Gleich die Nachrichten, vorher die TV-Werbung: Schicksals-Musik dröhnt aus dem Fernseher, ein Panzer fährt ins Bild, das dramatische Vibrato des Sprechers verkündet: "Rekonstruieren Sie den Kampfpanzer Tiger Eins!". Das, denken Sie, kann er doch nicht ernst meinen. Doch, der meint das ernst. Der meint den Panzer, der auch die SS-Leibstandarte-Adolf-Hitler zu ihren Verbrechen an die Front trug. Das wesentliche Symbol des Nazi-Krieges, dessen Ketten gerne über Schützengräben fuhren, um die feindlichen Soldaten zu zermalmen. Eine der letzten 'Wunderwaffen', die dem Hitler-Reich das Überleben sichern sollten. Dieses Monstrum sollen Sie demnächst am Kiosk kaufen. Einzelteil für Einzelteil zusammenbauen, um das einen halben Meter lange Modell später ins Regal zu stellen. Das hübscht doch die schlechten Nachrichten aus Afghanistan deutlich auf: Deutsche Waffen können siegen.
Es ist der französische Verlag 'Hachette', der zur Zeit eine gute Euro-Million für Fernsehwerbung ausgibt und auch den letzte Kiosk in Kyritz an der Knatter mit seinen Panzer-Bausätzen versorgt. "Kantig, furchteinflößend, kraftstrotzend", so deliriert der Texter der Montageanleitung über das Kriegsgerät: "Gerade an der Ostfront bot der Tiger den sowjetischen Panzern Paroli", freut sich 'Hachette' noch heute. Des Texters später Applaus gilt der deutschen Rüstungsfirma 'Hentschel', die den Führer davon überzeugen konnte, dass ihr Panzer besser sei als der von Porsche. "Wenige 'Tiger' zerstörten bei geringen eigenen Gefechtsverlusten gleich reihenweise sowjetische, britische und amerikanische Panzer". Welchem Zweck das Zerstören alliierter Panzer diente? Egal. Dass mit dem Monster aus Stahl der Krieg verlängert wurde? Scheissegal.
'Hachette', das klingt nach dem alten Frankreich, das waren doch die Livre de Poche des Verlages, von Maigret über Flaubert bis Zola. War es nicht auch Flirten am Strand von Juan-les-Pins, kühler Saumur von der Loire und, ein wenig früher, Panzer in den Ardennen, als Deutschland und seine Tiger beinahe das gerade befreite Frankreich zurück erobert hätten? Längst gehört der größte französische Verlag der 'Groupe Lagardère', jenem Großkonzern, der, welch ein Zufall, auch wesentliche Anteile am Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS besitzt. Jenem Unternehmen, das zur Zeit ein paar Milliarden mehr als veranschlagt für ein Militärtransportflugzeug haben möchte, das es noch garnicht gibt. Der Gründer der 'Groupe Lagardère' war Jean-Luc Lagardère, enger Freund diverser französischer Regierungen und auch einer des Ex-Daimler-Chefs Jürgen Schrempp. Mit dem und jeder Menge Staatsgelder hatte er 1999 den drittgrößten Luft- und Raumfahrtkonzern der Welt gegründet. Ein schönes Symbol deutsch-französischer Waffenbrüderschaft, dessen Profitmargen bis zum heutigen Tag die Börse bewegen.
Lagardère, dessen Unternehmen Zeitungen, TV-Sender und Radiostationen bis zum deutschen Sender 'Kiss FM' kontrolliert, ist in der französischen Rüstungsschmiede Dassault groß geworden. Von dort wechselte er zum Rüstungsbetrieb Matra, der mit dem staatlichen Rüstungskonzern Aérospatiale eng verbunden war. Wann immer die 'Groupe Lagardère' einen Entwicklungsschritt machte, waren der Staat und seine Steuergelder dabei. Auch der Sohn des Firmengründers, Arnaud Lagardère, setzt diese profitable Tradition fort: Über den jetzigen französischen Präsidenten weiß er zu sagen, Sarkozy sei "nicht nur ein Freund, sondern wie ein Bruder" für ihn. So schließt sich denn der politisch-wirtschaftliche Kreislauf auf das Schönste: Das Rüstungsunternehmen verkauft Waffen, das Medienunternehmen verkauft Kriegsnostalgie und die Regierungen lassen sich kaufen. Man darf gespannt sein, wann uns der Verlag 'Hachette' mit weiteren Modellen überrascht. Demnächst vielleicht mit einer niedlichen Hiroshima-Bombe.