Gott mit dir, du Land der Bayern,
Heimaterde, Vaterland!
Über deinen weiten Gauen
walte Seine Segenshand!
Bayernhymne, 1948
Kannten sie Michael Glos? Wahrscheinlich nicht. Glos soll noch Bundes-Wirtschaftsminister sein. Aber ob er es ja war? Nur wenigen ist er in seiner Funktion aufgefallen. Doch Glos spielt in diesen Tagen eine historische Rolle: Mit dem Fall Glos zeichnet sich die endgültige Abtrennung des Bayerischen Freistaates von der Bundesrepublik Deutschland ab. Denn Glos will zurücktreten. Das wäre nicht weiter wichtig. Aber Glos, der Mitglied einer Bundesregierung ist, bittet den Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer untertänig zurück treten zu dürfen. Nicht seine Regierungschefin, die Bundeskanzlerin. Nicht den Bundestag. Nicht den Bundespräsidenten, der ihn ernannt hat. Sondern den Chef eines Bundeslandes. Glaubt man dem Grundgesetz, ist Deutschland ein Bundesstaat und im Artikel 31 wird feststellt: Bundesrecht bricht Landesrecht und damit sollte der Vorrang klar sein. Aber nicht für die CSU. Jene Partei, die es nur in Bayern gibt und die das Land immer schon als autonomes Gebiet ihrer Herrschaft begriffen hat.
Wer glaubt, die Loslösung Bayerns von Deutschland sei die Ausgeburt eines kranken Traumes, geträumt vom Seehofer Horst, gegen alles Recht, der irrt. "In dem festen Entschlusse, den kommenden deutschen Geschlechtern die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechtes dauernd zu sichern, gibt sich das Bayerische Volk, eingedenk seiner mehr als tausendjährigen Geschichte, nachstehende demokratische Verfassung", heißt es in der Präambel der Ende 1946 beschlossenen Verfassung des Freistaates. Jahre bevor das Grundgesetz der Bundesrepublik in Kraft trat. Zwar steht im Artikel 178: "Bayern wird einem künftigen deutschen demokratischen Bundesstaat beitreten." Doch wie lange diese Mitgliedschaft dauern soll, und unter welchen Bedingungen sie endet, das regelt kein Gesetz. Das kann also nur die Praxis lösen. Und die praktische Lösung ist soeben begonnen worden. Ausgerechnet im 60 Jahr der Gründung der Bundesrepublik Deutschland.
Wer die Auflösung von Staaten wie Jugoslawien oder der Sowjetunion beobachtet hat, der weiß, wie Nation-Building abläuft: Eine Region entdeckt ihre Vernachlässigung durch den Zentralstaat und will selbstständig werden. Selbst wenn der zentralstaatliche Zwang ein einheitliches Idiom über Jahre hatte durchsetzen können, besinnen sich die Völker wieder auf ihre eigentlichen, regionalen Sprachen und erinnern sich ihrer mehr als "tausendjährigen Geschichte". Mit dem Widerstand gegen die zentrale Steuergesetzgebung fängt es an, andere Widersetzlichkeiten folgen. Schon vor Tagen, als der Freistaat Bayern, wider alle Vernunft, das längst verhandelte Umweltgesetzbuch des Bundes ablehnte, hätte Deutschland aufmerken sollen: Der Kampf für die bayerische Selbstständigkeit, damals noch als skurrile Demonstration abgetan, wurde damit eingeläutet. Die Absage des Michael Glos an alle Regeln des Bundes ist nur die bestätigende Folge.
"Bayern ist stolz auf seine Gebirgsjäger und sie sind ein Teil von Bayern." Unter starkem Beifall gratulierte der damalige Bayrische Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein zum 50. Jubiläum der Gebirgsjägerbrigade 23, einer Truppe, die ausschließlich in Bayern stationiert ist, wenn sie nicht gerade im Ausland marschiert. Rückblickend muss der zentralen Bundeswehrführung Leichtfertigkeit vorgeworfen werden, die ausgerechnet ein Gebirgsjägerbataillon in die Befreiungskämpfe der Bosnier und Mazedonier vom jugoslawischen Bundesstaat schickte. Denn einerseits ist der Einfluss schlechter Vorbilder nicht zu unterschätzen, andererseits führen die Gebirgsjäger "ihre Traditionslinie auf das 1805 gegründete Gebirgsschützenkorps als Vorgänger der bayrischen Gebirgstruppen zurück. Aus Tradition tragen die Einheiten das dem deutschen Alpenkorps 1915 verliehene Edelweißabzeichen." Andere Uniformen, Abgrenzung durch besondere Zeichen. Das ist die klassische Variante der Segregation von eigenen Streitkräften bei der Herausbildung neuer Nationen.
