Spare in der Zeit
Dann hast Du in der Not
Volskmund
Sparen, das weiß man auch außerhalb Schwabens, ist eine Tugend. Schon lange sparen die Deutschen: Seit Jahr und Tag gibt es in Deutschland geringere Löhne und Gehälter als in vergleichbaren Ländern. Die Leistungen der Krankenkassen wurden, parallel zur Steigerung der Beiträge, geringer. Höchst sparsam informiert die Regierung das Wahlvolk über ihre nächsten Schritte. Wer deutsche Straßen kennt, der weiß wie eingesparte Reparaturen aussehen. Die Bundesbahn geizt mit der Wartung ihrer Fahrzeuge. Falls, wider Erwarten, doch Geld für irgendwelche Bildungs-Sektoren ausgegeben werden sollte, wird es nur Ausgleich für längst Zusammengestrichenes sein: Schulgebäude kaputt, Hörsäle überfüllt, Vorschulische Bildung kaum vorhanden.
Geiz sei geil behauptete lange Jahre erfolgreich ein Elektrohandelskonzern und stiftete so eine komplette Kultur: Sexuell attraktiv sei nur, was billig wäre. So wurden die Deutschen eine Volk von Sexobjekten. Weniger Einkommen, geringere Rente und sinkender politischer Verstand zeichneten sie aus. 'Wir geben nix' wurde zur erotisierenden Phrase, obwohl zeitgleich die Zahl der Bettler vor den Supermärkten bedeutsam anschwoll. Während frühere Generationen noch den Wahlspruch 'Haste was - biste was' emblematisch vor sich hertrugen, trumpfte der neue Deutsche mit Hartz IV auf: Der Habenichts wurde zum Ausweis einer Gesellschaft, die neben sozialem Verfall auch gerne die Gedankenarmut mit sich trug. Schließlich entglitt einem Bürgermeister gar die Stanze "Berlin ist arm, aber sexy". Merkwürdig nur, das dieses deutsche Aphrodisiakum für Andere nicht attraktiv war: Die Zahl der Einwanderer nach Deutschland sank und sinkt.
Wo öffentliche und offiziell ausgewiesene Armut tobt, da gab und gibt es einen Ausgleich im Privaten: Wie Kamellen wurden Abwrackprämien unter ein Volk von Autofahrern geworfen, deren Karnevalsprinzen an der Spitze der Automobilkonzerne ihren Aktionären ein fröhliches Helau zuriefen. Brauchte einer der Hasardeure Geld, weil er davon zu viel in zu große Risiken investiert hatte, gab eine eigentlich geizige Regierung mit vollen Händen: Am liebsten an Bankhäuser. Hinter der Maske der Sparsamkeit lachte der schwache Verstand der Diener ihrer Herrn. Der üppige private Karneval ist in das karge öffentliche Fasten eingebettet. Und wenn der rheinische Brauch der tollen Tage auf die ausschweifenden römischen "Saturnalien" zurückgeführt wird, dann kann es nur ein Scherz der Geschichte sein, dass der Elektrohandel, dem "Geiz ist geil" einfiel, "Saturn" heißt.
Weniger zufällig ist es, dass "Saturn" im Besitz des Metro-Konzern ist, der sich wiederum im Eigentum jenes Otto Beisheim befindet, der als SS-Scharführer der "Leibstandarte Adolf Hitler" angehörte. Das war ein Verein, der gerne an der Moral sparte, mit Mord allerdings nicht geizte. Beisheim, dessen Vermögen auf ein paar schlappe Milliarden geschätzt wird, ist für persönlichen Geiz nur an einem Punkt bekannt: Irgendwann wechselte er seine deutsche Staatsbürgerschaft gegen die der Schweiz. Aus Steuergründen versteht sich. Wenn das der Führer wüsste. Ansonsten lebt der fidele Rentner zwischen Miami und Lugano und leistet sich mit dem "Beisheim-Center" am Potsdamer Platz in Berlin ein riesiges Ensemble von leerstehenden Luxuswohnungen.
Der Leerstand in den Köpfen deutscher Regierender hat jenen Notstand erreicht, der dem Volksmund das Prädikat "notgeil" abfordert. Das ist jener Zustand, der einen Menschen dann befällt, wenn er alle und alles als Sexobjekt betrachtet. Dass der hessische Ministerpräsident Roland Koch einmal so weit kommen würde, selbst an der kümmerlichen Bildung der Deutschen geizen zu wollen, ist nicht verwunderlich: Wer nix weiß, wählt gerne CDU. Wenn sich die Kanzlerin in diesem Fall öffentlich gegen Koch wendet, dann nur, weil sie gern Wähler außerhalb der CDU-Zielgruppe gewinnen möchte. So bleibt den Deutschen nur ein Ausweg: Sie könnten sich diese Regierung sparen. Es wäre an der Zeit. Und Not täte es auch.