Tri tra trullala
Der Kasper der ist wieder da
Volkstheater
Regieren, heißt es, kommt von herrschen: Könige herrschen über ein Land, Regierungen beherrschen ein Volk, vor allem aber, so wird in demokratischen Zeiten angenommen, ist eine Regierung Herr ihrer Entscheidungen. Sie tut was. Was unternehmen unterschiedliche deutsche Regierungen im Fall des Atommüll-Lagers Asse? Diese oder jene der vergangenen waren an der Vertuschung der wirklichen Gefahr beteiligt. Die jetzige erklärt halbwegs ungenau, wie schlimm das alles in und um Asse ist. Tun tut sie nichts. Die aktuelle Regierung hat das größte Haushaltsloch aller Zeiten zu verantworten. Und nach den Wahlen wird sie es, so der so, auch schließen müssen. Auf wessen Kosten, das ist schon gewiss. Aber diese Regierung sagt nicht, dass sie die Million Kurzarbeiter zurück in Arbeitslose verwandeln wird. Sie sagt nicht, dass sie sich seit Monaten von der amerikanischen Regierung und dem General-Motors-Konzern an der Nase herumführen lässt und diese Posse auch noch mit Steuermitteln finanziert. Immer wieder bekommt die Regierung vom eigenen Volk in Umfragen erzählt, dass sie bitte die deutschen Truppen aus Afghanistan zurückholen möge. Auch in Afghanistan könnten die Regierungen, Jahr für Jahr, Tag für Tag, erfahren, dass ausländische Truppen dort nicht gewünscht sind und nichts bewegen. Wir haben die Kraft, steht auch den Plakaten mit dem Merkel-Kopf. Manchmal wäre man schon für schwache Entscheidungen dankbar. Von kraftvoll ist diese Regierung so weit entfernt, wie der Hund vom Mond. Nur das Jaulen klappt schon ganz schön.
Ein treuer Diener seines Staates, ein gläubiger Demokrat, recherchiert die Ermordung seines Vaters durch die RAF. Michael Buback entdeckt Ungereimtheiten, er gewinnt den Eindruck, dass die Mörder seines Vaters, der Generalbundesanwalt gewesen war, nicht bestraft wurden. Geradezu untertänig bittet er in Interviews die Regierenden und deren Apparate, sie mögen ihm Gerechtigkeit verschaffen. Auf dem Weg dahin sind der Entdeckungen viele. Hauptsächlich jene, dass der Staat Agenten in der RAF hatte. Nebensächlich, aber nicht uninteressant: Wichtige Akten tauchen nicht auf. Oder nur auf Nebenwegen, wie jene der "DDR-Hauptverwaltung Aufklärung", deren Effizienz bekannt war, in der belegt wird, dass Verena Becker, in das Attentat auf Buback verwickelt, lange gute Beziehung zum bundesrepublikanischen Geheimdienst hatte. Der Staat, so scheint es, kann sich beherrschen: Warum nur aufklären, wenn es viel zu verschweigen gibt. Als spätere RAF-Mitglieder in den Jahren 1967/69 noch mit politischen Happenings beschäftigt waren, tauchte in deren Umkreis der militante Peter Urbach auf: Der hatte Waffen, der hatte Sprengstoff und der gab auch alles gerne weiter. Peter Urbach war Agent des Verfassungsschutzes. Peter Urbach ist verschwunden. Nur wenige Jahre später wird ein Agent, den der Verfassungsschutz in der obskuren "Bewegung 2. Juni" platziert hatte, erschossen. Die Tatwaffe wird von den Agentenführern versteckt: Man wollte einen V-Mann nicht gefährden. Wer hat wen geführt, wer hat wen beherrscht? Die lächerlich RAF mit ihren Fantasien vom Umsturz führte nichts, nur haltlose Reden. Der Verfassungsschutz aber, in freundlicher Zusammenarbeit mit der tapferen GSG 9, sprengte sogar Löcher: In die Mauer der Haftanstalt Celle, im schönen Jahr 1978, als die ersten Maschinenpistolen in den Händen junger Polizisten aufgetaucht waren, als die RAF-Hysterie in die Köpfe der braven Bürger schäumte und der Schaum vom Mund von Politikern und TV-Kommentatoren auf die bundesdeutsche Linke tropfte. Das Loch in Celle war als "Befreiungsaktion" für die RAF aufgemacht. Aber eben nicht von der RAF.
In der Türkei gibt es den Begriff vom "tiefen Staat". Das meint jene Koalition von Politikern, der Justiz, des Militärs und der Polizei, die unterhalb aller öffentlicher Kontrolle das machen was sie wollen. Wollte man das erkennbare, öffentliche Regierungshandeln in Deutschland nach dem Anschein beurteilen, könnte man von einem "flachen Staat" sprechen. Wesentliche Entscheidungen werden nicht gefällt oder auf so weit entfernte internationale Ebenen gezogen, dass kaum zu erkennen ist, wo die Handelnden sitzen und was sie gerade machen. Der Wahlkampf-Slogan der SPD lautet: "Anpacken. Für unser Land". Ihr Kandidat war Koordinator der deutschen Geheimdienste im Kanzleramt. Als der Bundesinnenminister, ein Parteifreund der Kanzlerin, im Jahr 2008 den Akten der Verena Becker einen "Sperrvermerk" aufsetzte weil eine Herausgabe der Akten "dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde", war der Kandidat schon Außenminister und saß mit der Kanzlerin in einer Regierung. Was will der Mann anpacken, wenn er nicht einmal ans Auspacken denkt? Die Nützlichkeit der RAF ist unbestritten. Als zu Beginn der 90er Jahre die deutsche Einheit ein Fiasko-Stadium erreichte, tauchte eine "Dritte RAF-Generation" auf. Sie tauchte dann beiläufig wieder unter, wie einer der wenigen vorgeblichen Dritt-RAFler, deren Namen man nannte: Christian Seidler. Er ist so spurlos verschwunden wie Peter Urbach und dieser oder jener andere aus der RAF, wie diese oder jene Akte.
Taliban und RAF haben eine gewisse Verwendungsfähigkeit gemeinsam: Mit ihren Terror-Masken lässt sich der brave Bürger gut schrecken. Verteidigungsminister Jung, dessen Armee sich in Afghanistan zwei Tanklaster klauen lässt, weiß genau: " . . . dass die Taliban beide Tanklastzüge circa sechs Kilometer von unserem Lager entfernt in ihre Gewalt gebracht haben, um einen Anschlag auf den Stützpunkt unserer Soldaten in Kunduz zu verüben". Die Tanklaster waren im Sand stecken geblieben. Wahrscheinlich hätten die Taliban den abgezapften Sprit, Eimerchen für Eimerchen, in die Nähe des Bundeswehr-Stützpunktes gebracht und dann hätten sie in die Mauern rund um den Stützpunkt ein Loch gesprengt. Aber ob das ohne die Hilfe des Verfassungsschutzes und der GSG 9 je gelungen wäre? Der tiefe Staat erzählt was er will, macht was er will und unterlässt was er will. Und doch fällt es schwer zu begreifen, wie ein Flachkopf namens Franz Josef Jung am tiefen Staat beteiligt sein kann. Die Handpuppen der Herrschaft tragen eben manchmal den Kasperkopf.