Königin,
Mach' mir auf!
Weißt du nicht, was gestern
Du zu mir gesagt
Bei dem kühlen Grabenwasser?
Königin,
Mach' mir auf!
Gebr. Grimm

In den alten Zeiten lebte eine Königin mit Namen Etepetete, die jeden Freier haben konnte, den sie nur wollte. Sie war so reich an Macht, dass sich die Sonne selber, die doch schon vieles gesehen hat, verwunderte, sooft sie ihr ins Gesicht schien. Ihren Namen hatte die Königin aus dem Französischen, denn "être, peut-être" ("kann sein vielleicht"), aus dem ihre Untertanen "Etepetete" gemacht hatten, entsprach ihrem nebulösen Regierungsstil. Nahe bei ihrem Sitz lag eine grosse, fremde Stadt, und in der Stadt, wohl unter den Linden, lag ein alter, schlammiger Graben. Wenn nun die Tage heiß her gingen, setzte sich die Königin an den Rand des kühlen Grabens, und weil sie Langeweile hatte, nahm sie ihren goldenen Reichsapfel, das Zeichen ihrer Macht, warf ihn in die Höhe und fing ihn wieder auf.

Nun trug es sich einmal zu, dass der goldene Apfel der Königin nicht in ihre gut gepolsterte Hand fiel, sondern vorbei, auf die Erde schlug und geradezu ins Wasser rollte. Da fing die Königin laut zu weinen an: "Was soll ich nur ohne den Apfel beginnen, er ist mein liebster Zeitvertreib, viel lieber noch als auf Gruppenfotos rumstehen", klagte sie und konnte sich gar nicht trösten. Da rief ihr aus dem dunklen Graben jemand zu: "Was habt Ihr nur, Frau Königin, Ihr schreit, dass sich ein ganzer Reisebus erbarmen möchte. Sie sah sich um, und erblickte einen gelben Frosch, der seinen pockigen Kopf aus dem Wasser streckte: "Ich weine, weil mir die goldene Kugel ins Wasser gefallen ist, und wenn ich sie nicht wiederbekomme, ist Schluss mit den goldenen Kutschen, den Reisen in das Morgenland und den livrierten Lakaien!"

"Sei still und greine nicht," quakte der gelbe Frosch aus dem Trüben herauf, "ich kann wohl Rat schaffen; aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?" - "Was du haben willst", lieber Frosch, "meine Kostümchen, meine Perlen und Kutschen, sogar meine goldene Krone kannst du an den Tagen tragen, an denen ich nicht an meinem Sitz weile." - "All deinen Glitzerkram magst Du wohl behalten" sagte der Frosch, "aber wenn du mich lieb haben willst, und ich soll dein Spielkamerad sein, von deinem goldenen Tellerlein essen und in deinem Bettlein schlafen, wenn du mir das versprichst, so will ich hinunterspringen und dir die Machtkugel wieder heraufholen." - "Ach ja", sagte sie, "ich verspreche dir alles, wenn du mir nur die Kugel wiederbringst." Sie dachte aber: "Was der einfältige Frosch schwätzt! Der sitzt im Wasser und ich im Trockenen, wenn er nur tut, was ich sage, dann springe ich mit ihm um, wie es mir gefällt."

Nun hatte aber der Frosch die goldene Kugel in seinem großen Maul und - wohl oder übel - musste sie ihr Versprechen halten. Dem Frosch gefiel es mit den goldenen Kutschen in ferne Welten zu reisen, er nahm alle seine Freunde mit und sie quakten über dies und das, besonders aber, wie sie mehr und mehr Fliegen fangen könnten. Denn Fliegen, das war ihr Geschäft, davon lebten sie in ihren Gewässern und so mancher Frosch-Bruder hatte dem mit der goldenen Kugel schon vor seinem Handel mit der Königin Etepetete diese oder jene Fliege zugesteckt, damit er gut über den Winter kommen konnte. Und der gelbe Frosch hatte ihnen schon damals versichert: "Wartet nur, wenn ich die Kugel in die Hand bekomme, dann, so versichere ich Euch, bekommt ihr die Fliegen mit Zins und Zinseszins zurück gezahlt."

Als nun am Hof bekannt wurde, dass der Handel mit Fliegen nicht länger mehr der Königs-Partei vorbehalten war, erbleichten selbst die Hofberichterstatter: "Impertinent", rief der eine, "Inkontinent" der andere, um zuschlechterletzt in ein chorisches "Interkontinental" auszubrechen, was wohl heißen sollte, dass der weltweite Fliegenfang ein altes Vorrecht der Königspartei sei und den Fröschen nicht zustünde. Auch der Etepetete, die vom Frosch beharrlich Mutti genannt wurde, kam die neue Lage recht glitschig vor und sie warf den Frosch mit allen Kräften wider die Wand und sagte: "Nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch!" Denn in einer Hofzeitung mit großen, fetten Buchstaben, hatte sie gelesen, dass sich hässliche Frösche in wunderschöne Prinzen verwandeln würden, wenn man sie denn an die Wand würfe. Doch sooft Etepetete auch warf, aus Guido, so nannte sie ihren Frosch inzwischen, wurde kein Prinz. Und wenn sie nicht zwischenzeitlich sterben sollte, dann wird sie noch die ganze Legislaturperiode werfen.

Und die Moral von der Geschicht: Mit weit aufgerissenem Maul ist gut Fliegen fangen. Oder auch: Wer sich mit einem Frosch einlässt, muss manche Kröte schlucken.