AUS GEGEBENEM ANLASS INTERVIEWT PROFESSOR KLAUS-JÜRGEN BRUDER SICH SELBST.

Sie beschäftigen sich schon lange mit der Frage, warum und Herrschaft stabil ist und bleibt. Hat es Sie überrascht, dass die vom Staat wegen der Coronakrise angeordneten Maßnahmen so weitgehend widerspruchslos akzeptiert wurden?

Ich bin natürlich entsetzt, wie schnell und ohne Infragestellung auch in den maßgebenden Medien alle möglichen einander widersprechenden Erklärungen und Maßnahmen angenommen wurden und in der breite, in der sie durchgesetzt und gegen die leisesten Bedenken und Kritik mit Zähnen und Klauen, unter Missachtung selbst des geringsten Respekts verteidigt werden. Dieses Ausmaß hat mich überrascht und zeigt, wie stabil die Herrschaft ist und wie tiefgehend sie internalisiert ist – vor dem Hintergrund von Angst allerdings. Selbstverständlich wird die CDU der große Gewinner sein.

Andererseits hat es mich nicht überrascht, wenn wir die größere Zeitperspektive der Entwicklung seit ´68 ins Auge fassen, wie Schritt für Schritt die Infragestellung von Herrschaft, („unnötiger Unterdrückung“) aufgegeben worden ist (zum „ewig gestrigen“ geschlagen), wie das Selbstbewusstsein verschwunden ist, wie die Haltung des Abfindens mit dem Gegebenen sich breit gemacht hat, oder gar sich einen Platz auf Kosten anderer zu erobern durchgesetzt hat. 
Von dem Punkt, an dem wir auf der Linie dieser Entwicklung heute angekommen sind aus betrachtet überrascht es mich nicht.

Ich bin auch enttäuscht, dass die Bewegungen, die sich in den letzten Jahren gebildet haben, besonders FfF, Antifas usw. sich so wenig zu Wort gemeldet haben. Es hätten kritische Diskussionen organisiert werden müssen, die die Verantwortlichen in Politik und Medien dazu aufzufordern, über die Versäumnisse und falschen Entscheidungen in der Gesundheitspolitik (Abbau der Krankenhäuser, Bettenzahl, Personal, letztlich auf Grund der jahrelangen Privatisierungswelle) und in der Präventionspolitik (Vorräten an Schutzmaterial und Schutzmitteln, Abbruch der pharmakologischen Forschungsprojekte im Gebiet der Pandemien, usw) Rechenschaft abzulegen. Ebenso wären Diskussionen mit unterschiedlich ausgerichteten Expertinnen über die Fragen der Gefährlichkeit des Virus, der Diagnose und Behandlung zu fordern gewesen. Und es fehlt weitgehend die Sorge darüber, wie notstandsgesetzmäßig bürgerliche Rechte außer Kraft gesetzt werden

Das alles hat nicht stattgefunden und so werden die extrem einschneidenden zerstörerischen Maßnahmen widerspruchslos akzeptiert. Das hat mich dann nicht mehr überrascht: was soll die Bevölkerung tun, wenn sie von denen im Stich gelassen wird, die sich bisher als Opposition angeboten hatten?

Welche Mechanismen kommen hier psychologisch zur Geltung? Ist das Angst vor der Krankheit oder der Sanktionierung, Wunsch nach Konformität, Gruppendruck?

Ja, die Angst vor der Ansteckung, bzw. Krankheit spielt ganz sicher eine Rolle, vielleicht die wichtigste, während die anderen Angst-Gründe weniger ins Gewicht fallen.

Dabei ist wichtig, dass diese Angst eine Antwort auf die Darstellung der Gefährlichkeit des Virus durch die Verantwortlichen ist, die medial vermittelt und dabei verstärkt wird. Die Form und Qualität dieser Darstellung ist verantwortlich für das Ausmaß und die Verbreitung dieser Angst.
Es wurden ja pausenlos und in Dauerberieselung die Gefahren eingehämmert und dadurch die Angst in Panik getrieben. Die Panik zeigt sich u.a. daran, dass andere Sichtweisen niedergeschrien wurden sowie an den tausend Gerüchten darüber, was alles gefährlich sein soll und was man alles machen müsse, um sich zu schützen.

