In Deutschland hat alles seine Ordnung. Wo kämen wir denn da hin. Wenn das alle machen würden. Das haben wir immer so gemacht. Das sind deutsche Kernsätze, die von der Deutschen Bahn AG, dem Bollwerk pünktlicher Rechtsstaatlichkeit, tapfer vertreten werden: "Trassenentgelte und Stationsgebühren können nach geltendem Recht nicht erlassen werden", sagt in diesen Tagen ein Sprecher der Deutschen Bahn AG. Gemeint ist der "Zug der Erinnerung" der die Deportation von jüdischen Kindern und Jugendlichen nach Auschwitz Gedächtnis ruft und tatsächlich deutsche Gleise und Bahnhöfe benutzt.
Damals verlangte die Deutsche Reichsbahn pro Person und Schienenkilometer vier Pfennig. Für Kinder unter vier Jahren wurden zwei Pfennig berechnet, Kleinkinder fuhren kostenlos. Rückfahrkarten wurden keine ausgegeben. Mehr als eine Million jüdischer Kinder wurden von der Reichsbahn in die Todeslager befördert, mindestens 12.000 kamen aus Deutschland. Diese Schicksale dokumentiert die mobile Ausstellung "Zug der Erinnerung". Mehr als 85.000 Besucher haben sich die Ausstellung bereits angesehen. Zwar buchten die Initiatoren der Ausstellung ihre Fahrten über ein privates Unternehmen, aber die inzwischen 70.000 Euro für die Nutzung der Gleise und Bahnhöfe sind an die Deutsche Bahn AG zu zahlen.
"Es gibt einen klaren Rechtsrahmen, der uns wenig Handlungsspielraum lässt", fällt der Bahn zu den Gebühren ein. Dieser exakte und sicher juristisch fundierte Satz hätte auch vom Reichsverkehrsminister Julius Dorpmüller stammen können. Dorpmüller, in dessen Zeit die Bahn Millionenprofite mit den Deportationen erwirtschaftete, wurde bis in die 1990er Jahre vom Rechtsnachfolger der Reichsbahn hoch geschätzt: Sein Grab wurde gepflegt, in zahlreichen Bahnhöfen gab es "Dorpmüller-Säle". Nur mühsam mochte die Bahn sich von ihren Traditionslinien lösen.
Noch mühsamer war es ihr, für eine Ausstellung zur Deportation, die ihr 2003 von Beate Klarsfeld angeboten wurde, einen Platz zu finden. Kein Geld sagte Mehdorn, kein Personal und außerdem seien Bahnhöfe keine angemessenen Ort des Gedenkens. Als die Ausstellung dann doch Anfang diesen Jahres in Berlin eröffnet wurde, fehlte Mehdorn: Der Mann der keine Feier auslässt, dessen Ego inzwischen seine natürliche Körpergröße weit übertrifft, der in jedes Mikrophon beisst das man ihm hin hält, schickte eine Vertretung in den Potsdamer Bahnhof. Der besser gelegene Hauptbahnhof stand der Ausstellung "aus Sicherheitsgründen" nicht zur Verfügung.
Wahrscheinlich habe sich damals SS und Gestapo um die "Sicherheit" gekümmert, die stehen heute nicht mehr zur Verfügung. Vieles hat sich geändert. Aber Juden müssen für ihre Fahrt immer noch zahlen. Tot oder lebendig. Vor Jahren gab Beate Klarfeld einmal einem deutschen Kanzler mit NS-Vergangenheit eine Ohrfeige. Kandidaten für Ohrfeigen bieten sich immer wieder an.