Terek H. rauchte nicht. Auch nicht beim Ziegenhüten. Hätte er gemütlich eine geraucht, wäre er bei den Ziegen geblieben. Aber als ihm ein Bekannter aus dem Dorf zurief, dass es gleich hinter dem Hang, an dem die Ziegen von Tereks Familie weideten, jede Menge geklautes Benzin zur Selbstabholung gäbe, lief Terek mit einem Kanister los: Wer arm ist darf sich keine Gelegenheit entgehen lassen seine schlechte Lage zu verbessern. Er war kaum am Laster angekommen, da erwischte ihn eine der Lenkbomben, die von der Bundeswehr bei der US-Air-Force bestellt worden waren, um die Sprit-Räuber zu töten. Terek H. hatte einen Zehnliter Kanister. Vor einem deutschen Gericht wäre der Fall von Benzin-Klau, angesichts von Tereks Armut, mit ein paar Stunden Arbeit beim Roten Kreuz bestraft worden.
Hätte Terek geraucht, am besten die Marke Philipp Morris, wäre seine Familie im Todesfall gut dran gewesen: Die Witwe von Jesse Williams zum Beispiel, erhielt 145 Millionen Dollar als Entschädigung für den Krebstod ihres Mannes vom Tabakkonzern. Aber Terek hatte nie und nimmer das Geld Philipp Morris zu rauchen. Außerdem war er kein US-Bürger. Wäre er vielleicht Deutscher gewesen und hätte die Gold-Card der Volksbank Plochingen besessen, hätten seine Hinterbliebenen im Todesfall immerhin noch 255.646 Euro erhalten. Selbst für ein deutsches Pferd, sechs Jahre alt und bei "pferd-versichert.de" mit einer Police bedacht, bekäme man immerhin noch 5.000 Euro. Tereks Familie, die ihre Weiden in der Nähe von Kundus bewirtschaftet, bekommt nur 3.800 Euro. Wie all die anderen Opfer des Bundeswehr-Rachefeldzuges auch.
Tereks Familie wird erstaunt sein, wenn sie aus dem Bundesverteidigungsministerium hört, dass es sich bei den Zahlungen "nicht um eine Entschädigung im Rechtssinne, sondern um eine humanitäre Hilfsleistung“ handelt. Das kann der Afghane nicht verstehen: Denn wäre es eine Entschädigung, dann käme das juristisch der Anerkennung einer Verantwortung für die Tat gleich. Und da wäre der Klageweg offen. Da ist man doch lieber verantwortungslos. Außerdem war der Einsatz des Bombers teuer genug. Allein das GPS-Nachrüstsystem für die 227-Kilo-Bomben hat 22.000 Dollar pro Stück gekostet, von den Millionen für den Bomber gar nicht zur reden. Bei dem Aufwand bleibt für eine "humanitäre Hilfeleistung" nicht viel übrig. Das scheint den Juristen des Verteidigungsministeriums ebenso legal wie legitim.
Ein anderer Schmalspurjurist, Guido der Bundesaußenminister, hatte schon bei der Afghanistandebatte im Februar den neuen Dreh raus: Der Krieg in Afghanistan sei nur ein bewaffneter Konflikt "im Sinne des humanitären Völkerrechts". Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages assistierte ihm mit der schönen Bemerkung: "Der Begriff des Krieges ist demgegenüber für die Kategorisierung von Konflikten wenig ertragreich". Was mag in Afghanistan ertragreich ein? Noch sind die Rohstoffvorkommen doch gar nicht erschlossen. Und die Gesetzeslage ist auch noch in einem tiefen Dunkel: Der "nicht-internationale-bewaffnete-Konflikt" kennt eine Menge völkerrechtliche Bedingungen, die in Afghanistan keineswegs geklärt sind. Das Grundgesetz, nach dem sich Bundeswehr und Außenminister eigentlich richten sollten, definiert den Afghanistan-Krieg eindeutig als Angriffskrieg. Und der ist verboten.
Nicht verboten ist nach der Meinung des schrecklichen Juristen Westerwelle die gezielte Tötung. Hier geht es, sagt der tapfere Schreibtischkämpfer "nicht um Legitimität, sondern um Legalität". Das Wort "Legalität" bezeichnet die formale Gesetzmäßigkeit einer Handlung und man darf gespannt sein, ob es je zu einem Kriegsverbrechertribunal kommt, das eine gesetzliche Grundlage für das Handeln in Afghanistan feststellt. "Legitim", da hat der Außenminister recht, bezeichnet die höheren, die moralischen Werte einer Handlung. Immerhin gesteht er mit seiner Formulierung versehentlich ein, dass der afghanische Krieg unmoralisch ist. Mit dieser liberalen Sophisterei müsste es möglich sein, für jede gezielte Tötung eine Prämie auszusetzen. Aber ob jene 3.800 Euro, die ein Afghane der Bundesregierung wert ist, die Menge der Fangschüsse wirklich erhöht, ist noch nicht raus. Wenn der zielende Töter nicht eine extrem gute Trefferquote hat, lässt er sich, im Interesse seiner Familie, lieber selbst töten. Denn dann zahlt die Bundeswehr seinen Hinterbliebenen glatte 60.000 Euro. Terek H. war eindeutig auf der falschen Seite.