Mächtig erhebt sich der getürmte helle Stein über dem blauen Meer, kühne Pfeiler gliedern die Fassade einer der schönsten gotischen Kathedralen der Welt. "La Seu" nennen die Mallorquiner das Wahrzeichen ihrer Insel. Demnächst soll es auch das Wahrzeichen eines Wasser-Sacharose-Koffeein-Taurin-Gemisches sein: Red Bull möchte sein Air-Race genanntes Luftspektakel vor dieser Kathedrale aufführen. "Wir können", sagt Red-Bull-Manger Lehrmayer, "den Spirit der Location in die ganze Welt hinaustragen". Gemeint ist natürlich, dass die Kathedrale als weiteres Abziehbild auf der Dose mit dem Bonbon-Wasser kleben soll. Image-Transfer nennen die Marketing-Strategen diese Sorte von Product-Placement, bei dem der Ort die Marke heiligen soll.

Die ganze Welt ein Markt: Bei Red Bull und ähnlichen Produkten, die ihre nichtssagenden Marken mit "Events" aufladen müssen, wird dann auch noch ein Jahrmarkt daraus. Der österreichische Brause-Hersteller, der sich einen Formel-1-Rennstall leistet, eine Motocross-Serie begründet hat und gerade den Fußballstar Thierry Henry für die "New York Red Bulls" eingekauft hat, profiliert sich gern mit Sport. Während es anderen Unternehmen reicht, Fußball-Arenen mit ihren Namen zu beglücken, geht Red Bull weiter: Zwar besitzen die Limonaden-Könige in Leipzig bereits ein Stadion mit ihrem Namen, aber jetzt soll es auch ein deutscher Fußballverein sein, der für sie Punkte macht. "RB Leipzig", jüngst von Red Bull gegründet, darf zwar nur "RasenBallsport" heißen, aber trotzdem will man mit Augenzwinkern in die Bundesliga.

Sponsoring beschränkt sich natürlich nicht auf den Sport. Die Kultur saniert sich schon seit Jahr und Tag mit Finanzen aus diversen Unternehmen: Anna Netrebko singt bei der Taufe eines Schiffs des Reisekonzerns TUI, das Deutsche Guggenheim Museum gehört der Deutschen Bank, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird von der Tabakindustrie finanziert und Flick Junior parkt große Teile seiner Kunstsammlung im Berliner Ausstellungsbau "Hamburger Bahnhof". Es ist die öffentliche Armut, die Sportvereine und Kultureinrichtungen in die Taschen der Konzerne fallen lässt: Die veredeln ihr Image, je nach Marketing-Konzept und Zielgruppe, mal mit Kunst für den anspruchsvollen Bankkunden, und mal mit der Breakdance-Weltmeisterschaft in Sao Paulo, wie Red Bull, um sich die coole Szene ans Hemd zu heften.

Die deutsche Wirtschaft hat längst die Wirkungsmächtigkeit der Kultur erkannt: Deshalb hat der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) einen eigenen "Kulturkreis" gegründet. Vom Müllentsorger ALBA über das Energieunternehmen E.ON bis zum VW-Konzern sind alle dort versammelt, die sich von der Kunst die Adelung ihres Unternehmens versprechen. Dass sie nur das fördern, was ihnen passt, versteht sich. Anders als beim Sportsponsoring, dass nicht steuerlich begünstigt wird, wirkt die milde Gabe an die Kunst steuermindernd: Das Unternehmen "spendet" und der Staat erlässt ihm Steuern. Auch die Kärcher GmbH, deren Fassadenreinigungsgeräte den französischen Präsidenten schon mal auf die Idee brachten, die Pariser Vorstädte zu "kärchern", weiß um die Kraft des Sponsorings: "Kärcher reinigt die Welt!" erzählt das Marketing und zählt, vom Brandenburger Tor bis zum Mount Rushmore jene kulturellen Preziosen auf, die schon kostenlos gekärchert wurden.

Die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen folgt dem allgemeinen sozialen Trend: Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer, der Staat wird privatisiert und darf nur noch für Verluste haften. Es ist an der Zeit, über weitere Schritte nachzudenken: Die Justiz könnte von der D.A.S.-Rechtschutzversicherung übernommen werden, der Sicherheitskonzern "Securitas" sollte sich um die Polizei kümmern und die Daimler AG, zum Beispiel, privatisiert die Deutsche Bahn. Auch wenn die Kathedrale in Palma schon von Red Bull besetzt ist, bleibt doch der Kölner Dom für eine Kölsch-Brauerei als Bier-Ausschank und das Brandenburger Tor kann problemlos in McBurger-Gate umbenannt werden. Nur die Fußballnationalmannschaft muss weiterhin 1. FC Merkel heißen. Wie sollte die Regierung sonst überleben?