Schon jetzt ächzen die "Jobcenter" unter einer wachsenden Unterfinanzierung: Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose werden in vielen Städten kaum noch bewilligt. Denn die "Agentur für Arbeit" gibt einfach kein Geld mehr für die Förderung künftiger Arbeitskräfte aus. Doch aus dem Hause von der Leyen, dort, wo die Hartz-IV-Menschen verwaltet werden, sind noch schlechtere Botschaften zu hören: Im nächsten Jahr soll das Arbeitsministerium die ersten vier Milliarden einsparen, weitere drei Milliarden werden bis zum Jahr 2014 folgen. Und wie üblich pfuscht die Regierung an Symptomen herum, zu größeren Operationen fehlt ihr sowohl der Verstand als auch der Wille.

Während die Zahl der Arbeitssuchenden nur unwesentlich sinkt, steigt die Menge der Überstunden drastisch: Auf rund 1,25 Milliarden Stunden wuchs die bezahlte Mehrarbeit im Jahr 2010. So ziemlich alle Experten gehen davon aus, dass die unbezahlte Mehrarbeit die gleiche Größenordnung erreicht, es also einen Überhang von 2,5 Milliarden Überstunden gibt. Über eine Umwandlung der Überstunden in reguläre Arbeitszeit, in Jobs, wird in dieser marktradikalen Regierung nicht nachgedacht. Noch weniger natürlich über die Verkürzung der Arbeitswoche. Obwohl genau dort das größte Potential zur Schaffung von Arbeitsplätzen läge.

Warum sollten ausgerechnet die Schwarz-Gelben auch über verkürzte Arbeitszeiten grübeln? Die Rot-Grüne-Regierung hatte es in den Jahren von 1994 bis 1997 doch vorgemacht: Mit der "Flexibilisierung" der Arbeitszeit, mehr Möglichkeiten der Leiharbeit und der Ausdehnung befristeter Arbeitsverhältnisse gab die Schröder-Fischer-Gang freie Hand für jede Menge Mehrarbeit bei geringeren Beschäftigtenzahlen. Deshalb liegen die deutschen Arbeitnehmer mit 41,2 Stunden tatsächlicher Wochenarbeitszeit auch an der Spitze der Europäischen Union. Sogenannte Wirtschaftsexperten rechnen sogar mit einem deutlichen Anstieg der Wochenarbeitszeit: Die 45-Stunden-Woche will man künftig nicht ausschließen.

Es gibt offenkundig Arbeit genug. Aber weil der Profit höher ist wenn man die Arbeit auf die vorhandenen Beschäftigten verteilt, soll es lieber keine neuen Jobs geben. Begründet wird das Einstellungsdefizit bei gleichzeitiger Verlängerung des Arbeitstages mit dem "Fachkräftemangel". Hier schließt sich der von-der-Leyen-Kreis im Universum asozialer Politik: Weniger Geld für die Qualifikation von Arbeitslosen lässt die Zahl von Fachkräften weiter sinken und begründet so die wachsende Wochenarbeitszeit für die Noch-Beschäftigten. Hoffnungsfroh verkündet der Chef der Bundesagentur für Arbeit deshalb: "Immer mehr Menschen werden gar nicht erst arbeitslos." Der Zynismus eines solchen Satzes fällt offenkundig niemandem mehr auf.

Auffällig ist eine andere Kennziffer für Armut und Beschäftigung: Die Reallöhne. Lange Jahre waren sie im reichen Deutschland drastisch gesunken (kurze und geringe Ausnahme: 2010). An den tatsächlichen Einkommen der Arbeitnehmer, bereinigt durch die Inflation, hängt der Binnenkonsum, und von dem wiederum sind Wachstum und Beschäftigung abhängig. Doch diese Regierung strebt nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn an, wie es ihn immerhin in 20 Mitgliedstaaten der EU gibt. Statt dessen bekommt der Hartz-Vierer monatlich fünf Euro Almosen mehr. Das wird die Wirtschaft mächtig ankurbeln.