Zart schieben sich die grünen Blätter des Kastanienbaumes in die blaue Luft der Ostertage. Wiederauferstanden ist er aus der Winterstarre, ein großer Plan, der bis zur Ausschüttung seiner braunen, glänzenden Früchte reicht, beherrscht ihn: Die Wiedergeburt. Große Pläne zu Ostern all überall. Die Kanzlerin hat die Überlegungen des amerikanischen Präsidenten zu den Atomwaffen begrüßt. Sie seien ein „wichtiges Signal für eine Welt mit weniger oder keinen Atomwaffen“. Weniger, gar keine, bei genauem Lesen sind dann doch die möglichen Atomwaffen im Iran gemeint. So, als ginge es einseitig. Über die Atomwaffen in Deutschland wollte die Regierungschefin dann nicht reden.

In den katholischen Kirchen hatte die "Karfreitagsfürbitte" - der deutsche Papst installierte sie neu - ihre Wiederauferstehung: Mit ihr sollen die Juden erleuchtet werden. Die letzte Erleuchtung eines prominenten Deutschen hatte von den Juden nicht viele übrig gelassen. Und dass ihm in seiner rassigen Erleuchtungstheorie so viele folgten, fußte nicht zuletzt in der christlichen Antijudaistik: Die Juden hatten doch geholfen den lieben Herrn Jesus ans Kreuz zu nageln, denen wird schon recht geschehen. Davon gehen auch die Pius-Brüder aus, die der Papst in seiner Gnade, rechtzeitig vor dem diesjährigen Karfreitag, in den Schoß der Kirche zurück geholt hat.

Dicke 32 Seiten einer Beilage liegen den Oster-Ausgaben mancher Zeitungen bei: Minister Siegmar Gabriel verkündet den Umweltsegen: "Drittens hat die Finanzkrise deutlich gemacht, dass die Seifenblasen nur so lange schön sind, bis sie zerplatzen". Dem Manne ist die Abwrackprämie ins Gesicht geschrieben. Mit ihr feiert der Gedanke vom Werden und Vergehen, von Tod und Geburt, eine angemessene Renaissance: Das alte Auto stirbt den Tod in der Presse, das neue erhebt sich auf den Straßen eines Deutschlands, dem das Schlagloch zunehmend zum Zeichen geworden ist, wie das kaputte Schulklo. Erst das Auto, dann die Straße, erst der Umsatz, dann die Schule, erst die Seifenblasen, dann die Wahlen.

Manche haben Mühe mit der Wiederauferstehung. Nach dem Erschiessen zum Beispiel. Dabei schiessen Sportschützen doch aus Sport, nicht aus Mord. Außer sie sind gerade sauer. Hatte man noch bei diesem oder jenem Amoklauf ein Versehen angemerkt, eine Nachlässigkeit beim Wegschließen scharfer Waffen, war der Waffenschrank des Sportschützen, der in einem Landshuter Gericht so trefflich um sich schoss, ordnungsgemäß versperrt. Der Innenminister in seiner Weisheit will mit neuen technischen Maßnahmen erreichen, "dass nur noch der Berechtigte selbst mit ihnen (den Waffen) schießen kann". Der Mann im Gericht war Eigentümer seiner Waffe, also berechtigt.

Eigentum verpflichtet. So sieht es auch die Bundesregierung, die in diesen Tagen eine Bank kaufen will und den bisherigen Eigentümern einen Preis, zehn Prozent über dem Marktwert, anbietet. Das ist ein Akt sozialer Gerechtigkeit. So wie einigen hunderttausend Autokäufern ihr Eigentum mit 2.500 Euro vergoldet wird, kann man ja auch die Aktionäre der Hypo Real Estate nicht mit ihren schweren Verlusten alleine lassen. So verpflichtet die Regierung die Mehrheit der Steuerzahler einer Minderheit Boni zu zahlen. Auferstehung überall: Aus faulen Aktien wächst die Hoffnung auf ein Leben nach der kaputten Bank.

Hoffnungen auf gerechte Löhne können sich die Metallarbeiter nicht machen. Sie sollten im Mai 2,1 Prozent mehr Lohn bekommen. Verabredet war das noch im Herbst des letzten Jahres. Das wird jetzt auf Weihnachten verschoben. Denn wie alle wissen ist der Lohn ja ein Geschenk des Unternehmers an die Arbeitnehmer. Und Weihnachten ist für Geschenke eher geeignet als Ostern. Schon ein Arbeitsplatz ist eine Angebot christlicher Mildtätigkeit: Der Arbeitgeber gibt Arbeit, der Arbeitnehmer nimmt. Dass die Auferstehung christlicher Ethik nicht zu Aufständen führt, ist von Gott so gewollt.

Ein bayerischer Gott kann die Niederlage des FC Bayer gegen Barcelona nicht gewollt haben. Udo Lattek, ein früherer Trainer der Bayern, soll geweint haben. Zeitweilig verdrängte der bayerische Fußball-Zusammenbruch das italienische Erdbeben von den besseren Nachrichtenplätzen. Warum auch nicht. Ist doch in Italien nur der Tod von ein paar hundert Leuten zu beklagen, die ihren Trost in einem Wunder finden können: In den Trümmern von Santa Maria di Collemaggio, der wichtigsten Kirche L´Aquilas, blieb der gläserne Sarg des heiligen Coelestin unversehrt. Coelestin V war der einzige Papst, der freiwillig von seinem Amt zurück trat. Hinweise für gewöhnliche Sterbliche, Kanzler oder Fußballtrainer, kann man daraus nicht ableiten.

Ausgerechnet zu Ostern, dem Fest heidnischer Fruchtbarkeit und christlicher Wiedergeburt, sinken die Geburtenraten. Sie waren auch nie gestiegen, trotz anderer Meldungen aus dem Familienministerium. Eltern sind scheue Wesen. In der freien Wildbahn des freien Marktes reicht ihnen ein Handgeld zum Gebären nicht aus. Eltern lesen das Wort "Armutsrisiko" an der Wand und lassen ab vom Kinderwunsch. Obwohl aus allen Botschaften tönt, die Krise sei eine Chance, gebricht es dem gewöhnlichen Volk an Vertrauen. Das jährliche Elterngeld liegt, je nach Einkommen, zwischen 300 und 1.800 Euro. Ja, wenn es eine Kinderwagen-Abwrackprämie gäbe.

Die Blätter der Kastanie haben kein Gedächtnis. Sonst würden sie ihr Treiben nicht so beharrlich verfolgen. Nur wenige Wochen noch und das satte Grün wird von braunen Flecken durchzogen sein: Der Wurm einer Motte frisst sich durch das Blatt. Ein seltsames System der Natur, dass mit seiner Lebensanstrengung zugleich den eigenen Totengräber hervorbringt. Da ist die überlegene menschliche Zivilisation anders geartet. Sie reproduziert das Alte nur, um Neues zu schaffen: "Wir sitzen alle in einem Boot", beteuerte jüngst Josef Ackermann in einem Bildzeitungs-Interview. Das ist die gültige Wiedergeburt einer Metapher, die schon den antiken Galeerensklaven viel Freude verschafft hatte: Zugleich! zugleich! heißt das Kommando. Und auch: Nur nicht zu gleich werden.