Angst ist nicht einfach „natürlich“! Hier mischt sich sogen. Realangst mit neurotischer Angst. Angstmache wird immer wieder als Herrschaftsmittel eingesetzt. Das wurde nachweisbar spätestens mit Bekanntwerden der „Verschlußsache“ aus dem BMI, in dem dieses Mittel Angsterzeugung direkt vorgeschlagen bzw. vereinbart worden sind. 
Beispiel: Bild eines traurigen niedergeschlagenen Kindes mit dem erklärenden Text: ich habe mein Oma angesteckt, ich bin schuldig an ihrem grausamen Tod, das werde ich nicht mehr los mein ganzes Leben.

Es ist wie die Warntafel vorm schwarzen Mann am Eingang zu Kinderspielplätzen. Die Ironie dabei: der häufigste „Täter“ war der Vater, Stiefvater, Onkel, nicht der Fremde, der aus dem Busch vorspringt.

Wer ist bei dieser jetzigen Panikmache der Stiefvater, der dieses Mal sich hinter dem Täter aus dem Busch versteckt?

Wir werden ja schon wieder durch lautes Wispern von einer verheerenden Wirtschaftskrise, Rezession vorbereitet.
Außer Angst muss man einen anderen psychologischen Mechanismus annehmen: im Befolgen der Maßnahmen steckt Autoritarismus, weil nicht nachgefragt wird, wie sinnvoll diese Maßnahmen eigentlich sind, wie angemessen. Diesen Mechanismus kann man als den Versuch sehen, den Konflikt zwischen dem bewussten Ich, das die Kontrolle der Situation unter Wahrung der eigenen Interessen verfolgt, und dem unbewussten Überich, das die Forderungen der Vertreter der „äußeren Realität“ repräsentiert, zu „lösen“, indem das Ich sich dem Überich unterwirft. Man kann davon ausgehen, dass diese Lösung von der Stärke des Ich mitbestimmt wird: je schwächer das Ich, desto weitergehender die Unterwerfung unter die Autorität und Ihre Forderungen. Daher ist Herrschaft so stabil.

Halten Sie die Maßnahmen denn selbst für angebracht oder überzogen?

Es hat etwas erschreckend Totalitäres: eine Krankheit, einen Virus ausrotten wollen, egal was es kostet, Wir kennen doch den Sarkasmus: Operation geglückt – Patient tot
Nach diesem Rezept scheinen die Regisseure derzeit vorzugehen.
Dass sie nicht von „Krieg“ sprechen wollen, überrascht nicht: sie kennen schließlich ihre Bevölkerung, das Wort Krieg müssen die Herren und Damen vermeiden
Man würde ja auch andere gesellschaftliche Säuberungsmaßnahmen nicht Krieg nennen wollen, zurzeit sind die Etiketten „Fürsorge“, „Rücksicht“, und „Egoismus“, „Rücksichtslosigkeit“ im Umlauf, und wie wir bereits aus der Kriegsvorbereitungspropaganda kennen: Kriege vorbereiten ist „Verantwortung“ und Verantwortungslosigkeit sich nicht „engagieren“ wollen – immer steht das Menetekel der Gemeinschaft im Hintergrund, auch ein Wort, dessen unsägliche Bedeutung wir noch aus der unseligen deutschen Vergangenheit kennen und das diese wieder zurückholt.
Überhaupt erinnert so manches an damals. Aussonderung, Sonderbehandlung bestimmter Gruppen aus der Bevölkerung, auch der Ruf nach dem Gefängniswärter ist schon ertönt: „Sperrt uns ein!“ sollen manche Alte gerufen haben. Vielleicht kommt ihnen im Alter die Erinnerung an die schöne Jugend wieder.

Das Totalitäre liegt uns vielleicht doch „im Blut“ (und im Boden). Es steckt auch in der Säuberung in der Architektur und im Städtebau der Zeit: im „Neoklassizismus“. Kein Park zumindest in der Hauptstadt ist davor verschont, leer gefegt zu werden von kuscheligen Ecken, alle Wegen mit Platten belegt, alles von weitem zu durchblicken, als ob die Zielfernrohre nichts störendes behindern dürfe, wenn es mal so weit ist.

Das Vokabular der gegenwärtigen Virus-Bekämpfung ist selbstverständlich medizinisch, aber die Art wie die Medizin hier auftritt, so mit Kommandogewalt, läßt eine zweite Bedeutung dahinter vermuten: die Abstandsregeln eignen sehr gut zu Disziplinierung, die Ansteckungsgefahr ist selbstverständlich auch soziologisch zu verstehen: Massen sind der bürgerlichen Soziologie wegen ihrer Ansteckungsgefahr verdächtig, die Kontaktsperre macht konspirative Treffen fast unmöglich, die gleichzeitige Beschränkung der Kommunikation auf Smartphone und Internet wird nicht mehr zurückgenommen: sie setzt die offensive, aggressive Digitalisierung aller Bereiche der Gesellschaft endlich unaufhaltsam durch: dass sie auch vom Gesundheitsministerium gepuscht worden war, wird jetzt klar, sie macht auch die Vorbereitung von Prostest überwachbar, politische Äußerungen, Versammlungen, Protest werden hier ausgeschlossen.

