Sie wird uns allen fehlen, die deutsche Ausgabe von VANITY FAIR, das Magazin für Leute. Leute meint natürlich nicht Dich und Mich, Leute meint die Gehaltsgruppe ab Jahrgangs-Champagner aufwärts, meint nicht Paddelboot auf dem Müggelsee, sondern Segelyacht in St. Tropez, nicht Riester-Rente, sondern Hedge-Fond. Und weil es sich für diesen und jenen ausgehedget hat, wird VANITY FAIR jetzt eingestellt. Wir werden das Magazin vor allem seiner unbedingten Ehrlichkeit wegen vermissen: Übersetzt bedeutet der Titel "Jahrmarkt der Eitelkeiten". Wenn die FAZ so ehrlich wäre, hieße sie "Kirmes der Wichtigtuer", die Bildzeitung müsste sich "Geisterbahn der Spanner" nennen und die "Zeit" käme vielleicht mit "Schiffschaukel der Studierten" davon. Ob der "Spiegel" mit "Kabinett der Halbgebildeten" zufrieden wäre oder doch lieber den Namen "Losbude der Verblasenen" trüge?

Die letzte Ausgabe von VANITY FAIR wird in die Geschichte als das "Peek & Cloppenburg-Heft" eingehen. Und genau daran ist das Blatt auch eingegangen: Keine Anzeigen von "Cartier", von "Bulgari" oder "Yves St. Laurent". Statt dessen zwölf Seiten von "Peek & Cloppenburg", dem Textilausrüster für Beinah-Reiche, oberhalb von C & A, doch deutlich unterhalb von jenen Designer-Läden, in denen die Klamotten-Welt mit einem Kostümchen für zwölftausend Euro anfängt. Was sollen denn die Leute denken, die natürlich im Denglischen nur "people" heißen, wenn ihnen aus der Anzeige mit einem Blazer für schäbige 399,- Euro die nackte Armut entgegen starrt? Abwenden werden sie sich, mit Grausen, versteht sich.

Dabei hält auch noch die letzte Ausgabe so viele wichtige Informationen bereit: Zum Beispiel, dass ein Erotik-Vesand eine Verschrottungsprämie für Vibratoren zahlt. Darauf wäre nicht mal Frau Merkel gekommen. Oder dass es, Krise hin oder her, dem Automobilhersteller Audi gar nicht so schlecht geht: Man wird jetzt den Audi R8 V 10 auf den Markt bringen. Anschaffungskosten: Schlappe 142.000 Euro Verkaufspreis, Spritverbrauch bei zwanzig Litern und einem Beschleunigungswert von 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Das ist mal ein schnelles Konjunkturpaket. Weil zeitgleich 25.000 Audi-Beschäftigte in Kurzarbeit gehen, fragt VANITY FAIR den Audi Chef wie er das erklärt und der antwortet: "Ruhig, professionell und offen". Es ist genau diese bekotzte Ehrlichkeit, die uns fehlen wird.

Fast schmerzhaft berührt uns auch die Offenheit eines hochmögenden Autors im Blatt. War doch Freiherr Moritz von Uslar im Auftrag von VANITY FAIR an jedem der neun Berlinale-Tage im Nobel-Restaurant Borchardt, unweit des Berliner Gendarmenmarktes. Schon zu Beginn seines Artikel stellt der Edel-Journalist eins klar: "Dass er diese Tage keinesfalls ohne Alkohol durchzustehen gedenkt". Das hätte es nicht gebraucht, von Uslar ist schon von sich und seiner Bedeutung besoffen, nennt er sich doch selbst "Superreporter". Schnell findet er Gesprächspartner seines Niveaus: "Mein Gott, wie die Zeit rast", vertraut ihm Heike Makatsch an, und dann werden sie sicher weiter philosophiert haben.

