Nun reden sie wieder. In Saarbrücken auf einem Festakt. In Berlin bei Bier und Wurst. In Radios und TV-Sendern. Über die Deutsche Einheit, die vor 20 Jahren begonnen habe, an der man sicher noch arbeiten müsse, die aber auf einem guten Weg sei: Köhler & Merkel, Westerwelle & Claudia Roth, nur von der SPD wird man nicht viel hören. In keiner der Reden wird von den Gründen der Spaltung Deutschlands gesprochen werden und auch nicht von mehr als einer Million Flüchtlingen aus dem Osten in den Westen: Im Ergebnis staatlicher Einheit. Deshalb ist das Deutsche Historische Museum (DHM) zu loben, das sich mit seiner Ausstellung "Kunst und Kalter Krieg" der Spaltung Deutschlands nähert. Weil Rückblick Voraussicht schaffen kann. Weil Nachdenken die Möglichkeit des Vordenkens in sich birgt. Weil die Einheit eine Schimäre ist. Und nicht zuletzt: Weil Vielfalt der Kunst allemal besser ist als die Einfalt des Einheitsgeredes.

Dass die Ausstellung zu "Kunst und Kalter Krieg" in Los Angeles entstanden und dort auch zuerst gezeigt wurde, mag befremden. Verwundern muss es nicht: Die moderne Kunst spricht Englisch, von der Contemporary Art, über die Performance, die Pop-Art, die Land-Art und das Happening bis zum Ready-made. Auch die Guggenheim-Museen-Kette, eine Art Franchising-Konstrukt zur Förderung moderner Kunst, dem System der Benetton-Klamotten-Läden nicht unähnlich, kommt ebenso aus den USA wie der Begriff "Cold War". Die westliche Moderne ist ein Exportgut der USA wie Coca-Cola oder McDonalds. Die Frage danach, ob sie ähnlich substantiell ist, wird schon lange vom Markt beantwortet. Allerdings ist sie weder so populär noch so preiswert.

Relativ kurz nach dem Krieg waren die Positionen von West- und Ost-Künstlern nicht grundverschieden: Hanna Höch und Werner Heldt (West) malten ziemlich gegenständliche Antikriegsbilder, wie Werner Heisig und Hans Grundig (Ost) auch. Die Gegenständlichkeit sollte aus den Bildern West zunehmend verschwinden, selbst die Ausstellung im DHM nimmt den gegenständlichen Düsseldorfer Otto Pankok, der den Nazis als entartet galt, nicht mehr wahr. Zu konkret, steht zu vermuten. An einem Pankok-Epigonen, dem Künstler Herbert Götzinger, ist das ganze Elend des Marktes zu begreifen. Götzinger, der mit kräftigen Strichen einfache Menschen malte, konnte seine Bilder nicht mehr oder nur zu geringen Preisen verkaufen. Sein Galerist riet zum Abstrakten. Der Maler suchte den Schrotthändler seines Vertrauens auf, der besorgte ihm zartes, verrostetes Metallgewebe und die "Atims", kleine ungegenständliche Skulpturen waren geboren und konnten verkauft werden. Götzinger hatte Einnahmen, die seelischen Kosten sind unbekannt.

Nun ist der Markt ein scheinbar unpolitisches Wesen. Politischer war das Klima an der "Hochschule für bildende Künste" in West-Berlin. Zwei unbedachte Professoren dieser Hochschule unterschrieben 1949 einen Friedensaufruf des "kommunistisch gesteuerten Friedenskongress" in Paris und wurden deshalb entlassen. Dass der Katalog-Autor die Propaganda-Diktion jener Zeit unreflektiert übernimmt, ist albern. Ebenso albern, aber zugleich unangenehm ernst ist der Fall des Malers Horst Strempel. Der hatte in Ost-Berlin ein Wandbild gestaltet, das die dortige Obrigkeit als "formalistisch" abqualifizierte und zerstören ließ. Als Strempel 1953 in West-Berlin um die Anerkennung als politischer Flüchtling bat, wurde er abgelehnt. Schließlich war er ja mal Kommunist gewesen. So musste sich denn die Kunst in beiden Teilen Deutschlands nach der Decke stecken: Mal nach jener offener Ideologie, mal nach der, die von der Brieftasche nur mühsam bedeckt wird.

Auch der Katalog hält, wohl weil die Ausstellung trotz ihres martialischen Titels seltsam unpolitisch wirkt, nur wenig Politisches bereit. In einem Katalogbeitrag versucht sich Diedrich Diederichsen an der Begrifflichkeit "Der linke Künstler". Linke Maler oder Bilder sieht er in der DDR schon mal gar nicht. Und die in der alten Bundesrepublik sind ihm arg auf Jörg Immendorf zusammengeschrumpft. Dem Maler Immendorf, der als ehemaliger Maoist ohne Mühen mit seinen Bildern das offizielle, westdeutsche Einheitsbedürfnis bedienen durfte ("Café Deutschland" ist in der Ausstellung in vielen Versionen vertreten), gestattete der Markt sogar einen gewissen Realismus. Ein fraglos politischer Plakatkünstler wie Klaus Steack findet sich in der Ausstellung nur im Zitat: Ein Schmäh-Bild von Immendorf, das dem heutigen AdK-Präsidenten seine Mitgliedschaft in der SPD vorwirft, erinnert an ihn. Ein Jammer, dass der SPD-Kanzler Schröder im Katalog nicht zu Wort kommt, der Immendorf später unter die größten der Maler sortierte und von ihm mit einem Blattgold-Portrait bedient wurde.

Wer die Ausstellung "Kunst und Kalter Krieg" besucht, wird in den ausgestellten Objekten nach dem kalten Krieg in der Kunst suchen müssen. Am ehesten wird dem Besucher der West-Ost-Gegensatz noch an den Skulpturen von Fritz Cremer (Entwurf zum Buchenwald Denkmal) und Bernhard Heiliger (Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen) sichtbar. Cremer erinnert an die bekannten politischen Gefangenen. Heiliger - dessen Arbeiten die Wände auf dem Weg zum Büro des Aufsichtsratsmitgliedes der Bankgesellschaft Berlin, Landowsky, zuhauf schmückten - bleibt in Stil und Titel so abstrakt, dass der Beliebigkeit kein Ende ist. Und doch lohnt es sich unbedingt die Ausstellung im Zeughaus zu besuchen. Denn in der Zeit der SED-Diktatur sind zuweilen atemberaubend spannende Mattheuers oder Tübkes entstanden. Während der Diktatur des Marktes wurde, glaubt man der Auswahl im Deutschen Historischen Museum, viel Mittelmaß und Langeweile produziert. Wenn die Ausstellungsmacher allerdings Preisschilder an den Objekten anbringen würden, käme eben jene Spannung auf, die nur der Markt in seiner Vorzüglichkeit herstellen kann.


Die Ausstellung KUNST UND KALTER KRIEG - DEUTSCHE POSITIONEN zeigt ihre Objekte vom 2. Oktober 2009 - 10. Januar 2010 in der Ausstellungshalle hinter dem Zeughaus (Pei-Bau) in Berlin.