O Gott, du unsres Islands Herr,
dein Name sei uns heilig, ja heilig alle Stund'.
Lofsöngur, Nationalhymne

Man muss sich Wuppertal vorstellen. Ausgedehnt auf mehr als 100.000 Quadratkilometern. Und ohne Schwebebahn. Dafür aber mit ganz viel niedlichen Pferden. Aber während die 350.000 Einwohner von Wuppertal nur mit 1.300 Euro pro Kopf verschuldet sind, haben die rund 320.000 Isländer je 30.000 Euro Schulden. Eigentlich muss man sagen "hatten". Den wenn Island ein Unternehmen wäre, dann wäre es längst wegen Zahlungsunfähigkeit geschlossen. Außer Island wäre eine Bank. Oder ein Autokonzern. Oder vielleicht ein Pharma-Unternehmen. Oder das Lieblingskind des internationalen Neoliberalismus.

Denn seit Anfang der 90er Jahre machte Island, glaubt man den Propheten des Markt-Zaubers, alles richtig: Privatisierung, Deregulierung, Steuersenkung und Staatsversenkung hießen die Spiele, die in Reykjavik am liebsten gespielt wurden. Alte isländische Sagen wurden wieder populär, wie jene von der Gründung des Landes: Die ersten Siedler seien vor den hohen Abgaben an den König aus Norwegen geflohen und hätten dann, mit dem "Althing" eine "Ordnung ohne Regierung" aufgebaut, eine frühe Demokratie ohne staatliche Zwänge. Dass diese Oligarchie auf Leibeigenschaft fußte, dass man ein Mindestvermögen mitbringen musste, um dabei zu sein: Wen kümmerte es.

Schon seit 1951 kümmern sich die USA um die Sicherheit Islands. Auch wenn, im Gefolge der Auflösung der Blöcke keine amerikanischen Soldaten mehr im Lande stationiert sind, gibt es regelmäßige, gemeinsame See-und Luftmanöver und natürlich war Island auch in der "Koalition der Willigen", jener historischen Formation unter Führung der USA, die noch heute im Irak nach Osama Bin Landen sucht. Ob der liebe Gott, der isländischen Staatshymne entsprechend, diese Koalition geheiligt hat, ist nicht näher bekannt. Aber sicherheitshalber gibt es zwei private religiöse Radiosender, während Wuppertal nur über einen verfügt, und der ist nicht mal religiös.

"Island" so steht es noch auf der Website der isländischen Botschaft geschrieben "hat in den vergangenen Jahren ein stetiges Wirtschaftswachstum erlebt. Liberalisierung, Wettbewerb, Steuersenkungen und Privatisierung werden weiter vorangetrieben. Die Rentensysteme stehen auf sicherem Fundment." Da grinst der Geysir, soll ein isländischer Kritiker zu diesem fundamentalen Irrtum gesagt haben. Immerhin liegt die Inflation zur Zeit bei fünfzehn Prozent. Tendenz steigend. Ähnlich wie das große Vorbild USA hat auch Island weit über seine Verhältnisse gelebt: Die Importe überstiegen die Exporte bei weitem, die kleine Insel war beim Schuldenmachen ganz groß.

Doch in diesen Tagen kann Island durchaus als Modell für die Welt gelten: Mehr als ein paar Milliarden will der Internationale Währungsfonds in die Insel-Wirtschaft pumpen, die nordischen Länder und Polen hatten bereits 2,4 Milliarden zugesagt und wie viele hundert Millionen die deutsche KfW-Bank in vorauseilendem Gehorsam bereits in Island versenkt hat, wird sich wahrscheinlich erst herausstellen, wenn der jetzige deutsche Finanzminister nicht mehr die Informationen blockieren kann. Auch österreichische Banken zittern um ihr Geld in Island: Isländische Banken sind bei ihnen mit 2,6 Milliarden Euro verschuldet. Ein Großteil des Geldes werde verloren sein, sagte der isländische Premier Geir Haarde. "Das ist so, wenn Unternehmen pleitegehen", so Haarde.

Wer aufmerksam die internationalen Wirtschaftsnachrichten verfolgt, der weiß, dass Ungarn wackelt, dass Pakistan dringend Finanzhilfe braucht und Irland auf der Liste der gefährdeten Schuldner steht und der weiß auch, dass wir gerade das Wunder des modernen Kapitalismus erleben: Denn wenn alle bei allen Schulden haben, dann gibt es keine Schuldner mehr sondern nur noch Gläubiger. Das wird den Wuppertalern nicht gefallen. Denn auf der Schuldnerliste stehen sie ganz weit unten. Wie sollen sie jemals zu großen Gläubigern aufsteigen?