Von Uslar hat ein unbestechliches Auge. Am Produzenten Bernd Eichinger bemerkt er Segeltuchschuhe zum Doppelreiher ("Big Style"). Er sieht "ungewohnte Anzugstoffe" und "ungewohnte Frisuren", schreibt aber sofort, was das bedeutet: Viele Geschäftsleute aus dem Ausland sind im Raum. Wie ungewöhnlich während eines internationale Filmfestivals. Und von den Prominenten, er kennt sie natürlich alle, weiß er uns zu sagen: "Manche sind dicker, manche dünner, als man sie in Erinnerung hatte." Doch trotzt er tapfer dem Fan-Kult, wenn er behauptet: "Die Architektur des Borchardt kommt auch ohne Prominenz aus." Von solch brutaler Aufrichtigkeit betroffen, wendet sich der Leser getröstet den letzten Worten des schreibenden Freiherrn zu: "Man wird nicht schlauer vom Trinken, aber auch nicht so dumm, wie alle immer sagen." Sicher?

Was wäre ein echter Jahrmarkt ohne den Ruhm der Schriftsteller? Eine trübe Schausteller-Versammlung. Da traf es sich für VANITY FAIR günstig, dass Daniel Kehlmann gerade ein Buch mit dem Titel "Ruhm" in die entzückte Welt gesetzt hat. Beruhigt lesen wir, dass Kehlmann für den Artikel mit einem Smoking von "Boss Black", einer Fliege von "Giorgio Armani" und einem Hut von "Fiona Benett" bekleidet wurde. Kann er das alles für umsonst behalten? Diese wichtige Frage findet leider keine Antwort. Doch erfahren wir vom Schriftsteller persönlich, dass der berühmte Erfolgs-Autor Kehlmann der Bildzeitung mal "aus Witz" ein Interview gegeben hat, dass es keine Größe ohne Größenwahn gibt und Misserfolg schlecht für den Charakter ist. Und auch etwas über die Seins-Bestimmung des Bewusstseins: "Plötzlich", nachdem sich der Erfolg eingestellt hat, "fahre ich dauernd Taxi." Das ist groß, das ist Literatur. Pur.

Trauer ergreift den Leser, wenn ihm bewusst wird, dass es VANITY FAIR nie wieder geben wird. Allein so ein Foto wie das der Stephanie zu Guttenberg, auf dem sie aus ihrem Abendkleid guckt wie die Wurst aus der Pelle: Wer soll das sonst bringen? Doch traut schließt sich der Kreis mit einem letzten Kommentar von Inga Grömminger: "Hallo Hotelbarkultur" schreibt sie uns ins Poesiealbum, um dann all die Absacker-Kneipen aufzuzählen, in denen sie schon dieses und jenes getrunken und allerlei erlebt hat: Wie Robbie Williams im Berliner Ritz Carlton mal im Trainigsanzug (!) vor dem Kamin döste, zum Beispiel. Oder dass es im Berliner Hotel de Rome eine Bebel-Bar gibt. Bebel? War das nicht die Stadt im Zweistromland, in der mal ein Turm gebaut wurde, der dann einstürzte? Nur nicht an die Immobilien-Krise denken, lieber noch einen runterstürzen: "Die Hotelbarkultur muss wieder belebt werden!" Prost.

Wer sich jetzt vor Wehmut nicht lassen kann, der sei getröstet: Noch hat der Verlag "Condé-Nast" einige andere Produkte auf dem deutschen Markt: "Myself", das Magazin mit dem Friseurgutschein zum Beispiel. Oder "G Q", ein Titelname, der so nahe am Begriff "IQ", Intelligenz Quotient" liegt und doch das genaue Gegenteil bedeutet: "Gentlemen´s Quarterly". Und den unverzichtbaren Reiseführer durch die Welt des Einkaufens "GLAMOUR": "Scharfe Schuhe, tolle Taschen", verkündet der aktuelle Titel, shoppen bis die Kreditkarte glüht. Ach, herrjeh, das erinnert an die kommende Kreditkarten-Krise. Lasst uns lieber zurück in die Hotelbar gehen. Wer will schon schlauer werden?