Der Autor der Vorlage an den Parteivorstand der LINKEN, Harri Grünberg, wurde in einem Lager für Displaced Persons, für jüdische Überlebende des Holocaust, in Feldafing/Wolfratshausen geboren. Er leistete seinen Militärdienst in Israel unter Ariel Sharon während des Yom-Kippur-Krieges. Grünberg war Gründungsmitglied der Grünen in Frankfurt Main und 1990 Gründungsmitglied der Linken Liste PDS in Hessen. Heute ist er Mitglied des Parteivorstandes der LINKEN.
Das Grünberg-Papier erreichte die RATIONALGALERIE aus der Umgebung des Parteivorstandes der LINKEN.
Gesellschaft verändern
Linke Bewegungen stärken – Partei DIE LINKE stärken
Vorlage für den Parteivorstand 8/9 September 2018
Die neue Sammlungsbewegung, die schon mehr als 100.000 Unterstütze*innen aufzuweisen hat, zeigt, dass es in Deutschland ein breites Bedürfnis für eine linke Sammlungsbewegung gibt. Sonst wären nicht so viele Menschen in kurzer Zeit dem Aufruf gefolgt. Dieses breite Spektrum reicht weit über die Partei Die Linke hinaus. Es ist positiv, dass sich so viele Menschen, die links sind, aber derzeit nicht oder nicht mehr von der Partei DIE LINKE vertreten fühlen, in einer breiten Bewegung organisieren wollen, um dieses Land zu verändern und um die Hegemonie neoliberaler Politik zu beenden. Es ist gut, dass Aufstehen den Kampf um die breite Masse der Lohnabhängigen, den Kampf gegen die AFD aufnehmen will.
Kritische Linke, darunter auch viele ehemalige Mitglieder der Partei DIE LINKE, im Osten Deutschlands, Sozialdemokrat*innen, Gewerkschaftsmitglieder müssen erreicht, gesammelt werden für den Aufbau einer breiten fortschrittlichen linken Sammlungsbewegung. 64 Prozent unserer Bevölkerung meint, Deutschland sei unsozial. Sie wollen eine sozialere Republik, sind Kapitalismus kritisch, aber nicht antikapitalistisch eingestellt. Die Aufgabe von Aufstehen ist, diese Menschen zu mobilisieren, zu motivieren. Die Aufgabe der Linken ist, diese Menschen aus der rein reformerischen Perspektive herauszuführen, dem Kampf eine antikapitalistische Dimension vermitteln und die Menschen, die mit Aufstehen in Bewegung gekommen sind, für einer Stimmabgabe für DIE LINKE zu gewinnen. Überall dort, wo die künftigen Mobilisierungen stattfinden, muss die Linke gemeinsam mit Aufstehen präsent sein.
Inwiefern aus dem Kampf für die Wiederherstellung des Sozialstaates radikalere Perspektiven eröffnen, hängt in nicht geringem Umfang vom Wirken der Partei DIE Linke ab. Für die Partei DIE Linke stellt Aufstehen derzeit eine besondere Herausforderung dar. Wie sich die Partei dazu positioniert, wird aber nicht unmaßgeblich auch die künftige Entwicklung der Partei DIE Linke beeinflussen. Sie kann durch eine flexible Bündnispolitk gestärkt oder durch sektiererisches Verharrungsvermögen geschwächt werden.
Sollte es dabei bleiben, dass Aufstehen nicht in Parteikonkurrenz zur Linken treten wird (keine Parteigründung, keine Wahlalternative), so ist der Versuch, linke und fortschrittliche Kräfte zu sammeln und für einen gemeinsamen Kampf für Frieden, Gerechtigkeit, Umverteilung und gegen Rassismus und die Rechtsentwicklung in der Gesellschaft zu gewinnen, positiv durch die Linke aufzugreifen. Die Linke sollte diese Initiative begrüßen und seine Mitglieder und Sympathisant*innen dazu ermuntern, sich an dem Aufbau dieser Sammlungsbewegung zu beteiligen. Durch die Bündnisarbeit werden auch neue Mitglieder gewonnen. Die Partei ist nicht entbehrlich, sondern Garant für einen erfolgreichern Kampf zur Rückgewinnung des Sozialstaates, für neue Mehrheiten, für die Brechung der neoliberalen Hegemonie. Dafür muss sich aber die Partei strategisch entsprechend aufstellen.
Linke werden sich dafür einsetzen, den außerparlamentarischen Druck durch Aktionen unterschiedlicher Art zu erhöhen. Sie werden auf die Programmatik linker Politik hinweisen. Und werden sich für die Stärkung der Partei Die Linke einsetzen. Diese Bündnisorientierung ist nicht neu für unsere Partei. Wir wirken dementsprechend in der Friedens- und Antiglobalisierungbewegung. Unsere Quellpartei PDS unterstützte über Jahre die Komitees für Gerechtigkeit in Ostdeutschland. Wo niemand von Anfang an garantieren konnte, dass sich daraus nicht eine ostdeutsche Konkurrenzpartei zur PDS entwickeln würde.
