörderische Angebot sind nur wenige Delegierte der Linkspartei eingegangen. SPD und GRÜNE allerdings sind temporär zur längst gescheiterten "Rote-Socken-Kampagne" der CDU zurückgekehrt.
Statt dessen hat die LINKE durch ihr Wahl-Verhalten eine Große Koalition verhindert. Denn mit der Wahl von Gauck wäre Angela Merkel, die ja den Kandidaten Wulff als ihren Mann auf dem Stuhl des Bundespräsidenten sehen wollte, in einem Maße beschädigt gewesen, dass ihr nur der Rücktritt übrig geblieben wäre. Auch Westerwelle hätte seinen Hut nehmen können. Die schwarz-gelbe Koalition wäre am Ende gewesen. An den Kräfteverhältnissen im Bundestag hätte das nichts geändert: Für eine SPD-GRÜNE-Koalition reicht es nie und nimmer. Als neue, alte Variante wäre nur eine Große Koalition aus CDU und SPD möglich gewesen. In der CDU hätte sich mit Sicherheit schnell ein Nachfolger, eine Nachfolgerin für Angela Merkel gefunden. Ob von der Leyen oder Lammert, nicht wenige sitzen in den Startlöchern. Auch Neuwahlen, in Deutschland nur schwer durchzusetzen und von der Parlamentsmehrheit zur Zeit sicher nicht gewünscht, hätten, glaubt man den Umfragen, eher eine Große Koalition zur Folge gehabt.
Dass die SPD, die sich in diese Koalitionsfalle selbst hineingeritten hatte, sich nicht unmittelbar bei der Linkspartei bedankt, ist nicht unverständlich: Zu verlockend wäre die Rückkehr der SPD-Minister in die alten Jobs gewesen, in die Aura von Macht und Dienstwagen, von Amt und dreiteiligen Anzügen. Doch eine kleine Denkpause könnte selbst einen Taktik-Akrobaten wie Gabriel zu einer simplen Erkenntnis bewegen: In der Großen Koalition wäre die SPD wieder der Juniorpartner gewesen und hätte, von Wahl zu Wahl, weitere Stimmen verloren. Das fehlende Dankschreiben der GRÜNEN prolongiert jene Trittin-Dummheit, die einen Trick für Politik hält. Selbst er sollte inzwischen begriffen haben, dass die Wahl von Gauck zu einer Koalition ohne die GRÜNEN geführt hätte. Vielleicht kommt´s ihm ja noch.
In einem Dankschreiben von GRÜNEN und SPD sollte unbedingt vermerkt sein, dass beide Parteien, in der nun für sie gesicherten Oppositionslage, Zeit und Muße haben, zu ihrer ursprünglich linken Positionen zurückzukehren. Zumindest könnte die Einsicht wachsen, dass ein Kandidat zur Bundespräsidentenwahl, der sich für den Afghanistankrieg und die Verlängerung von Hartz IV ausspricht, kein gemeinsamer Kandidat einer Mehrheit links von CDU und FDP sein kann. Vielleicht wächst sogar die Einsicht, dass in der Führung der LINKEN inzwischen mehr ehemalige SPD-Mitglieder sind als solche aus der SED. Das aber setzt die Fähigkeit zum Zählen voraus. Eine nicht unwesentliche Voraussetzung, um Politik zu machen.