Weit macht sie den Mund auf, die Ministerin von der Leyen, auf einem Foto einer Beilage ihres Hauses in der "SZ" und in der "FAZ", die in den letzten Tagen des Jahres 2010 deren Leser erreichte: Sie singt mit Promis in einem Strassenchor. Eine Bilanzierung des "Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung" soll das Blatt sein und gekostet hat es 185.000 Euro. Ganz sicher hätten sich die vielen kleinen Zeitungen der Obdachlosen Deutschlands über diesen Geldsegen gefreut. Statt dessen wurden die Zielgruppe der sogenannten Qualitätszeitungen mit dem peinlichen Schulterklopf-Material vertraut gemacht: "Der Weg aus Armut und Ausgrenzung ist mühsam, aber zielführend", schreibt die Ministerin im schönsten Bürokratendeutsch und fährt mit dem "Bildungspaket" fort: "Dafür nehmen wir 740 Millionen Euro in die Hand." 

Für jene Frauen, die HARTZ IV beziehen und sich von dem bisschen Geld die Pille nicht mehr leisten können, ist in der Hand der Ministerin nichts, aber auch gar nichts: Sie werden vermehrt ungewollt schwanger, weil die etwa 15 Euro monatlich für die Pille fast fünf Prozent ihres staatlichen Almosen ausmachen und sie sich diese Ausgabe nicht leisten können. Ob die ehemalige Familien-Minsterin bei den steigenden ungewollten Schwangerschaften an die schleichende Anhebung der Geburtenrate denkt ist unbekannt. Gewiss ist, dass ein Schwangerschaftsabbruch die Krankenkassen 400 Euro kostet. Trotzdem hält die Ministerin an der von SPD und GRÜNEN im Jahr 2005 beschlossenen Streichung der Pille auf Rezept für Alg-II-Empfängerinnen unbeirrt fest. Auf eine Anfrage des "Paritätischen Wohlfahrtsverband" schrieb sie: "Ihre Bewertung, dass Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II häufiger zu ungewollten Schwangerschaften tendieren . .  . kann ich nicht teilen." Die Supermutti mit viel Haushaltspersonal "tendiert" natürlich nicht. Die Dame neigt zur Verhütung - von Sozialausgaben. 

Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht schon im Februar des letzten Jahres eine Neuordnung, sprich Anhebung, der Hartz-IV-Bezüge angeordnet, aber die schwarz-gelbe Regierung, wieselflink wenn es um Milliarden für Banken geht, ließ sich Zeit: Erst im Herbst 2010 bequemte sich die Reichen-Regierung zu einer schäbigen Anhebung der Beiträge um fünf Euro pro Monat. Dass die Opposition im Bundesrat da nicht mitspielen würde, wußte jeder. Auch die schlaue von der Leyen: Für ein neues Angebot, eine neue Nachberechnung ließ sie sich Zeit. Und sie lässt sich weiter Zeit: Ende Januar, so die Bundesministerin für Unsoziales, sei frühestens mit neuen Zahlen zu rechnen. Da die nächste Bundesratssitzung, auf der eine Regelung gefunden werden könnte, am 11. Februar geplant ist, kann es noch weitere Monate dauern, bis die Hartz-IV-Empfänger ihr klägliche Zulage bekommen. 

Wenn der Afghanistan-Minister mit Kerner rüberkommt, denkt sich die von der Leyen, dann komme ich mit Beckmann. Der Talk-Master garniert ihr Blatt, ihre milde Gabe an die Öffentlichkeit, prompt mit mildtätigen Sprüchen wie: "Wir alle (dürfen) nicht nachlassen, Bildungs- und Entwicklungschancen zu verbessern . . ." Solche Promis helfen zwar nicht den Armen, aber vielleicht, so hofft die Urheberin der Beilage, der schwarz-gelben Koalition. Immerhin sind in 2011 neun Landtagswahlen, da kann man mit der Wahlwerbung gar nicht früh genug anfangen. "Das Ende ist der Anfang" so ist das Wahlkampfblatt übertitelt und macht eine gewisse Hoffnung: Das Jahresende 2010 könnte der Anfang vom Ende der CDU-CSU-FDP-Koalition sein. Dann könnte auch Frau von der Leyen ihren Mund wieder schließen und wir dürften aufatmen.