Hilfe! Die Türken kommen. Sie gründen bei uns, mitten in Deutschland, eine Universität. In der wird nur türkisch gesprochen! Rund 5000 Studenten, darunter natürlich auch Kopftuchmädchen, machen sich dann in Deutschland breit. Diverse türkische Universitäten sollen die Federführung in den Fakultäten übernehmen. Zur Grundsteinlegung kommt der türkische Staatspräsident. Unser Parlament verabschiedet ein eigenes Gesetz für diese fremde Einfluss-Universität. Und wer bezahlt den Betrieb, diesen Versuch, unser Land weiter zu islamisieren? Der deutsche Steuerzahler! Soweit die Fiktion.
Wenn man aber im obigen Absatz das Wort "türkisch" durch "deutsch" ersetzt, hat man eine reale Nachricht: Gerade wird in Istanbul die oben beschriebene Uni gegründet. Und kein türkisches Boulevardblatt schreit von der Germanisierung. Kein türkischer Seehofer jault wegen Multi-Kulti auf, kein türkischer Bänker schwätzt von der Gefahr der Überfremdung, kein Rassist vom deutschen Gen, dem wir immerhin zwei Weltkriege verdanken. Im Gegenteil: Sie schreiben von einer "deutsch-türkischen Achse" und der "Beschleunigung der deutsch-türkischen Beziehungen".
Doch während der deutsche Bundespräsident noch den Grundstein der deutschen Universität in Istanbul legt, legt seine Partei einen Leitantrag zur Leitkultur vor, der auf dem nächsten CDU-Parteitag verabschiedet werden soll. Stolz wird dort verkündet, man habe die rot-grüne Multikulti-Politik beendet und "Schluss gemacht mit einer Politik der falsch verstandenen Toleranz." Das deutsche Bürgertum, verunsichert davon, dass in fast jeder Familie einer von Hartz IV lebt, unsicher ob man bald selbst davon betroffen sein könnte, hat einen neuen Feind gefunden: Die Türken. Denn Angst verlangt Feinde, verlangt Sündenböcke. Und weil die CDU sich als Partei des Bürgertums versteht, kommt ihr die Angst gerade recht. Denn auch die CDU hat Angst. Weniger vor den Türken, mehr vor den schlechten Umfragewerten. So soll die Angst der Bürger zu Wahlprozenten führen.
Weniger beachtet gibt es noch einen weiteren Antrag zum Parteitag. Der heißt "Faire Chancen für jedes Kind" und enthält den entlarvenden Satz "Deutschland ist Integrationsland". Nicht Einwanderungsland, obwohl Integration Einwanderung voraussetzt. Aber das Wort "Einwanderung" ist das falsche Angst-Wort: Noch mehr Türken? fragt sich der gute Deutsche und will davon nichts hören. Deshalb schreibt die CDU auch nichts vom dreigliedrigen Schulsystem, das mit der Hauptschule von Beginn an die Ungleichheit zementiert: Die Kinder der Besserverdienenden gehen zum Gymnasium, die Unterschichtkinder werden solange in der Hauptschule geparkt, bis sie reif für Hartz IV sind. Kein Wort von ausreichend Kindergartenplätzen und einer Kindergartenpflicht für alle, um die Sprachdefizite zu beseitigen. Denn das kostet Geld. Bleibt also nur die im Leit-Kultur-Antrag beschworene "christlich-jüdische" Tradition: Die christliche Union wird die Integration herbei beten wollen.
Doch ist die Partei schlau genug, in ihrem Papier zu erwähnen, dass Deutschland pro Jahr an die 300.000 Arbeitskräfte verliert, "weil geburtenstarke Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden und nicht genug junge Menschen nachrücken." Da plagt die demographische Entwicklung die Wirtschaftsstrategen der CDU. Noch vor einem Jahr sorgte sich der CDU-Integrations-Minister in Nordrhein-Westfalen, dass es weniger Zuwanderer als Auswanderer gibt und auch: "Zugleich sind die meisten jungen Türken, die unser Land wieder verlassen, hoch qualifiziert und machen dann in der Türkei eine tolle Karriere.“ Warum nur gehen die, wo wir doch total nett zu den Türken sind und nur knapp 60 Prozent der Deutschen die Religionsausübung für Muslime erheblich einschränken wollen. Zumindest in einem haben Sarrazin, Merkel und Seehofer recht: Die sind undankbar, die Türken, die gehen einfach.