Der ARD-aktuell Chefredakteur muss es wohl als Ehre empfunden haben: Die Dresdner AfD hatte zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Medien und Meinung“ eingeladen und Tagesschau-Chef Doktor Gniffke kam, gemeinsam mit dem ZDF-Chefredakteur Peter Frey, gehorsamst angetrabt. Offenkundig bedenkenlos hofierte man eine Partei, deren Chef stolz auf den Hitler-Krieg ist und deren Thüringer Vorsitzender Björn Höcke immer noch für das "Tausendjährige" Reich schwärmt. So ein bisschen Nazi, wird sich der Tagesschau-Chef gedacht haben, das kann man beim herzlichen Bekenntnis der AfD zur NATO einfach mal übersehen.

Tatsächlich traf der ARD-Funktionär in Dresden auf alte Medien-Kameraden: Mit Nicolaus Fest, einst Vizechef der Bild am Sonntag, begegnete er einem strammen Rechtsausleger und Berater von AfD-Chef Alexander Gauland. Der Gauland hat lange Zeit mit der Madsack Mediengruppe (Märkischen Allgemeinen Zeitung) für gutes Geld schlechten Journalismus unter die Leute gebracht. Auch Michael Klonovsky, früher beim Allerwelts-Magazin Focus, heute auch ein Gauland-Spezi, der arme Leute gern als "unproduktive Unterschicht und Sozialschmarotzer" beleidigt, freute sich auf dem Dresdner Podium sichtlich über den hohen Besuch.

Obwohl Kai Gniffke nicht gerade zu denen zählt, die das heiße Wasser erfunden haben, wusste sogar er in einer Stellungnahme: "Natürlich haben wir der AfD mit der Veranstaltung zu großer Resonanz verholfen". Und warum macht er das dann? "Wenn wir nicht wollen, dass sich der gesellschaftliche Diskurs so verkantet wie in vielen anderen Ländern, sollten wir die Diskussion immer wieder führen." Das Aufkommen neuer Nazis im Gefolge und im Umfeld der AfD nennt der seltsame Journalist "verkantet". Offenkundig ist ihm am Morgen beim Aufziehen des Gehirns der Schraubenschlüssel schwer verkantet, wenn der Chef der wichtigsten deutschen Nachrichtensendung den wachsenden Nazi-Auftrieb derartig verniedlicht.

Wenn Gniffke in Dresden behauptet, "dass es nicht die Rolle eines Nachrichtenanbieters ist, das Themen-Wunschmenü einzelner Parteien zuzubereiten“, hat er natürlich schlechte Karten. Denn die Tagesschau liest mit ihrer bewiesenen Merkel- und NATO-Nähe der jeweiligen Koalition gern die Wünsche von den Lippen. Es hätte heiter werden können, als die AfD in den Saal nörgelte: "Im Tatort gibt es keinen einzigen Ermittler, der in einer klassischen Familie mit Mutter, Vater, Kind lebt. Da hat eine starke, konservative Gruppe in der Bevölkerung das Gefühl, nicht angemessen repräsentiert zu sein“. Wenn Gniffke und Frey die Völkischen jetzt nach ihren Wünschen zu blonden und blauäugigen Darstellern gefragt hätten, wäre sogar Gelächter möglich gewesen. Aber so viel Witz und Mut ist bei den Öffentlich-Rechtlichen kaum vorhanden.

Eingeklemmt zwischen die Moderatoren Andreas Lombard aus dem Umfeld der recht extremen Jungen Freiheit und Klaus Kelle, der lange im Springer Konzern gedient hat, muss sich Gniffke vorgekommen sein, als säße er bei Anne Will, die auch immer Gleich und Gleich zu sich gesellt und ihre Sendung für eine ausgewogene Talk-Show ausgibt. In seinem Kommentar zur Dresdner Veranstaltung wusste Doktor Gniffke: "Schon das große Medienecho (nach Angaben des Veranstalters rund 70 Presse-Akkreditierungen) zeigte uns, dass hier offenbar etwas nicht Alltägliches passiert. Und vielleicht sollte ein solcher Dialog künftig etwas mehr zur Normalität werden." Öffentlich-Rechtliche Veranstaltungen mit und für die AfD wünscht sich der Tagesschau-Chefredakteur als "Normalität". So macht man sich doof bei Hof. In der Hoffnung, einen Platz auf dem AfD-Trittbrett zu ergattern.

Wetten, dass Gniffke diese Reklame-Tour für die AfD als Dienstreise abgerechnet hat?