Wenn der Autor nach fast 300 Buchseiten zu dem erhellenden Schluss kommt, »Dass gerade im Verzicht auf ein Recht eine ganz besonders moralische Erfahrung zum machen ist.«, dann hat er dem Leser bis dahin das Vergnügen einer heftigen, intellektuellen Anstrengung bereitet. Denn Brumlik, der Direktor des Fritz Bauer Institutes, des Dokumentationszentrums zur Geschichte des Holocausts, macht es sich und seinen Rezipienten nicht einfach.

Anlass des Buches ist die deutsche Debatte um ein »Zentrum gegen Vertreibung« deren Initiatoren aus der Ecke der Vertriebenenverbände natürlich die Vertreibung der Deutschen im Zentrum des Zentrums sehen. Brumlik weist pingelig genau nach, dass für die »Flucht« wesentlich die Nazibehörden verantwortlich waren und für die »Vertreibung« im Kern alle Alliierten. Akribisch dokumentiert er die Haltung der Sudetendeutschen Mehrheit und deren Illoyalität gegenüber dem Tschechischen Staat in dem sie lebte, protokolliert die Zahl der ca. 1,5 Millionen Menschen, die während der Vertreibung umgekommen sind und erinnert nüchtern daran, dass der vom nationalsozialistischen Deutschland vollzogene Genozid an Polen und Juden Vergeltung durchaus plausibel hätte machen können.

Richtig spannend wird es, wenn Brumlik die Vertriebenen ernst und deren Charta auseinander nimmt: Von Verzicht auf Rache und Vergeltung ist in ihrdie Rede. Von einem deutschen Angriffskrieg, von dem Versuch die Völker im Osten auszurotten, ist nichts zu lesen. Dafür von einem »...unendlichen Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat.« Glaubt man der Charta, dann ist der Name des Leidensverursachers »Jahrzehnt« und nicht etwa NSDAP, Reichswehr oder SS. Und das nicht näher beschriebene »Leid« meint natürlich wesentlich jenes der Vertriebenen.

An keiner Stelle weicht Brumlik davon ab, Verbrechen, auch jene gegen Deutsche, als Verbrechen zu bezeichnen. Genau diese Redlichkeit zwingt ihn dazu, Ursachen und historische Hintergründe für Flucht und Vertreibung präzise zu beschreiben.

In einen großen Zusammenhang setzt der Autor sein Thema, wenn er auf den Genozid an den Armeniern, auf ethnische Säuberungen und zuletzt auf das palästinensische Flüchtlingsproblem eingeht. - »Wer Sturm sät« ist ein kluger Beitrag zur Gedenk- und Erinnerungskultur und ein Quell sachlicher Information zum Thema Vertreibung.