Schwer klingen die ersten Takte des Trauermarsches von Frédéric Chopin auf. Ein langer Zug von Panzern schleppt sich die Autobahn entlang. Auf Tiefladern folgen Geschütze, Flugzeuge, Maschinengewehre. Am Ende der schier endlosen Kolonne, auf großen Lastkraftwagen, Maschinen aller Art: Die Deutsche Rüstungsindustrie verlässt das Land. Am Autobahnrand Menschen in Dreiteilern, Trauerflore am Arm, Hüte in der Hand: Lobbyisten und Politiker zollen dem Auszug der Mordbranche ihren Respekt. Überall im Land ist halbmast geflaggt. So wird es sein, folgte man den Worten von Armin Papperger. Der Chef des Rüstungsverbandes (BDSV) hatte jüngst in der SÜDDEUTSCHEN damit gedroht, die Waffenindustrie würde Deutschland verlassen, wenn der Export weiterhin erschwert und die Abnahme von Rüstungsgütern in Deutschland nicht verbessert werden könne.

Dabei hatte es für die internationale Rüstungsindustrie nach der Ausrufung des Krieges gegen den Terror so gut angefangen: Fast überall auf der Welt stieg der Umsatz in Mordmaschinen. Deutschland erklomm den Platz drei der Rüstungs-Export-Nationen. Die Zahl der unerklärten Kriege wie im Grenzgebiet von Pakistan zu Afghanistan, der Bürgerkriege wie in vielen Teilen Afrikas und der Regime-Change-Kriege wie in Libyen wuchs stetig. Dann plötzlich, aus einem Himmel voller Granatwerfer und Kanonen, das Verbot Siegmar Gabriels ein "Gefechsübungszentrum" nach Russland zu liefern. Die Russen standen im Verdacht in diesem 135 Millionen teuren Zentrum den Krieg gegen die Ukraine zu üben, mit simulierender Lasertechnik. Zwar wäre in diesem Zentrum keiner zu Tode gekommen, so wie die Menschen in der Ost-Ukraine nach dem Bombardement durch Regierungstruppen. Aber den Russen ist eben alles zuzutrauen.

Doch die Firma Rheinmetall, vormals "Reichswerke Hermann Göring", hatte schon vor dem Verbot der Lieferung nach Russland einen vorgeblich neuen Weg des Rüstungs-Exports gefunden: Man liefert demnächst, begleitet vom Wohlwollen der Kanzlerin, eine ordentliche neue Panzerfabrik nach Algerien. Dort können dann, schön nah an den afrikanischen Kriegsschauplätzen für 30 Millionen Euro prima Panzer montiert werden. Auch Ägypten ist an solch einer Fabrik interessiert, um "Islamisten im Sinai" zu bekämpfen. So hat jeder seinen Feind und die Waffenindustrie kann direkt vor Ort die Liquidationsgeräte herstellen. Wozu Exportregeln, wenn es um internationale Geschäfte geht.

Waffen sind neutral, sagt die Industrie und hat in gewissem Maße recht. Die Waffen, die den Taliban im Kampf gegen die Sowjetunion geliefert wurden, werden heute gegen die USA benutzt. Die Waffen, die von internationalen Rüstungskonzernen an die libyschen Streitkräfte zur Gaddafi-Zeit verkauft wurden, sollten etwas später gegen die Kräfte des internationalen Militäreinsatzes unter Führung der USA verwendet, um danach vom CIA in den syrischen Bürgerkrieg transportiert zu werden. Heute sind sie bei den Truppen des "Islamischen Staat" gegen Verbündete der USA im Einsatz. Es ist im wahrsten Sinne ein stabiler Blutkreislauf, der allerdings nur die Gesundung der Rüstungsindustrie sichert. Viele andere sterben daran.

Manchmal sitzt man beisammen, die deutschen Waffenschieber und die Politik. Zum Beispiel jüngst beim "Zweiten Caféhaus-Gespräch" des Rüstungsverbandes in Berlin, um über den Schutz "Kritischer Infrastrukturen" zu sprechen. Neben dem Mann von Airbus findet sich dann Nina Warken von der CDU. Die ist in jenem Parlamentsgremium, das die Unverletzlichkeit der Wohnung schützen soll. Da kann nur jede Waffe recht sein. Auch der Gerold Reichenbach, SPD, war dabei. Der ist im Bundestagsausschuss für humanitäre Hilfe. Die muss notfalls eben mit Panzern durchgesetzt werden. Irene Mihalic von den GRÜNEN vertrat den Ausschuss für Innere Sicherheit: Die wird letztlich nur von der Waffen-Industrie gesichert. Wem die Anwesenheit von Prof. Dr. Emil Reisinger (Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Rostock) Rätsel aufgibt, der sei daran erinnert, dass Reisinger für Tropenmedizin zuständig ist. Wer weiß, wohin es unsere tapferen Soldaten auf dem Weg der deutschen Verantwortung noch verschlägt.

Noch während die Takte des Trauermarsches in den deutschen Himmel wabern rätselt das Land über den Ort des Exodus: Luxemburg, der niedrigen Steuern wegen? Frankreich, der geringen Export-Bremsen wegen? Nach Usbekistan, wo die Diktatur des Islom Karimov seit 1991 für stabile Verhältnisse sorgt und der mit 13 Millionen jährlich alimentierte Bundeswehr-Stützpunkt Termiz eine solide Infrastruktur sichert? Oder doch lieber gleich nach Saudi Arabien, einem Großabnehmer deutscher Rüstungsgüter, wo regelmäßig öffentliche Enthauptungen für ein unerreicht hermetisches Klima der Sicherheit sorgen? Fragen über Fragen, die von einer kleinen Bitte begleitet werden: Nehmt die Warkens, die Reichenbachs und die Mihalics mit, jene Schicht von Politikern, die von Sicherheit reden und damit nur die unerschütterliche Selbstsicherheit ihres kleinen Horizontes meinen.