Zwei "Private" holte sich das ZDF, um seine Casting-Show "Ich kann Kanzler" aufzuwerten: Günther Jauch und Anke Engelke sollten als Juroren die Quote bringen. Der dritte im schrecklichen Bundeskanzlerspiel war Henning Scherf, einst bremischer Bürgermeister, heute Präsident des Deutschen Chorverbandes. Und als sei das alles noch nicht genug an Kanzler-Konsens, trat noch der weichgespülte ZDF-Narichtensprecher Steffen Seibert als Moderator auf. Aus 2.500 Bewerbern für das TV-Kanzleramt siebte das ZDF, mit unbekannten Methoden, erst 40 dann sechs Kandidaten, um in der letzten Runde einen jungen Mann zu Germany´s next Topstreber zu küren. Der durfte dann schön lange eine FAZ-Ausgabe in die Kamera halten und sagen: "Die Gesellschaft muss zur Gemeinschaft werden".

Das ZDF muss ein besonders großes Bügeleisen beim Plätten der Kandidaten verwandt haben, denn die drei großen "K" der Gegenwart - Krise, Krieg und Kinderarmut - tauchten weder bei den Statements der letzten sechs Bewerber auf, noch mochten die Juroren solch unangenehme Themen anschneiden. Während ein Opel-Händler von der CSU sich mit der Steuerpolitik befasste, ihm reiche ein Bierdeckel für die Erklärung allemal, hatten es die anderen fünf irgendwie mit der Bildung. Eine allein erziehende Mutter, die schon bei der Vorentscheidung ihre CDU-Nähe mit der Behauptung belegt hatte, sie käme mit Hartz IV prima aus, forderte undefinierte "Eltern-Kind-Kompetenz-Zentren". Einer Nachwuchs-Grünen kam die Idee, dass Bildung Voraussetzung für Mündigkeit sei und ein junger Münchner trug sich gravitätisch mit "der Vielfalt", in der Deutschlands Stärke läge.

Der spätere Sieger, ein junger Funktionär aus Brandenburg, der unter seinen 16 Ämtern auch diese oder jene in der CDU ausübte, traute sich sogar verbal an den Verteidigungshaushalt, um Geld für die Bildung abzuzwacken. Für solche Fälle hatte das ZDF seinen Polit-Moderator Peter Frey in Reserve: Ob der junge Mann denn auch unseren Soldaten in Afghanistan Geld wegnehmen wolle, fragte er drohend. Das wollte der Kandidat nun auf keinen Fall. Der Kanzleranwärter auf dem zweiten Platz punktete mit dem schönen Slogan "Macht Kinder. Baut Schulen". Auch wenn sein gut gebügeltes Palästinensertuch den Hauch des Revolutionären vermitteln sollte, war sein Arbeitsplatz als Bundestagsreferent beim Vorsitzenden des "Seeheimer Kreis", der Fronde rechter Sozialdemokraten, zu keinem Zeitpunkt gefährdet.

Die Gesellschaft muss zur Gemeinschaft werden: Es war diese Sorte Volksgemeinschaft, die das ZDF anstrebte: Alle hatten alle lieb, die Kandidaten unterschieden sich inhaltlich nur in Nuancen. Ganz nach dem Motto des Gebrauchsphilosophen Hape Kerkeling "Das ganze Leben ist ein Quiz und wir sind nur die Kandidaten" stellten die Juroren ihre Fragen im Rahmen des politisch Opportunen, um opportune Antworten zu erzielen. Selbst Günther Jauch, den jeder zweite Deutsche gern als Kanzler sähe, machte sich Sorgen um die geringen Unterschiede und die gnadenlose Glätte der Kandidaten. Es gab schon Talkshows, die spannender waren.

Falls "Ich kann Kanzler" ein Vorgriff auf die nächste Bundestagswahl ist - und das steht zu befürchten - dann darf man sich auf eine große Koalition einrichten, geführt von der CDU und gestützt von einer rechten SPD. Begleitet von einer immer größeren Zahl von Nichtwählern. Denn so glatt wie das herbeigecastete Ergebnis der Polit-Show ausfiel, so glatt verfehlte das ZDF das Ziel einer ordentlichen Einschaltquote. Trotz Jauch kam die Vorentscheidung kaum über eine Million Zuschauer und die 180.000 gezählten Anrufer während der Entscheidung lassen kaum Steigerung vermuten. Und so werden auch im wirklichen Wahlkampf die Floskeln herrschen, die immer gleichen Moderatoren die immer gleichen Fragen stellen, um die immer gleiche Antwort zu erhalten: Ich kann Kanzler, ich sag nix.