Immer wieder wurden rund um Angela Merkel Verdächtigungen laut: Sie sei Honneckers Rache am vereinten Deutschland. Sie sei Teil eines Geheimabkommens, dass Helmut Kohl mit dem letzten Vorsitzender des Ministerrates der DDR, Hans Modrow, geschlossen habe, um die deutsche Einheit geräuschlos zu vollziehen. Etwa in jenem Sinne, dass das ganze Deutschland kapitalistisch werde, aber diese oder jene Reservekader der untergehenden DDR warme Plätzchen im neuen System erhalten sollten und auch ihre Chance auf einen Relaunch der DDR im freien Wettbewerb der Kräfte. Ernsthafte Kommentatoren haben diese Verschwörungstheorien immer zurück gewiesen. Doch jetzt mehren sich die Fragen.

Schon die raschen Staatsgarantien für das private Bankwesen der Bundesrepublik verblüfften Kenner der Berliner Polit-Szene. Waren doch bisher Markt, Deregulierung und Neoliberalismus, die Kennzeichen der Merkel-Regierung, nur mühsam mit ein wenig Sozialdemokratismus verbrämt. Auch die vorauseilende Bereitschaft der Kochs, Merkels und Rüttgers dem Automobilbauer Opel in einer noch gar nicht erkennbaren Notlage finanziell beizustehen, überraschte die Eingeweihten. Als dann die Schutzschild-Debatte (Abbau von Klimaauflagen, Staatsgarantien und Angriffe auf die französische Konkurrenz) die gesamte Automobilindustrie erreichte, war das Erstaunen groß. Wendelin Wedeking, der Porsche-Chef soll geäußert haben: "Da ist doch was faul, ich will gar kein Geld, wir haben schon genug!"

All diese Staatsmaßnahmen wurden einer gewissen Krisen-Hysterie zugeschrieben. In solchen Zeiten müsse die Regierung Aktionismus vorweisen, verlautete aus den Parteigremien der großen Koalition. Zumal der Druck durch den amerikanischen und französischen Konjunktur-Aktionismus groß sei. Bliebe man hinter dem internationalen Geldsegen zurück, könne sich das auf das Wahljahr 2009 auswirken, ein Jahr in dem immerhin 15 Wahlen anstünden. Wer sich jetzt geizig zeige, der könne abgestraft werden. Als dann aber das Commerzbank-Paket geschnürt wurde, ein Fall von mehr als 18 Milliarden Euros, alles staatliches Geld aus dem Soffin-Topf, dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, der notleidenden Banken Überbrückungshilfen geben soll, verdichteten sich die Gerüchte. Das Wort vom "schleichenden Sozialismus" machte die Runde.

Trotz gewisser Gewinnrückgänge im Jahr 2008, angesichts der internationalen Finanzkrise eine völlig normale Erscheinung, hat die Commerzbank keine Schulden. Im Gegenteil: Sie geht von einer Eigenkapitalrendite nach Steuern von über 15 Prozent für das vergangene Jahr aus. Von Notlage keine Spur. Allerdings ist die Dresdner Bank, die von der Commerzbank übernommen werden soll, in einer schwierigen Lage. Doch niemand zwingt die Commerzbank die Dresdner zu übernehmen, man könnte durchaus vom Kauf zurücktreten. Klassisch wird in einer solchen Situation gern auf das Arbeitsplatzargument zurückgegriffen: Es gäbe staatliches Geld, um Arbeitsplätze zu sichern. Aber die Fusion soll nach wie vor an die 10.000 "Stellen abbauen". Von sozialem Engagement der Regierung kann also keineswegs die Rede sein. Statt dessen: Eine Staatsbeteiligung an der fusionierten Bank in Höhe von 25 Prozent.

Besonders düster ist die Rolle des Versicherungskonzerns Allianz. Die Allianz verwaltet ein Vermögen von 500 Milliarden Euro, so viel wie der gesamte Bankensicherungsfonds der Bundesregierung beträgt. Sie hat die wacklige Dresdner Bank an die Commerzbank verscherbelt und hält am neuen, gemeinsamen Institut künftig 14 Prozent. Michael Dieckmann, Chef der Allianz und Kanute aus Leidenschaft, beherrscht die Eskimo-Rolle. Es ist jene Wendung, mit der die Eskimos ihr kenterndes Kanu durch Untertauchen wieder aufrichten. Ein geschickter Trick, den er jetzt auch bei der Dresdner Bank anwendet: Bevor die kentert lässt er sie mit Staatsgeld retten. Er selbst bleibt untergetaucht und ist für kein Interview, das den Sachverhalt aufklären könnte, zu haben. Experten vermuten, dass die neue Commerzbank als Public-Private-Partnership-Unternehmen nur der Einstieg in einen viel größeren Staatskonzern bedeutet: Die Allianz könnte das nächste halbstaatliche Unternehmen sein.

Höchst verdächtig ist die Rolle des FDP-Chefs Guido Westerwelle. Er lobt den Einstieg des Staates bei der Commerzbank als „rein marktwirtschaftlich“. Von Westerwelle weiß man, dass er dringlich eine gemeinsame Regierung mit Angela Merkel anstrebt. Das erklärt vielleicht eine solche Wendung vom Marktpropheten zum Agitator für ein Projekt sozialistischer Ökonomie. Wer auf die Homepage der Commerzbank geht, wird dort ein kostenloses (!) Gewinnspiel finden, eine Art klassenlose Klassenlotterie: Viel deutlicher kann man ein Vorhaben, dass die privatökonomischen Grundfesten deutscher Politik erschüttert, nicht mehr ankündigen. Strebten doch die DDR-Kommunisten eine klassenlose Gesellschaft an. Doch Angela Merkel schweigt beharrlich. Aus ihrem Umkreis ist zu hören, dass sie "jeden, der sie als Hauptmann der Nationalen Volksarmee bezeichnet" (hier wird offenkundig auf den DDR-Agenten Günther Guillaume angespielt), verklagen würde. Wer demnächst Chef des VEB-Bundesrepublik werden will, dem ist eben jedes Unrechtsmittel recht.