Dass es Tote gegeben habe, bedaure er sehr, sagte der Einbrecher vor Gericht, aber schließlich habe er sich verteidigen müssen, nachdem die Wohnungsinhaber ihm mit Küchenmesser und Besenstiel den Zutritt zu ihren Räumen verwehrten. Außerdem habe er sie ja eindeutig gewarnt, bevor er die Schüsse abgegeben habe. Der Richter sprach ihn frei, ermahnte ihn aber, einen Teil des Diebesgutes einer Hilfsorganisation seiner Wahl zu spenden.

Der Einbrecher hätte noch erwähnen können, dass eine der Erschossenen ein Palästinensertuch getragen habe und somit Anhängerin der Terroristen von Al Quaida und Hamas gewesen sei, aber ein solches Argument war ihm doch zu unglaubwürdig und plump erschienen. Solch plumpe Dreistigkeit leistete sich allerdings Israels stellvertretender Außenminister Danny Ayalon vor der internationalen Presse. In der Nacht zuvor hatte ein israelisches Spezialkommando in internationalen Gewässern mit Waffengewalt den Hilfsgüter-Schiffskonvoi der Free Gaza-Bewegung geentert und dabei nach eigenen Angaben neun Menschen getötet. Auch Ayalon bedauerte, dass es Tote gegeben hat, bezichtigte aber die Aktivisten ohne die Spur eines Beweises „nachgewiesener Kontakte zum Weltterrorismus, zu Al Qaida und Hamas“ und nannte ihr Unternehmen „bewusst und geplant gewalttätig“. Ayalon sprach auch von Waffen, die man auf dem Schiff gefunden habe, sagte aber nichts über deren Art; er hätte gleich von Massenvernichtungswaffen sprechen sollen, unauffindbar wie seinerzeit in Saddams Irak. Eine Meisterleistung in Orwellscher Rhetorik und Wortverdrehung, die einen Josef Goebbels neidisch machen müsste.

Vor Gideon Levy, dem Kommentator der israelischen Tageszeitung Haaretz, hätte er damit keine Gnade gefunden. Levy überschrieb seinen Kommentar mit „Gaza-Flotille treibt Israel ins Meer der Dummheit“ und wendet sich gegen den in den Medien Israels nun wieder anhebenden „Chor, der immer schon die Lieder von Betrug und Lüge gesungen hat", die ihm Israels Propagandamaschinerie anstimmte. Levy zitiert den peruanischen Schriftsteller Mario Vargas Llosa, der schon vor fünf Jahren Israels Besetzung von Gaza „nahe an der Phase des Grotesken“ gesehen hatte und nun vor Ort sehen konnte, wie die Entwicklung „neue Höhen der Absurdität“ erreicht habe.

Ob Levy die deutschen Medien anders beurteilen würde? Wohl kaum. In den Nachrichten wird zu jeder neuen Meldung in dieser Sache stets brav das israelische „Lied von Betrug und Lüge“ mitgesungen über Israels „Kooperationsangebote“ an die Free Gaza-Aktivisten, wenigstens die Hilfsgüter seiner Wahl durchzulassen. In einem ARD-Radiosender hörte ich eine Moderatorin ihren Interviewpartner fragen, warum die deutschen Medien – anders als die der Nachbarländer - erst jetzt über die Free Gaza-Flottille berichteten. Warum fragt sie nicht ihren Intendanten, zum Beispiel? Und welcher Kommentator fragt schon, was eigentlich die Bundeswehreinheiten der UNIFIL vor der Küste des benachbarten Libanon tun oder die vor der Küste Somalias, die doch Piratenakte wie die Israels verhindern sollen?