Ein Mensch, wenn seine Familie nicht die Mittel hat, ihn zu ernähren oder wenn die Gesellschaft seine Arbeit nicht nötig hat, dieser Mensch hat nicht das mindeste Recht, irgend einen Teil von Nahrung zu verlangen, und er ist wirklich zu viel auf der Erde. Bei dem großen Gastmahle der Natur ist durchaus kein Gedecke für ihn gelegt. Die Natur gebietet ihm abzutreten, und sie säumt nicht, selbst diesen Befehl zur Ausführung zu bringen.
Thomas Robert Malthus, 1798
Im europäischen Warenangebot sind zur Zeit Schirme das meist gepriesene Produkt: Griechenland hat schon einen, Irland auch, warum sollten Spanien und Portugal keinen bekommen? Es sollen Rettungsschirme sein. Ob Italien im Fall des Fallens zwei braucht, ist noch nicht raus. Zur Zeit ist der europäische Währungs-Kommissar, Olli Rehn, mal wieder unterwegs, um den Rettungs-Schirm aufzustocken. Und wie immer ist er alternativlos.
Das Rettungs-Spiel ist inzwischen bekannt: Banken verzocken sich, laufen jammernd zum jeweiligen Staat, der erklärt sie für "systemrelevant", das Land macht ein paar Milliarden locker und die Banken können von vorne beginnen. Da die Zockerlöcher immer größer werden, kann ein Land allein die Löcher nicht stopfen, als muss die EU Schirme aufspannen, weil es sonst bei den Banken reinregnet. Verzocken-Jammern-Verzocken, ein Kreislauf, der scheinbar prima funktioniert. Das Geld für die Schirme stammt (wenn es nicht frisch aus der Presse kommt) von den Normalbürgern: Durch Streichungen im Sozialhaushalt, von Steuererhöhungen und auch die Krankenkassenbeiträge werden gern angehoben. Nicht für Unternehmen natürlich, die sind ja systemrelevant.
Doch mitten im Meer der Alternativlosigkeit macht sich scheinbar einer auf, der weiß, dass Rettungsschirme das eine, Fallschirme aber das andere sind: Nicolas Paul Stéphane Sárközy de Nagybócsa, der französische Präsident. Er wird ein Jahr lang den größten Industriestaaten (G8) sowie der Gruppe der bedeutenden Industrie- und Schwellenländer (G20) vorstehen. Er spricht sich für eine bessere Kontrolle der internationalen Kapitalströme aus. Er wird einen Verhaltenskodex vorschlagen. Er wünscht sich ein neues Statut für den IFW. Hat er dies oder das schon in seinem Land durchgesetzt? Natürlich nicht. Seit 2007 dauern die aktuellen Finanzkrisen an und an Schwüren sie zu regeln, die Banken und Spekulanten zu bändigen, herrscht kein Mangel. Aber leider, so das politische Personal, machen die anderen einfach nicht mit. Und ohne die anderen . . .
Das politische Personal fährt gerne Dienstwagen. Die Politdarsteller lieben ihre Bühne, weniger das Publikum. Sie denken in Wahlperioden und nicht in Zusammenhängen. So einer wie Brüderle hat mal was von der "unsichtbaren Hand des Marktes (Adam Smith)" gehört und glaubt immer noch daran. Doch diese Hand ist sichtbar, aber blind. Die Erfinder und Verteidiger von Hartz IV handeln nach Malthus, einem anderen Kapitalismus-Theoretiker, und machen aus Arbeitslosen unwertes Leben.
Die aktuelle politische Klasse kennt sehr genau ihre Bezüge, die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit sind ihr unbekannt. Vor allem aber hat sie Angst sich zu bewegen. Wie im klassischen Beamtenmikado schaut sie erstarrt auf die Wirtschaft und fürchtet, wenn sie mit dem Regeln anfangen würde, würde die Wirtschaft fliehen und sie mit der Bevölkerung alleine lassen.
Wem wird Ackermann fehlen wenn er geht? Wohin werden die vielen, bekannt unfähigen Bankmanager gehen, wenn man ihnen die Boni kürzt? Nach China? Wenn die Hedgefonds nur in Deutschland verboten wären, müssten sie tatsächlich in anderen Ländern Firmen aufkaufen, ausschlachten und Beschäftigte entlassen, welch ein Elend für den Standort Deutschland.
In der Sarkozy-Suada gab es zwei bemerkenswerte Stellen: "Seit 1971 befinden wir uns in einem Nicht-System, das an Instabilität leidet". Der erste Teil des Satzes ist falsch. Wir befinden uns in einem System und es hört auf den Namen Kapitalismus, es funktioniert nur nicht im Interesse der Mehrheit. Und wenn Frau Merkel während ihres Studiums Marx gelesen und ihn begriffen hätte, dann wüsste sie, dass es Profit ist, der das System antreibt und dass die "Instabilitäten" zu seiner Natur gehören. Und Sarkozy sagt auch: "Ich bin mir sicher, dass wir das Problem während unserer Präsidentschaft nicht lösen werden." So viel Ehrlichkeit hätte man ihm nicht zugetraut.
So lange wir nicht selbst eingreifen, kontrollieren, regeln, wird es noch jede Menge schlechte Alternativ-Lose in der Lotterie des Kapitalismus für uns geben. Ein Lotterie-System, das wesentlich von Nieten betrieben wird.