Da war doch was: Die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit dem amerikanischen Geheimdienst, die Entführung von Menschen durch die CIA von deutschem Boden und die Verantwortung des wahrscheinlichen Kanzlerkandidaten der SPD, Frank-middle-initial-Steinmeier, der zur Zeit der BND-CIA-Fälle Chef des Kanzleramtes war, also zuständig für die Geheimdienste. Und da ist noch was, »Die CIA-Lüge« ein neues Buch im Aufbau-Verlag, von Egmont R. Koch, das nicht die aktuellen, deutsch-amerikanischen Fälle untersucht, sondern die langen Traditionslinien des Folterns.

Der Prolog des Buches beginnt mit zwei Zitaten: Das eine ist aus einem Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald, das andere ist von Murat Kurnaz, jenem Mann aus Bremen, der vier Jahre im Lager von Guantanamo inhaftiert war und dort von Mitarbeitern des BND verhört wurde. In beiden Zitaten geht es um das »Aufhängen« des Inhaftierten an den hinter dem Rücken gefesselten Händen, eine der tradierten Methoden, über Folter Informationen und Geständnisse zu erpressen. Längst ist Guantanamo zum international anerkannten Begriff für Unrecht und und Menschenschinderei geworden. Seit geraumer Zeit versucht die US-Regierung sich dieses Etiketts zu entledigen, fangen auch US-Gerichte an, die Rechte der dort gelagerten Häftlinge zu erkennen. Doch immer noch wabert der Vorwurf des Terrorismus durch die Debatten, schwebt der billige Dunst des »Kampfes gegen den Terror« über den nüchternen Fakten, um die Wahrheit zu vernebeln: Die USA sind ein Staat der Folter praktiziert, die Mehrheit der in Guantanamo Inhaftierten ist unschuldig.

»Es gab seit Jahrzehnten so etwas wie eine `Folterkultur´ in den vereinigten Staaten« enthüllt Egmont R. Koch in seinem Vorwort und beweist es auf den rund 200 Seiten seines Buches detailliert. Und mehr noch, erinnert er an die jüngere Entstehungsgeschichte der Erfindung des Begriffs »feindlicher Kämpfer«, der den US-Behörden erlaubt, die zusammengeklaubten Gefangenen außerhalb jeden Rechts zu stellen. Die Gefälligkeits-Analysen amerikanischer Juristen, die den Begriff der Folter so neu definieren, dass auch die unheilige Inquisition damit gut hätte leben können. Und nicht zuletzt erinnert Koch an die neue internationale Kooperation zur Folter, sei es mit US-Geheimgefängnissen in Polen, Rumänien oder Afghanistan, sei es mit Wegschauen und Billigen in Deutschland. Selbst als erste Bilder aus dem Abu-Ghraib-Gefängnis die Welt erschüttern, wird verharmlosend noch von «verschärften Methoden« geschrieben und gesendet. Doch es geht, wie Koch beweist, auch um Mord: Eines der Folteropfer »starb während des Verhörs durch Einwirkung roher Gewalt«, zitiert der Autor einen Autopsiebericht über den Tod eines Häftlings in Abu Ghraib.

Ein Mord ist der Administration in Guantanamo nicht nachzuweisen, aber die hohe Zahl von Selbstmorden, im Ergebnis von Isolationsfolter, von »Waterboarding« und Erniedrigung ist im Ergebnis nichts anderes als staatlich sanktionierter Mord. Der Autor erinnert daran, dass bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe eine Strafanzeige wegen Folter gegen die USA eingegangen war, der sich immerhin der UN-Sonderberichterstatter für Folter angeschlossen hatte. Die Generalbundesanwältin Monika Harms lehnte es ab der Anzeige nachzugehen, obwohl ein Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch möglich gewesen wäre. Und wenn die deutsche Justiz, in Form der Münchner Staatsanwaltschaft, versuchte, dem Gesetzt Geltung zu verschaffen, dann blockte die Bundesregierung: Sie weigert sich, ein Ersuchen zur Festnahme von einem Dutzend CIA-Agenten, die an der Verschleppung des deutschen Staatsbürgers Khaled El-Masri beteiligt waren, nach Washington weiterzuleiten. Vom Einkauf von Nazi-Medizinern für den amerikanischen Geheimdienst über den Gebrauch von Psycho-Drogen bis zum Einsatz von Schwachstrom unter der Schädeldecke des Probanden: Koch listet akribisch alles auf, was die CIA im Lauf der Jahrzehnte an Folteranstrengungen unternommen hat. Nicht einmal die Schüler der CIA in Chile entgehen ihm: Dort mutierte das erprobte »Waterboarding« zum »el submarino«.

Manchmal kann einem Kochs Buch ein gespenstisches Grinsen ins Gesicht zwingen. So, wenn er referiert, dass im Kalten Krieg das Gerücht auftauchte, »dass nämlich die Russen die Weltbestände an LSD aufkauft hätten«, um einen psychochemischen Krieg gegen die »freie Welt« anzuzetteln. Oder wenn er über den Einsatz von Psychodrogen gegen US-Soldaten schreibt, die im Korea-Krieg als Gefangene gestanden hatten, dass sie biologische Waffen gegen Nordkorea eingesetzt hatten. Zurück in den USA wurden sie einer intensiven »Befragung« ausgesetzt, deren Ergebnis nicht ohne Heiterkeit ist: Die vermutete Gehirnwäsche durch die Kommunisten beruhe auf Indoktrination, immerhin seien fünf der zwanzig untersuchten Kriegsgefangenen zu überzeugten Kommunisten geworden, wird berichtet. Koch stellt die nicht überraschende Frage, ob es beim Einsatz von LSD durch den amerikanischen Geheimdienst nur darum gegangen sei, die geständigen Soldaten zum Widerruf zu bewegen.

Es ist schwer vorstellbar, dass man in Deutschland, selbst nach der nationalen Gefühlsdusche der Fussball-Europameisterschaften, die Folterverbrechen der USA ignorieren und zur gewöhnlichen Tagesordnung zurück kehren kann. Ist doch das vorgebliche Konzept der USA auf ganzer Linie gescheitert: Im Irak entstehen neue Terrorgruppen, der Israel-Palästina-Konflikt ist nicht entschärft, die komplette Region ist gefährdeter als vor dem pathetisch ausgerufenen Antiterrorkampf. Mit ihrer Folterpraxis, ihrer Verachtung der Menschenrechte, sollte die US-Politik eigentlich bis zur Bündnisunfähigkeit diskreditiert sein. Doch das gewöhnliche Geschäft in den deutschen Medien und in der Regierungspolitik geht weiter: Die Bundeswehrtruppen in Afghanistan werden aufgestockt, das Mandat der Armee vom Polizeieinsatz zum Kampfeinsatz erweitert, über einen möglichen Krieg gegen den Iran wird am selben Tag kühl und fast desinteressiert spekuliert, an dem das Fußballspiel Spanien-Deutschland immer noch die Medien heiß bewegt. Und der BND-Untersuchungsauschuss des Bundestages? Der tagt. Man kann doch der SPD nicht den einzig denkbaren Kanzlerkandidaten nehmen, bevor er überhaupt kandidiert.