Die Deutschen haben sie gewählt, die große Koalition, die Mehrheit der Wähler kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Das macht außerdem die Regierung schon. Wann immer ein Problem zu lösen ist, wird nicht nur der kleinstmögliche Nenner gefunden, es geht auch grundsätzlich gegen die kleinen Leute. Wer so blöde ist, uns zu wählen, sagen sich die Merkels und Becks, der wird auch den geringsten Widerstand leisten.

Beispiel Gesundheitsreform: Nicht die Pharmaindustrie mit ihren satten Gewinnen, nicht die Apotheker mit ihrer Lizenz zum Gelddrucken, nicht die privaten Kassen, die von den anderen Kassenpatienten subventioniert werden, keiner von denen wird zur Sanierung des Gesundheitswesens hinzugezogen. Der Normalpatient zahlt mal wieder eine Zeche, die er weder bestellt noch getrunken hat. "Das ist ein wirklicher Durchbruch, den wir hier schaffen", sagt die Kanzlerin über die Gesundheitsreform und merkt gar nicht, wie nahe sie dem Blinddarm-Durchbruch ist: das System ist vereitert und der Patient dem Koma näher als der Heilung.

Damit die Kanzlerin nicht alleine Unsinn redet, stößt der SPD-Chef Beck nach: Es sei eine Gesundheitsreform, "die deutlich über den Tag und das Jahr hinausweist." Sie weist sogar über Zeit und Raum hinaus, ins sozialpolitische Nichts. So zum Beispiel, wenn triumphierend verkündet wird, dass Privatversicherte künftig in die gesetzlichen Krankenkassen zurück kehren könnten. Mal abgesehen davon, dass für jene, die in ein entsprechend bezahltes Arbeitsverhältnis zurückkehrten, diese Rückkehr immer schon möglich war, bringt dieser plakatierte Fortschritt keinen Cent für die maroden Kassen. Auch die Möglichkeit, dass künftig die "Kassen mit den Arzneimittelherstellern Preisverhandlungen führen" können ist eher eine Unmöglichkeit.

Dass in der Debatte weder die vermeintlichen Experten noch die sogenannten Politiker sich mal die Mühe gemacht haben, in ein Nachbarland wie Spanien zu schauen, in dem die gleichen Medikamente wie in Deutschland immer ein Drittel weniger kosten, erklärt sich aus der Tragestarre des deutschen Normalpolitikers: Der Steuerzahler trägt ihn sicher über alle Fährnisse des Lebens, warum soll er Fragen aufwerfen, die den Träger irritieren könnten, vielleicht sogar dazu führen würden, ihn aus Sicherheit von Dienstwagen, Dienstsitz und Dienstpension fallen zu lassen?

Beispiel Föderalismusreform: "Die Bürgerinnen und Bürger werden in der Lage sein, klarer zu erkennen, wer für eine politische Entscheidung verantwortlich ist" vermeldet die Kanzlerin in ihrer wöchentlichen, frohen Videobotschaft. Man wird also zwischen der CDU im Land oder der im Bund entscheiden dürfen, wenn es um die Verantwortlichkeit für die geplatzte Bildungsreform geht, die mit der Veränderung föderaler Strukturen möglich gewesen wäre. Deutschland, das Land der bildungspolitischen Sitzenbleiber, wird sich weiterhin von Land zu Land unterschiedliche Schulsystem leisten, unterschiedliche Abiturbestimmung und eine katastrophale Unterfinanzierung der Universitäten. Dass die angedrohtren Hochschulgebühren die soziale Schieflage an den Universitäten zementieren werden, ist selbstverständlich. Beinahe hätten die CDU-Länderchefs auch noch durchgesetzt, dass der Bund mit den Ländern bei der Finanzierung der Hochschulen nicht mit den Ländern kooperieren darf.

Es wird in diesen Tagen viel über Vaterlandsliebe geschwätzt. Da wäre weniger Geschwafel und mehr Bildungspatriotismus angesagt. Ein Land, dessen einzige Ressource in der Qualität von Bildung und Ausbildung liegt, wäre gut beraten, würde es mit der Kleinstaaterei auf diesem Sektor Schluss machen. Doch in dieser Regierung siegt ständig das Mittelmaß, das ganz kleine Karo. Die Koalition könnte sich ein Beispiel an der deutschen Fußballmannschaft nehmen. Deren durchweg mittelmäßige Spieler, gesteuert von einem guten Trainerteam, haben es wenigstens versucht. Von Merkel und Müntefering geht nicht einmal eine Versuchung aus.

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