Kinder sind konservativ. Sie essen Spaghetti mit roter Soße oder Fischstäbchen. Sie müssen in so kurzer Zeit derartig viel lernen, dass alles andere berechenbar sein soll, normal. Dieses Muster liegt dem Buch "Eis essen mit Ché" von Said Sayrafiezadeh zu Grunde. Der kleine Said ist nicht nur mit dem ziemlich seltenen Nachnamen Sayrafiezadeh, sein Vater stammt aus dem Iran, gestraft. Seine Eltern sind auch noch Mitglied der trotzkistischen "Sozialistischen Arbeiterpartei" der USA. Bei den Präsidentenwahlen von 1976 erzielte die Partei ihr bisher bestes Wahlergebnis mit 90.000 Stimmen. Wahlberechtigt waren in diesem Jahr 152 Millionen US-Bürger. Solch geringe Zahlen lassen die Mitglieder kleiner Parteien gern eng zusammenrücken. Sehr eng. Zumal sie meist recht haben. Aber selten recht bekommen

Der kleine Said ist nun groß und blickt zurück. Auf ein Kinderleben in einer Familie, die ihr Leben der Revolution gewidmet hat, in der früh schon der Vater sich von der Mutter trennt und Saids ältere Geschwister mitnimmt. Das schildert der große Said mit beträchtlicher Genauigkeit, einer gewissen Portion Sarkasmus und manchmal verzweifelter Sprachkraft, in der das Leben eines kleinen, ziemlich isolierten Jungen nachhallt: "Das Freizeichen heulte in der Dunkelheit wie ein seltsames Tier", erinnert sich Said an jene Zeit, in der seine Mutter nächtens den Telefonhörer nicht auflegte, um die feindliche Welt draußen zu lassen. Das lässt mitfühlen, das nimmt uns für den kleinen Said ein.

Was nicht so recht für den großen Said einnimmt, ist, dass er alles schon weiß und den Leser schnell daran teilhaben lässt. Dass Trotzki zur Heiligenfigur geworden ist, dass die Mitglieder der Arbeiterpartei keine Trauben essen dürfen, weil die Gewerkschaft der Erntearbeiter sich diese Solidarität wünscht, und dass die Überschriften in der Parteizeitung immer dieselben sind: Weg damit! Her damit! Das ist, so lange es nicht auf Kosten des kleinen Said geht, lustig und wird dem Leser gerne mit einem verstärkenden Augenzwinkern präsentiert: So sind sie, die Sektierer, total komisch. Schön. Obwohl die meisten Witze schon früh gerissen werden und wenig Entwicklung zu sehen ist, lässt uns der große Said auch noch an seinem Ausstieg durch Liebe teilnehmen. Das war´s.

Natürlich schreibt sich der Autor frei: Frei von seinem lange Zeit übermächtigen Vater, der sich immerhin während der iranischen Revolution riskiert hat wenn er auch sonst ein ziemlicher Phrasendrescher ist. Frei von einer Jugend in der Fremde, der großen USA die für alles mögliche Platz haben mag, nicht aber für ein Häuflein verlorener Revolutionäre und deren Kinder. Aber dem Leser wäre sehr geholfen, wenn der Schreiber sich mit dem Problem der kleinen Zahl beschäftigt hätte: Ja, diese Truppe ist irre klein. Aber sie hatte unbeirrt recht: Als sie gegen den Vietnamkrieg waren, zu einer Zeit, als die Mehrheit noch dafür war. Sie hatte recht, als sie sich gegen die Einmischung der USA in die Angelegenheiten Irans, Kubas und anderer Länder wandte und wendet, zu dieser Zeit, in der diese Einmischung keineswegs aufgehört hat. Saids Kindheit mag weniger schön gewesen sein. Die gesellschaftlichen Bedingungen haben sich kaum geändert, aber Said geht es besser. Das ist doch schon mal was.