Nicht selten sind es Krisen, in denen das lange verschüttete Nationalbewusstsein aus dem Regionalbewusstsein wieder auftaucht. Dass Deutschland, und mit ihm seine Länder, sich mitten in einer veritablen Krise befinden, wird wohl keiner leugnen. Auch nicht die Tatsache, dass es ausgerechnet eine bayerische Bank ist, die gerade mit fast 100 Milliarden saniert werden muss. Und genau diese Hypo Real Estate mit Sitz in München soll nun verstaatlicht werden. Dass sich die Bayern gegen diese subversive Form des Bolschewismus wehren würden, war zu erwarten. Notfalls mit der Abtrennung. Auch die Kritik der Bundeskanzlerin am Papst hat die zutiefst katholischen Bayern weiter in die Abtrünnigkeit getrieben. Sagt doch der § 144, 2 ihrer Landesverfassung: "Jede öffentliche Verächtlichmachung der Religion, ihrer Einrichtungen, der Geistlichen und Ordensleute in ihrer Eigenschaft als Religionsdiener ist verboten und strafbar." Dass die preußische Kanzlerin, die protestantische, sich am Papst vergangen, also strafbar gemacht hat, ist im Landeskabinett unumstritten.
Dass Bayern seine Unabhängigkeit wirtschaftlich durchstehen würde, war bisher klar: Mit Automobilbetrieben wie Audi und BMW, mit Siemens und dem Chemiedreieck, nicht zuletzt einer eigenen Rüstungsinsdustrie (!) der EADS und Krauss-Maffei, gilt Bayern als durchaus ökonomisch lebensfähig. Nicht nur das jährlich Oktoberfest ist ein Quell touristischer Großumsätze. Mit seiner bayerischen, kernfesten Medienindustrie, vom Burda-Konzern bis zu Pro 7 und und Premiere, wäre das Land jederzeit in der Lage seine spezifische Kultur zu pflegen und zu exportieren. Wenn die Regierung des Freistaates ihren Stars der Volksmusik, Florian Silbereisen zum Beispiel, die Ausreise verweigern würde, müssten viele Sender im alten Deutschland ihren Betrieb einstellen. Nur ein Hafen würde den Bayern fehlen, wenn es nicht längst Triest gäbe, jenen Freihafen, über den Bayern bereits heute weite Teile seiner Im- und Exporte abwickelt. Allein 35 Millionen Tonnen Rohöl werden in Triest jährlich umgeschlagen.
Kurz nur hatte Horst Seehofer in seiner Güte den Rücktritt seines Paladins Glos in Berlin abgelehnt. Ein Nachfolger ist schon benannnt (*). Offenkundig will Seehofer die Trennung Bayerns von der Bundesrepublik Deutschland noch in der Schwebe halten. Durchaus denkbar wäre, dass sich die Bayern mit der "kleinen Lösung" zufrieden geben: Seehofer wechselt auf den Stuhl das Kanzlers und Merkel könnte von seinen Gnaden und unter seiner Kontrolle Ministerpräsidentin in Bayern werden. Das würde die Einheit Deutschlands noch einmal retten. Um eine anderweitige Verwendung von Michael Glos muss man sich keine Gedanken machen: Er wird Papst. Glos redet wenig und ist so kaum dafür anfällig, in der Öffentlichkeit Unsinn zu schwätzen. So könnte Horst Seehofer eine Reihe von Problemen auf einmal lösen: Das Bayern-Problem, das Deutschland-Problem und das Vatikan-Problem. Das Seehofersche Größenwahn-Problem allerdings wird mit jedem Tag größer werden.
* Als Nachfolger ist der CSU-Freiherr Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Wilhelm Franz Joseph Sylvester von und zu Guttenberg ins Auge gefasst. Dass Guttenberg seinen Wehrdienst bei den Gebirgsjägern in Mittenwald ableistete lässt Böses ahnen.