Was wäre wenn Erika Steinbach, die Königin der Vertriebenen, erfolgreich eine Parlamentsabstimmung anstrebte, die jeden politischen und wirtschaftlichen Verkehr mit Russland per Parlaments-Votum von der Rückgabe Kaliningrads (Königsbergs) an Deutschland abhängig machen würde? Und wenn sie noch eins draufsetzte, um ein Referendum über den Ausschluss Polens aus der EU und der NATO zu fordern, wenn Polen nicht umgehend die deutschen Gebiete Schlesien und Ostpreussen zurückgäbe? Russland und Polen würden die deutschen Botschafter einbestellen, ihre Truppen an den Westgrenzen der Länder mobilisieren und wahrscheinlich einen Beistandspakt schließen. In Deutschland würde daraufhin nach einer gemütlichen Nervenheilanstalt gesucht, von der aus Frau Steinbach beteuern könne, dass es sich bei den eingeforderten Gebieten um uralten, unveräußerlichen Besitz der Deutschen handele, schon die Ordensritter hätten um 1300 . . . aber wahrscheinlich würde ihr keiner zuhören.

In Israel ist das anders. Gerade hat Premier Benjamin Netanjahu eine Referendums-Regelung gelobt, die einen Friedensvertrag nur möglich macht, in dem Ost-Jerusalem und die Golan-Höhen an ihre ursprünglichen arabischen Besitzer zurückfallen würden, aber nur wenn eine Zweidrittelmehrheit im israelischen Parlament dem zustimmen würde. Worüber sollen die Israelis abstimmen? Über fremdes Land. Schon 1947 entschied die UN, dass Jerusalem eine demilitarisierte und neutrale Zone sei. Und im Ergebnis des israelischen Unanbhängigkeits-Krieges 1948 wurde Jerusalem in einen israelischen West-Teil und einen palästinensischen Ost-Teil getrennt. Die Golanhöhen - natürlich auch "uraltes" israelisches Gebiet, jedenfalls vor etwa 2000 Jahren - waren lange im Besitz der Syrer. Aus der militärischen Besetzung der Höhen im Sechstagekrieg (1967) machten die Israelisch dann später einen amtlichen Besitz: Sie stellten die Golanhöhen unter israelische Verwaltung.

Nicht, dass es irgendein internationales Gremium gäbe, das den israelischen Besitz an Jerusalem oder den Golan-Höhen anerkennen würde. Im Gegenteil. Die Israelis berufen sich auf nichts anderes als das Recht ihrer Panzer und auf die antike Geschichte. Denn, so wird in Israel gern argumentiert, bis zum Jahr 135 nach unsrer Zeitrechnung, bis zu dem Jahr, in dem die Römer einen Aufstand in ihrer Provinz Judäa niederschlugen und die Juden vertrieben, hätten die Israelis dort gesiedelt und deshalb . . . aber da hören ihnen dann, außerhalb Israels, schon nicht mehr so viele zu. Denn mit solch "uralten" Rechten könnten die Mongolen weite Teile der asiatischen und europäischen Welt einklagen, Berlusconi sich zum Imperator bis zum Limes ausrufen und die wikingischen Dänen Schleswig Holstein und England zurückfordern.

Deutschland ist zweifach an Israel gekettet. Zum einen durch jenen Teil der deutschen Geschichte, der mit dem millionenfachen Juden-Mord den Deutschen eine besondere Verantwortung auferlegt. Unter anderem jene, das Existenzrecht Israels zu wahren. Zum anderen durch die politisch-militärische Lage im Nahen Osten, die seit Jahrzehnten die Spannungen des Westens mit den arabischen und islamischen Ländern bestimmt. Der Atomwaffen-Staat Israel, gestützt auf die USA, ist zur Lösung dieses Konfliktes wenig hilfreich. Mit seiner Referendums-Idiotie ist er geradezu kontraproduktiv. Auch "der Terror", der asymmetrische Krieg der Armen gegen die Reichen, hatte und hat in der ungerechten Besetzung von Palästinenserland seinen Ausgang. Das ist die zweite enge Bindung an Israel. Leider beruft Deutschland keinen Botschafter ab, auch die Waffenlieferung an Israel werden nicht gestoppt. Aber vielleicht findet sich ja eine gute historisch-psychologische Therapie für jene Israelis, die dem aggressiven, gefährlichen Wahn von einem Groß-Israel (Eretz Jisra'el haSchlema) nachhängen. Zum Wegsperren sind es einfach zu viele, wie man an den israelischen Wahlen der letzten Jahre beobachten kann.