»Es begab sich aber zu der Zeit«, so beginnt der Evangelist Lukas die Weihnachtsgeschichte zu erzählen, und sein Bruder im Amte, Matthäus, setzt fort, indem er drei Weisen aus dem Morgenland in die Story einfügt: "Die sahen das Kindlein, warfen sich nieder, huldigten ihm, taten ihre Schätze auf und brachten ihm Gold und Weihrauch und Myrrhe". Diese drei, in den Mythen Heilige Könige genannt, waren eindeutig Ausländer. Soweit die Kirchengeschichte reicht, kamen zwei von ihnen aus dem heutigen Iran oder aus Syrien. Der Dritte wird gerne als Schwarzer dargestellt. Wenn auch der aus einem der so genannten Schurkenstaaten kam, wird es wohl der Sudan gewesen sein.

Zu dieser Zeit begibt es sich, dass das Bielefelder Institut für Konfliktforschung unter Leitung von Wilhelm Heitmeyer die fünfte Folge der »Deutschen Zustände« bei Suhrkamp herausgibt und feststellt, dass die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland weiter wächst. Allem Gewäsch vom neuen, toleranten Patriotismus, der sich während und mit der Fußballweltmeisterschaft etabliert habe, zum Trotz stieg die Ausländerfeindlichkeit seit 2002 kontinuierlich an und die gesondert untersuchte Islamophobie im letzten Jahr noch ein wenig mehr.

Fast sieben Millionen Ausländer leben in Deutschland, rund zwei Drittel von ihnen sind seit mehr als acht Jahren in unserem Land. Die Zahl der Asylbewerber geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Der prozentuale Anteil von Ausländern ist seit Jahrzehnten konstant: Schon 1910 betrug die Zahl der Ausländer in Deutschland 6,5 Millionen bei 65 Millionen Einwohnern, also etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, so viel wie auch heute hier leben. Aber die anhaltende Debatte um Leitkultur, um den »Kampf gegen den Terrorismus" oder jene um den angeblichen Asylbetrug, lässt das Thema völlig neu und bedrohlich erscheinen.

In der Tat bedrohlich für ein Land, von dem allgemein angenommen wird es sei zivilisiert, sind die Umfrageergebnisse, die das Bielefelder Institut vorlegt: Mehr als 32 Prozent der Befragten findet, dass zu viele Ausländer in Deutschland leben. Rund 35 Prozent stimmen "eher" oder "voll und ganz" zu, wenn angesichts knapper Arbeitsplätze vorgeschlagen wird, dass die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurück geschickt werden sollten. Und weil man ja stolz darauf ist ein Deutscher zu sein, können immerhin 14 Prozent der These zustimmen, dass die Weißen »zu Recht führend in der Welt« sind.

Die bei Suhrkamp erschienene Studie ist besonders verdienstvoll, weil sie es nicht bei den sorgsam erhobenen Vorurteilen der Deutschen belässt, sondern sie in soziale und politische Beziehungen setzt. Zeitgleich zur wachsenden Fremdenfeindlichkeit sind immer mehr Deutsche (91 Prozent) der Ansicht, dass Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden. Zugleich glauben immer mehr, dass sie politisch keinen Einfluss haben. Diese Erkenntnisse reichen offenkundig nicht zu einer tieferen Analyse oder gar einer politischen Bewegung, sie verstärken vorerst nur vorhandene Unsicherheiten. Und während in vergangenen Jahrzehnten die soziale Stabilität der Republik als Bindemittel fungierte, kompensiert heute ein wachsender, ausgrenzender Nationalismus ein verunsichertes deutsches Bewusstsein.

Nicht völlig zu Unrecht wird Fremdenfeindlichkeit gerne in den neuen Bundesländern verortet, um damit auf die vorgeblichen DDR-Wurzeln dieses Phänomens zu weisen. Nur selten wird daran erinnert, dass es zumeist junge Männer sind - deren Sozialisation nach der Vereinigung der beiden Deutschlands stattgefunden hat - die aktive Fremdenfeinde sind. Zudem beweist die vorliegende Studie mit ihrem Index zum Rechtspopulismus, der das Land Bayern auf dem dritten Platz, vor Mecklenburg und Brandenburg sieht, dass veröffentlichte Meinung und Wirklichkeit nicht unbedingt dasselbe sein müssen. Wer allerdings in den letzten Jahren Herrn Stoiber gut zugehört hat, den wundert das Ergebnis nicht.

Während das deutscheste aller Feste, die christliche Weihnacht, ihren umsatzfördernden Lauf nimmt, bringen auch die dunkelhäutigen Könige, die dem Christkind huldigen, kein erhellendes Licht in die Köpfe von Fremdenfeinden. Auch die Tatsache, dass Jesus Jude war, nützt nicht: Rund 14 Prozent der Befragten der Studie zur Fremdenfeindlichkeit glaubt, dass die Juden zuviel Einfluss in Deutschland haben. Und obwohl Jesus, der nie verheiratet war, sich, glaubt man Leonardo da Vincis "Abendmahl", späterhin mit einer Gruppe junger, schmucker Männer umgab, sind mehr als 20 Prozent der durchweg christlichen Deutschen der Meinung, dass Homosexualität unmoralisch ist. Vielleicht ist Nächstenliebe dem Christentum doch fremder, als allgemein behauptet wird.