Das hätte ein Stück von George Tabori sein können: Der Berliner Fußballverein TuS Makkabi - wie viele andere jüdisch geprägte Sportvereine nennen sich auch die Berliner nach dem kriegerischen Stamm der Makkabäer - gewinnt in diesen Tagen ein Spiel vor Gericht. Zuerst hatte der Verein ein Spiel durch Abbruch gegen die Volkssport Gemeinschaft Altglienicke verloren: Nach heftigen antisemitischen Beschimpfungen und Bedrohungen durch die Anhänger der Altglienicker verließen die Makkabäer vorzeitig das Fußballfeld und wurden so zum Verlierer erklärt. Vor dem Landgericht konnte TuS Makkabi das Spiel letztlich doch gewinnen. Was hätte Tabori, von dem im September, ein letztes Buch, eine Sammlung von Artikeln und Essays erscheinen wird, dazu gesagt? Folgt man den Selbstzeugnissen in diesem Buch, dann wäre ihm ein Kommentar wie `Im Felde geschlagen, vor Gericht unbesiegt´, durchaus zuzutrauen gewesen. Denn Tabori, der katholisch erzogene Ungar, der erinnerte, "Erst die Deutschen haben mich zum Juden gemacht", war gütig und böse, war weise und naiv. Aber vor allem war er witzig.

Dieser zuweilen atemberaubende Witz ist auch im Buch "Bett & Bühne" nachzulesen. Der von Maria Sommer liebevoll zusammengestellte Band beginnt mit einem Zitat des großen Theatermannes aus dem Jahr 1997, in dem er verkündet, dass er nun zweiundachtzig Jahre alt sei und allmählich genug habe. Bis zum Jahr 2000 wolle er noch dies und das machen, dann aber stürbe er wahrscheinlich. Es war natürlich ein Scherz: George Tabori starb erst im Juli dieses Jahres. Diese Wanderung zwischen dem Abgründigen und dem Hintergründigen durchzieht "Bett & Bühne" und löst das buchstäbliche Lachen, das im Hals stecken bleibt aus. Buchstäblich nahm der große Mann, der keine Heimat hatte und sich als Fremder eben diesen Blick bewahrte, auch die deutsche Sprache: "Wenn der Taxifahrer `Grüß Gott´sagt, dann fragt sich der Fremde, lässt Gott mich grüßen, oder soll ich ihn grüßen?" Dieser fröhlichen Einlassung folgen in seiner Büchnerpreis-Rede wenige Zeilen später die letzten deutschen Worte seines Vaters: "Nach Ihnen, Herr Mandelbaum", soll der an der Tür zur Gaskammer gesagt haben.

Manchmal fragt man sich beim Lesen, ob dieser Tabori echt war: Nie leidend und wenn doch einmal, dann lächelnd, nie zornig und wenn doch, dann gespielt, nie wirklich böse und wenn doch, dann mit Witz. Natürlich war er nicht echt. Er war, und das ist nicht erst in seinem Buch zu entdecken, eine perfekte, intelligente Inszenierung, eine Erfindung seiner selbst, so, wie nur die wirklich Echten sich selbst neu erfinden können. Und wie sonst hätte der Schriftsteller von dem Grauen, dem er nur knapp entronnen war, sich absetzen, sich befreien können, wenn er über sich nicht diese Haltung burschikoser Ungezwungenheit hätte stülpen können. "Ein guter Fick", lässt er sich selbst sagen, "ist so selten wie eine guter Hamlet". Wer allerdings glaubt, Tabori könne nur mit leichter Hand, der wird eines besseren belehrt, wenn er dessen Auseinandersetzung mit Syberberg und seiner Behauptung, in der deutschen Nachkriegskunst sei eine Karriere nur möglich wenn man "mit den Juden ging wie mit den Linken", gelesen hat. Der kleine Aufsatz beginnt mit dem sprachlichen Florett und wird, von der Schwere der Syberbergschen Infamie getrieben, zur Dampframme: "Der Haken an S. ist, dass er Dreck mit Seife verwechselt." Leider hat Syberberg die Attacke überlebt.

Als Taboris Mutter, glücklich den Nazis entronnen und im englischen Exil gelandet, ihren Sohn beauftragte, den Mörder seines Vaters zu töten, ist Tabori sehr erleichtert, dass er den Mann nicht finden kann. Diese Erleichterung hat mich anfänglich befremdet. Ich wünschte, er hätte den Mann umgebracht. Gehören denn die Nazis und deren Helfer nicht getötet? Und sei es auch nur, merke ich beim Lesen errötend, um mir das Gebirge von Schuld, das meine Vorfahren mir aufgebuckelt haben, von den Schultern zu nehmen. Tabori sieht die Endlösung der Hitler-Frage anders: "Ich habe ihn besiegt, denn es ist ihm nicht gelungen, dass ich ihm und seinesgleichen ähnlich geworden bin." Diese christliche Milde hinderte den Regisseur nicht daran, den Faschismus als einen Kapitalismus der anderen Mittel zu begreifen. Eine Erkenntnis, die ihn nur sehr begrenzt zum Bündnispartner der orthodoxen Linken bestimmte, weil Tabori zu wissen glaubte, dass sich "die lieben klugen Opfer in den Hütten immer wieder in dumme und böse Verbrecher verwandeln, sobald sie in die Paläste ziehen."

Was hätte Tabori aus dem späten Sieg des TuS Makkabi gegen die Volkssport Gemeinschaft Altgienicke für ein Stück gemacht? Der Regisseur, der sich nur "Spielmacher" nennen wollte, eine Bezeichnung die ausgerechnet im Fußball-Jargon populär ist, hätte wahrscheinlich eine komische Tragödie oder eine tragische Komödie konzipiert, ganz sicher ein Lehrstück, das als Unterhaltung daher gekommen wäre: So wie der ganze Band mit dem Titel "Bett & Bühne". Und wer auf sein Erscheinen bis zum September nicht warten will, der kann sich an Taboris Erinnerungen laben, die auch bei Wagenbach gebunden erschienen waren und jetzt als Taschenbuch vorliegen. Ach, ja: Die historischen Makkabäer hatten ihr letztes Spiel gegen die Römer zu Null verloren.