Dass das Coronavirus eine Gefahr ist, lässt sich doch kaum bestreiten. Oder glauben Sie, dass da übertrieben wird?

Ich erkläre mir diese Maßnahmen als „Schockstrategie“ im Sinne von Naomi Klein. Ich bin kein Experte, aber es gibt weltweit Experten, die anderer Meinung sind, als die uns vorgeführten, die der Meinung sind, dass die Gefährlichkeit nicht höher ist als bei bekannten Grippe-Formen.
Wieso werden keine Zahlen genannt, die das widerlegten? Weil es die nicht gibt, es gibt nur Zahlen, die belegen, dass es bei dieser Krankheit bisher weniger Tote gibt, als bei den vorangegangenen Formen, erst recht weniger als die Millionen, die angenommen worden waren.
Deshalb komme ich dazu, dass das Virus gemäß der Schockstrategie dafür herhalten muss, andere Ziele durchzusetzen: Digitalisierung aller Bereiche der Gesellschaft, Marktbereinigung, Abschaffung des Bargeldes, Überwachung der Bevölkerung, Einübung in die Niederschlagung sozialer Kämpfe, die angesichts der Wirtschaftskrisen in den nächsten Jahren noch entstehen werden.

Was halten Sie von der Behandlung des Themas durch die Medien?

In die Augen sticht die Linientreue der Meinungsbildenden Medien, wie wir sie auch in anderen Fragen kennen, wie bei der Kriegspolitik, aber hier noch totaler, rigoros nur eine Linie zulassend, die Behandlung des Themas in immer der gleichen Richtung, Dauerbeschallung, Desinformation, Hofberichterstattung. Alles dies dient der Angststeigerung und der Förderung des Autoritarismus.
Anders bei den sogen. Sozialen Medien: dort und nur dort findet man kritische Auseinandersetzung und es kommen kritische Experten zu Wort. Die Form der Verurteilung, Diffamierung, des unsachlichen Niveaus, man muss schon sagen „unter der Gürtellinie“, wenn nicht sogar von lebensbedrohlicher Einschüchterung erinnert an die übelsten Seiten von Religionskriegen.
Was bedeuten die Einschränkungen wie die Kontaktsperre für Menschen mit psychischen Erkrankungen, etwa für Depressive? Wie wirkt sich das Klima auf eher angstvolle Charaktere aus?
Für sehr viele Menschen sind die Maßnahmen verheerend, nicht nur für Menschen mit psychischen Problemen. Die Gefahr der Hoffnungslosigkeit ist groß. Man braucht sich nur klar zu machen, dass diese Menschen dringend auf den Kontakt räumlich anwesender Personen, nicht nur Therapeuten, sondern auch anderer Menschen ihres persönlichen Umfelds angewiesen sind, um sich das Ausmaß ihres zusätzlichen Leids vorstellen zu können.

Vor dem Virus müssen ja vor allem Alte und Vorerkrankte Angst haben? Dennoch klagen viele abgesicherte Mittelschichtler über Probleme im Homeoffice oder dass Sie ihr Geld vom Reiseveranstalter nicht zurückbekommen. Sind das nicht Luxussorgen?

Luxussorgen würde ich das nicht nennen, Eingesperrt-Sein zu Hause, Mangel an wichtigen Kontakten sind nicht nur für Menschen mit psychischen Problemen belastend, sondern erzeugen solche Probleme auch, erst recht wenn dann noch Home schooling dazu kommt, die unbeschäftigten Kinder sind unerträglich, Spannung und Gewalt in Familien nimmt zu.

*Klaus-Jürgen Bruder ist Psychoanalytiker, Professor für Psychologie an der Freien Universität Berlin, Vorsitzender der Neuen Gesellschaft für Psychologie mit der er seit 10 Jahren interdisziplinäre Kongresse organisiert, sowie unter anderem Herausgeber der Schriftenreihe »Subjektivität und Postmoderne« im Gießener Psychosozial-Verlag. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Geschichte der Psychologie, Psychoanalyse, Pragmatismus, Postmoderne, Jugendkultur, Geschlechterbeziehungen, Diskurs der Macht