"Exkremente sind niemals in besonderer Weise gestaltet und gearbeitet" schreibt der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt in seinem neuesten Buch "Bullshit" und dringt zum scheinbaren Sachgehalt des Wortes vor, um dann das Gegenteil zu beweisen: "Bullshit", die absichtsvolle Geschwätzigkeit zur Tarnung und Durchsetzung der eigenen Interessen, bedarf handwerklicher Präzision, wird von hoch qualifizierten Marktforschungsinstituten, in Think-Tanks und durch Meinungsumfragen vorbereitet und hergestellt.
Es darf erlaubt sein zu fragen, warum ein Philosoph sich intensiv mit "Bullshit" beschäftigt, sogar ein ganzes, wenn auch kleines Buch darüber schreibt. Die Antwort liegt in der Häufigkeit des Phänomens: Keine Talkshow ohne "Bullshit", keine Politikerrede, kaum ein Sonntagskommentar. Deshalb, so Frankfurt, brauchen wir eine Theorie zur Erfassung, zur Analyse von "Bullshit". Denn die Phrase ist die Vorhut der Täuschung zum Zwecke der Eroberung, sei es die von Wählerstimmen oder die von ganzen Ländern.
Es gibt keine unmittelbare deutsche Übersetzung, die der Bedeutung des englischen Wortes gerecht wird, relativ nahe kommt ihm noch das Wort "Humbug", das eine Kunstart bezeichnet die ja auch hoch trabt, aber, so Frankfurt, der den "Bullshit" sorgfältig von Humbug und Lüge trennt, dem Humbug fehle die Absicht. Am ehesten wäre noch die Übersetzung "heiße Luft" geeignet, denn "in Bezug auf den Informationsgehalt macht es keinen Unterschied ob er (der Redner) etwas sagt oder einfach nur ausatmet."
Schon sind wir bei den Klassikern der Bullshiterei: Wenn Georg W. Bush "Freiheit" sagt, meint er seine Freiheit und die von ein paar seiner Freunde, wenn irgendwo "Kampf gegen den Terror" draufsteht, darf man sicher sein, dass Unterdrückung von Menschenrechten und Meinungsfreiheit drin ist und wenn das Wort "Reform" durch den deutschen Politikraum fliegt, gilt es sich zu verstecken, denn ganz sicher will man an das Geld der Bürger oder an deren Arbeitszeit.
Deshalb resümiert Harry G. Frankfurt: "Das einzige unverzichtbare und unverwechselbare Merkmal des Bullshitters ist, dass er in einer bestimmten Weise falsch darstellt, worauf er aus ist." Frankfurt argumentiert zuweilen mit Wittgenstein, erwähnt Augustinus und hätte auch, zum Beispiel wenn ihm das Modewort "zielführend" begegnet wäre, Kurt Tucholsky zitieren dürfen, dessen fiktiver, literarischer Ort namens "Wichtigkeit a. d. Phrase" einen Ausgangspunkt der "Bullshit"-Forschung markiert.
Ohne jemals Namen zu nennen, zwingt Frankfurt dem Leser doch den des amerikanischen Präsidenten auf, wenn er "Das Fehlen jedes signifikanten Zusammenhangs zwischen den Meinungen eines Menschen und der Realität" erwähnt und vertiefend bemerkt, dass dies natürlich noch gravierender ist "bei einem Menschen, der es für seine Pflicht als moralisch denkendes Wesen hält, Ereignisse und Zustände in allen Teilen der Erde zu beurteilen."
Das kleine, weinrot eingebundene Buch eignet sich hervorragend für alle jene Sitzungen, Arbeitskreise und besonders "Meetings", in denen die Diskussion bei den Worten "Fokussieren" oder "Synergie" ins Stocken geraten ist. Man schlägt den Frankfurt auf und liest einfach vor: "Bullshit" ist immer dann unvermeidbar, wenn die Umstände den Menschen dazu zwingen, über Dinge zu reden, von denen er nichts versteht."
Was Frankfurt unterlässt, ist, die wesentliche Entlarvungsmethode von "Bullshit" mitzuliefern. Vielleicht, weil Hegel dafür bereits einen soliden Denkhebel gefertigt hat, wenn er schreibt, "Die Wahrheit der Absicht ist die Tat selbst". Oder, wie mein Ruhrgebiets-Großvater zu sagen pflegte: "Hör se nich zu, guck se auf die Finger."