"Weißt Du", soll Benjamin Netanjahu, Israels Ministerpräsident, vor ein paar Wochen zu seinem Außenminister Avigdor Liebermann gesagt haben, "wir müssen da was machen." Seit dem Tag, an dem die israelische Armee die GAZA-Solidaritätsflotte blutig erstürmt hatte, war Israel ein wenig unter Druck geraten. "Die wollen unbedingt eine UN-Kommission, sogar die Amerikaner und Europäer", wird Netanjahu gesagt haben. Natürlich war Liebermann, der israelische Außenminister dagegen. Der ehemalige Türsteher ist seit den Tagen, als er in Moldawien noch diesen Beruf ausübte, dem Spruch `Du kommst hier nicht rein´ verpflichtet. Zwar hatten ihm Fachleute aus dem eigenen Haus erzählt, dass der israelische Kampfeinsatz gut siebzig Meilen vor der israelischen Küste als Piraterie gelten müsse und schon deshalb eine internationale Untersuchung fällig wäre, aber Liebermann war das egal. Er plädierte damals, wie Netanjahu auch, für eine eigene, israelische Untersuchungskommission.
Diese hausgemachte Kommission darf allerdings nur Fragen klären, die internationales Recht betreffen. Wie die bis zu dreissig Schusslöcher in die Körper der neun Opfer gekommen waren, wieso manchen der Opfer aus nächster Nähe in den Kopf geschossen wurde (wie ein Autopsie-Bericht belegt) diese Fragen sollen erst gar nicht gestellt werden. Warum auch? Der einzige Soldat der vernommen werden wird, ist der israelische Generalstabschef. Dass ein General, weit ab vom jeweiligen Geschehen, kaum etwas zur Wahrheitsfindung beitragen kann, weiß Netanjahu als ehemaliges Mitglied der Sajeret Matkal, einer Geheimdiensttruppe für gezielte Tötungen, ganz genau. Deshalb wird auf keinen Fall ein Soldat aus der Massaker-Gruppe vor die israelische Kommission geladen werden.
Nun also, nach langer, verachtungsvoller Ablehnung der internationalen, von der UN nominierten Untersuchungskommission, der Schwenk: Man bequemte sich mit dieser Kommission zusammenzuarbeiten. Schließlich war das Bild Israels auch bei seinen Geldgebern, den USA und der EU, arg getrübt. Man wollte das angeschlagene Image Israels verbessern. "Weißt Du, Avigdor," könnte Nentanjahu zur Beruhigung seines durchaus rechtsradikalen Freundes gesagt haben, "wir lassen Dich von der UN befragen, den Verteidigungsminister, den General und auch mich. Ich könnte dann das sagen, was ich schon vor dem israelischen Untersuchungsausschuss erklärt habe: "Ich bin überzeugt, dass es am Ende Ihrer Untersuchung klar werden wird, dass der Staat Israel und die israelischen Streitkräfte in Einklang mit dem internationalen Gesetz gehandelt haben." Solch eine schöne Überzeugung könnte geradezu überzeugend wirken, wenn das internationale Seerecht nicht dagegen spräche.
Weil die UN-Kommission hat durchblicken lassen, dass sie an der Überzeugung der israelischen Führung nicht gleichermaßen interessiert ist wie an Fakten, schwenkt Netanjahu nun auf die alte Linie ein: "Israel arbeitet nicht zusammen und nimmt nicht teil an einem Gremium, das israelische Soldaten verhören will", erklärte Regierungschef Benjamin Netanjahu. Das kann man gut verstehen. Zwar erkennt Israel den Internationalen Gerichtshof in Den Haag nicht an und wird auch keinen seiner Soldaten an ein anderes Land ausliefern, aber wenn aus der UN-Untersuchung das herauskäme, was man jetzt schon weiß: Dass Israel der Piraterie schuldig ist, und wenn im Ergebnis einer konkreten Soldatenbefragung feststünde, dass die Soldaten der israelischen Armee unverhältnismäßig oder gar mörderisch vorgegangen sind, dann wäre die ganze hübsche PR-Blase Netanjahus geplatzt.
Den Israelis wäre dringend eine Kommission zu empfehlen, die ausschliesslich aus Angela Merkel bestehen sollte. Merkel hatte schon immer, auch aus der Ferne und ohne lange nachzudenken, erkannt, dass die Eskalation der Gewalt in und um Gaza "eindeutig und ausschließlich" der Hamas anzulasten sei. Von dieser weisen Ein-Frau-Kommission könnte die israelische Regierung sich einen Dauerfreispruch erwarten. Gleich, was sie auch immer noch an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen internationales Recht begehen mag.