Als "Herrenloses Eigentum" qualifizierte der letzte Generalsekretär und Konkursverwalter der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Michail Gortbatschow, die Produktionsverhältnisse im vormals existierenden Sozialismus. Gemeint war, dass sich zunehmend weniger Menschen im sozialistischen Produktionsprozess verantwortlich dafür fühlten, was denn dabei herauskam, dass es zwar ein nominelles Volkseigentum gab, aber kein reales. Deshalb würde in den sozialistischen Betrieben nicht effizient gearbeitet. Ganz anders sei das im Kapitalismus, erzählten die Apologeten dieser Position, dort gäbe es den kapitalistischen Eigentümer, der sei Herr über sein Eigentum, übe eine scharfe Kontrolle aus und deshalb sei der Kapitalismus der überlegenere Produzent. Wer sich große deutsche Unternehmen anschaut, darf durchaus Zweifel anmelden.

Als sich der allmächtige Herr Schrempp, Vorstandsvorsitzender von Daimler, vor Jahren bei Chrysler und Mitsubishi einkaufte, war er einer der ersten deutschen Top-Manager, der mit übergroßem Selbstbewusstsein und dicken Bankreserven den dicken Maxe spielte. Klein-Mäxchen, der normale Autofahrer, wusste es damals schon besser: Weder Chrysler noch Mitsubishi passten zur Stuttgarter Nobelmarke, die auf den Wirtschaftseiten der klugen deutschen Zeitungen beschworenen Synergie-Effekte waren Hirngespinste und heute ist Mitsubishi bereits mit Milliarden-Verlusten verkauft, Chrysler soll, weitere schwere Verluste sind absehbar, folgen. Wer war der Herr des Herrn Schrempp, war war der Herr dieser Entscheidungen in deren Gefolge die Qualität die Mercedes-PKW zeitweilig stark absank, einige Tausend Arbeitsplätze vernichtet wurden und das Unternehmen kaum Steuern zahlte, weil die Auslands-Verluste mit den Innlands-Gewinnen verrechnet werden konnten. Wenn auch unklar bleibt, wer der wirkliche "Herr" des Daimler-Eigentums ist, Schrempps Helfer bei der öffentlichen Vermögensliquidation ist bekannt: Dieter Zetsche, der heutige Daimler-Chef. Schrempp, der mit über zehn Millionen Euro Jahresgehalt als höchstbezahlter Manager Deutschland galt, haftet natürlich nicht für seine Geld- und Arbeitsplatzverbrennungsmanöver.

Es war wieder das kleine, autofahrende Mäxchen, das sich an die Stirn tippte, als der allwissende Herr Piech dem VW-Konzern ein Luxus-Mobil namens Phaeton aufschwätzte, das außer dem Autokanzler Schröder kaum einer fahren wollte. Luxus und VW, das ging nicht zusammen, außerdem hatte der Konzern mit dem großen Audi bereits ein Nobelauto auf dem Markt. Marketingtechnisch nennt man Herrn Piechs Entscheidung "Kannibalisieren". Wenn es nur die Milliarden-Verluste aus der Phaeton-Entwicklung gewesen wären, aber die VW-Golf-Käufer hatten den Eindruck, dass sie mit überhöhten Preisen für ihr Normal-Auto das neue Luxusmobil mit bezahlten. Das Ergebnis: sinkende Verkaufszahlen bei den Butter-und-Brot-Autos, die vom Management, dem keine Ausrede zu billig ist, mit den hohen Lohnnebenkosten, den "teuren" deutschen Arbeitern begründet wurden. Der VW-Konzern kaufte nicht ganz so großzügig ein wie Daimler. Aber neben den auch nicht zum Unternehmen passenden Automobil-Marken wie Bentley und Bugatti, leistet man sich, weitaus billiger, den Einkauf des Betriebsratschef von VW. Und während der Vorstand diesen Einkauf offenkundig für ein Schnäppchen hielt, sah ein Gericht das anders und verurteilte Herrn Hartz zu zwei Jahren auf Bewährung. Niemand glaubt ernsthaft daran, dass nur Hartz von den Korruptions-Millionen wußte. Die Image-Verluste kosten den Konzern kaum weniger als die Fehlinvestitionen.

Korruption ist auch das Stichwort im Siemens Wer-War-Es-Spiel: Erst war es nur ein Top-Manager der bestochen haben sollte, die Rede war unter anderem von 50 Millionen an einen südkoreanischen Präsidenten, jetzt führt die Spur zu allen früheren und jetzigen Vorständen. Und während man die Zahlung von Schmiergeld ins Ausland gerne als Kavaliersdelikt sieht, sind rund fünfzehn Millionen Euro die Siemens für einen gefügigen Betriebsrat zahlte, doch mehr als Kavaliers- und Kleingeld. Schon der Name der gegen die IG-Metall gerichteten Liste, "Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger", weist nachdrücklich auf die Abhängigkeit vom Futtertrog des Siemens-Vorstandes hin. Chefaufklärer der diversen Siemens-Korruptionsaffairen ist ausgerechnet der Aufsichtsratsvorsitzende, Heinrich von Pierer. Der war aber Siemens-Chef als das große Korrumpieren begann. Der jetzige Vorstandsvorsitzende, Klaus Kleinfeld und sein Vorgänger behaupten unisono, sie hätten von den kriminellen Vorgängen im Unternehmen nichts gewusst. Wenn das wider Erwarten wahr wäre, müsste man sie feuern, weil sie den Laden nicht im Griff hatten und haben. Aber auf der Ebene wird nicht gefeuert, nur mit üppiger Abfindung entlassen.

Wenn in diesen Tagen immer neue Zahlen über mögliche Entlassungen bei Airbus in die Öffentlichkeit geraten, traut sich nicht einmal die neoliberale, Konzernfromme Wirtschaftspresse die Arbeiter und Angestellten des Unternehmens für dessen Schieflage verantwortlich zu machen. Es sind erkennbar Managementfehler unter denen jetzt die Belegschaft leiden soll. Der EADS-Konzern ist, sowohl über direkte Beteiligungen als auch über hoch profitable Rüstungsaufträge, im Besitz verschiedener europäischer Staaten. Als der deutsche Wirtschaftsminister jüngst im Standortpoker um Airbus die natürlich nicht ernst gemeinte Drohung aussprach, man könne die Rüstungsaufträge auch überdenken, war ihm öffentliche Schelte sicher. Man hört auch nichts mehr aus dem Wirtschaftsministerium. Wer mag in den hier aufgezählten Fällenvon Misswirtschaft, Korruption und galoppierendem Größenwahn, die natürlich nur für viele andere stehen, Herr des Verfahrens sein? Die offiziellen Eigentümer, Aktionäre oder Staaten, schon mal nicht. Regierungen aller Art können regieren was sie wollen, Entscheidungen über jenes Eigentum, das sich temporär in der Verfügungsgewalt des Managements befindet, fällen sie nicht. Natürlich ist das Eigentum im Kapitalismus nicht wirklich herrenlos. Es ist nur verantwortungslos. Das hatte Michail Gorbatschow offenkundig nicht überblickt.

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