Seit Wochen grübeln die Feuilletons über den neuen Auftritt des Buffet-Mediums FOCUS: Häppchen um Häppchen sei der Noch-Chefredakteur Markwort dabei, das Blatt, dessen Auflage sich im freien Fall befindet, zu verändern. Sogar die öffentlich-rechtlichen Nachrichten kündigten an, dass es bald einen wahrhaft neuen FOCUS gäbe. Als wäre es eine die Welt bewegende Sensation. Immerhin: Markwort ist FDP-Mitglied, seine Partei sitzt jetzt in der Regierung und natürlich in den Rundfunkräten. Da wird die journalistische Unabhängigkeit noch einmal gründlich überdacht und der Wert einer Nachricht auch.
Nun liegt er am Kiosk, der Neue, zeigt den Chef der US-Notenbank auf dem Titel und nennt ihn "Mr. Inflation". Vor zwei Jahren wäre das eine spannende Nachricht gewesen, noch vor einem Jahr, mitten im Finanz-Crash, eine runde Story. Jetzt ist es nur noch die schlechte Wahrheit von gestern. - Wir wollen daran wirken, dass "lesende Wahlberechtigte in der Mehrheit bleiben gegenüber denjenigen, die sich gleichgültig oder fahrlässig für unsere gemeinsame öffentliche Sache nicht interessieren" holpert das Deutsch der beiden Chefredakteure im Editorial. Denn der FOCUS hat jetzt, wie DIE LINKE, eine Doppelspitze und bald kommt dann noch ein dritter Chefredakteur. So viel Demokratie war nie.
Auch mit der Afghanistan-Story des Magazins scheint der FOCUS linke Positionen zu übernehmen: Das Wort "raus" steht groß und rot über dem Artikel. Im Kleingedruckten findet sich dann aber schnell der Jargon der billigen Landserhefte: "An der Spitze seiner Männer" erfüllte irgendein Hauptfeldwebel "mit Führungswillen, taktischem Können, herausragender Tapferkeit" irgendeinen Auftrag, um dafür das Ehrenkreuz der Bundeswehr zu kriegen. Auch wenn die Sprache zäh wie Leder ist: Hinter ihr steckt das Windhund-Prinzip der jetzigen Bundesregierung: Ganz schnell und laut vom Abzug bellen, um "mehr zu tun als bisher: Mehr Geld geben, mehr Soldaten schicken, mehr Risiko in Kauf nehmen." Weder der dicke Markwort noch der geölte Guttenberg müssen das Risiko persönlich tragen, da ist dann gut davon zu schwadronieren.
Nur wenige Seiten später darf der Innenminister sein Credo zum Krieg am Hindukusch ablassen: Unsere Sicherheitsinteressen können auf unterschiedliche Weise in der ganzen Welt herausgefordert werden und müssen auch dort verteidigt werden." Dass diese Haltung so neu ist wie der alte Krieg ficht den "Vollblut-Journalisten" Markwort nicht an. Wer sich als Zentralorgan der schwarz-gelben Koalition versteht, muss Woche für Woche seine Pflicht in der Verlautbarung erfüllen, Relaunch hin, Relaunch her. Wahrscheinlich deshalb darf die Familienministerin auf einer ganzen Doppelseite ihre Einfalt entblößen: "Entscheidungsfreiheit beginnt in den Köpfen" und wer schnell liest, könnte auch Scheidungsfreiheit gelesen haben. Weit gefehlt, sagt uns doch der "Tendenz-O-Meter" der Heftes, dass die Ministerin den Namen des künftigen Gatten annehmen will: "Schluss mit diesen blaustrümpfigen Doppelnamen!" herrscht es aus dem Kommentar und der Leser fürchtet für die Parteifreundin des Chefredakteurs: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Ihre baldige Kreuzigung scheint gewiss.
Ein anderer Markwort-Parteifreund, der ehemalige Bundeswehrarzt und Gesundheitsminister Rösler darf sich freuen: Er wird mit einem Artikel gegen den bisherigen Pharmakontrolleur Peter Sawicki bedient, den er, wider allen Verstand, gerade ablösen lässt. Schon in der Überschrift wird behauptet "Mediziner kritisierten" den Mann. Der Plural gerät im Artikel dann zu einem einzigen Arzt, verschwiegen wird, dass die Pharmaindustrie ihn weghaben wollte. Dieser Fakt versteckt sich dann hinter dem Wort "pharmakritisch", als sei Sawicki vielleicht grundsätzlich gegen Medikamente. Da die Markwort-Partei zur Zeit ganz besonders im Gesundheitswesen aufräumt, darf der Scherz-Keks der ARD, Harald Schmidt, im aktuellen FOCUS über Arztbesuche kalauern: Die Deutschen, stellt der Meister des hochbezahlten Zynismus fest, gehen gern zum Arzt, häufiger als diese oder jene andere Nation. - Ja, das ist lustig, hähä, aber lange wird es das mit Rösler nicht mehr geben.
Dann gibt es noch eine Google-Story, die das Thema verfehlt, eine durch nichts bewiesene Prognose des Politikwissenschaftlers Münkler, der als "scharfer Beobachter weltpolitischer Machtzyklen" vorgestellt wird und doch nur aus altem Kaffeesatz dünne Thesen destilliert und die dringende Empfehlung sein Geld in Rohstoffen anzulegen: "Gold - seit Jahrtausenden bewährt". Nichts zum neuen Fakt der Parteienfinanzierung: Nach Mövenpick und FDP jetzt auch BMW und CDU. Nicht einmal was zu Oskar Lafontaine, der in den letzten drei Tagen die Nachrichten bewegt hat. Was bleibt ist der Vorschlag des CDU-Generalsekretärs im Saarland: Das Parlament, zitiert ihn Markwort zustimmend, solle doch in Afghanistan tagen. Um der Bundeswehr Respekt zu erweisen. Diesem Vorschlag sollte die FOCUS-Redaktion mit einer Vor-Ort-Sitzung folgen. Am besten in der Nähe eines Tanklastzugs.