Die neue Sammlungsbewegung kann gesellschaftliche Veränderungen durch außerparlamentarischen Druck ermöglichen, wenn sich viele fortschrittliche und linke Kräfte als Teil dieser Sammlungsbewegung einbringen und Angebote für eine konkrete Politikgestaltung machen. Die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ kann dafür eine Chance sein, fortschrittliche Diskurse und außerparlamentarische Bewegungen von links zu organisieren und zu stärken.
Ziel muss dabei bleiben, gemeinsam mit Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden, Mieter*inneninitiativen, Flüchtlings- und Migrationsinitiativen, aber vor allem auch mit den vielen Betroffenen des neoliberalen Gesellschaftsumbaus außerparlamentarischen Druck zu organisieren, um andere gesellschaftliche Mehrheiten zu erreichen. Seit vielen Jahren befindet sich die politische Linke in der Defensive. Neoliberale Kräfte haben den großflächigen Umbau der Gesellschaft hin zu einer marktkonformen Demokratie eingeleitet. Die sozialen Kämpfe gegen diesen neoliberalen Umbau haben einige Erfolge erzielt, konnten jedoch den Angriff auf den Sozialstaat nur bedingt abwehren. Auch der Linken ist es nicht gelungen, die Breite des linken Potentials in der Gesellschaft zu bündeln und in Aktionen zu führen. Unsere Kampagnen, so löblich und wichtig sie auch sind, erreichen nicht die benötigte Breite.
Eine starke, fortschrittliche Sammlungsbewegung mit einer starken Linken, die soziale Themen auf die Agenda der Politik hebt, kann einen Beitrag für eine Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen leisten. Die Stärkung linker Kräfte eröffnet die Chance, AfD und neurechte Bewegungen zurückzudrängen. Die neue Sammlungsbewegung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Die Partei DIE LINKE begrüßt den Versuch, durch eine breite, linke Sammlungsbewegung, die gesellschaftliche Rechtsentwicklung zu bekämpfen und durch fortschrittliche Angebote Arbeitnehmer*innen, sozial Ausgegrenzte und Betroffene des neoliberalen Gesellschaftsumbaus für den Einsatz für eine solidarische und soziale Politik zu gewinnen. Im FOKUS stehen die sozialen Themen. Aber auch andere Themen, welche eine moderne linke Politik ausmachen, werden wir nicht vernachlässigen.
Die Linke tritt in gemeinsamen, solidarischen Debatten mit der Sammlungsbewegung dafür ein, dass folgende Themen, mit denen sich die Mitglieder und Sympathisanten der Linken in die inhaltliche Profilierung und in Aktionen der Sammlungsbewegung einbringen werden:
• Für eine Stärkung der Friedensbewegung. Gemeinsam gegen Aufrüstung, Krieg und für ein Verbot von Waffenexporten, für eine neue Entspannungspolitik und Schaffung einer gesamteuropäischen Friedensordnung unter Einschluss von Russland und der Entwicklung von besonderen Freundschaftsbeziehungen zum russischen Volk. Aktiv die NATO Einkreisungspolitik gegen Russland zu bekämpfen. Alle Akteure auf die Einhaltung des Völkerrechtes hinweisen, dass heute im wesentlichen von der NATO gebrochen wird. Für eine friedliche Außenpolitik und sofortige Beendigung der Eskalation durch die Einmischung in die Souveränität anderer Staaten mit dem Bestreben, einen „regime change“ herbeizuführen.
• Für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Gemeinsam gegen Freihandelsabkommen und die Ausbeutung des globalen Südens. Aufstehen gegen die Profitinteressen der großen transnationalen Konzerne.
• Für internationale Solidarität und Internationalismus. Gemeinsam gegen Chauvinismus und Nationalismus. Für internationale Zusammenarbeit der fortschrittlichen Bewegungen.
• Für ein starkes Bündnis gegen rechts. Gemeinsam gegen Rassismus, Ausgrenzung und gegen die Militarisierung der EU-Außengrenzen. Für eine Politik, die Fluchtursachen bekämpft. Aufstehen gegen die neoliberale Politik, die kontinuierlich die Existenzbedingungen von Menschen in den Ländern des globalen Südens zerstört.
• Für einen Ausbau des Sozialstaates. Gemeinsam gegen Ausbeutung, Sozialabbau, Privatisierung und neoliberalen Umbau der Gesellschaft.
• Für eine Umverteilung von Oben nach Unten. Gemeinsam für die Einführung einer Vermögensabgabe, für eine Vermögenssteuer und eine deutliche Erhöhung
des Spitzensteuersatzes.
• Für den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge. Gemeinsam gegen Privatisierung und Deregulierung.
• Für einen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft. Gemeinsam gegen Klimawandel, Umweltzerstörung und für eine Demokratisierung des Energiesektors und einen ökologischen Umbau des Verkehrssektors.
• Für eine starke Mieter*innenbewegung. Gemeinsam gegen Verdrängung und für den Ausbau eines öffentlichen Wohnungsmarktes.