Wer den Titel des TAGESSCHAU-Beitrages vom 26. 01. 2016 gelesen hat – „Ich beiße den Bankern die Kehle durch" – der hätte meinen können, der ARD-Beitrag habe einfach nur verspätet den tausenden, armen US-Bürgern gegolten, die im Gefolge der US-Bankenkrise ihre Häuser verloren haben. Damals hatte die TAGESSCHAU (am 26.09.2008) allerdings für die Opfer des gigantischen Bank-Raubzuges nur die mitleidlose Bemerkung über „leichtsinnige Käufer“ übrig. Jetzt aber, wo es in Russland ein Banken-Immobilien-Problem gibt, das vergleichsweise nur mit der Lupe zu erkennen ist, da dreht die TAGESSCHAU voll auf. Und natürlich sind nicht mal die kapitalistischen Verhältnisse in Russland so richtig schuld. Sondern doch lieber der Staat, wahrscheinlich Putin persönlich.
Schon lange machen die ARD-Spezialisten Bräutigam und Klinkhammer auf den Gesinnungs-Journalismus der TAGESSCHAU-Truppe des NDR aufmerksam. Und sie bekommen sogar Antworten. Häufig schreibt ihnen Frau Dagmar Pohl-Laukamp die Vorsitzende des NDR-Rundfunkrats. Sie hatte nach ihrer Wahl behauptet: „Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft eine wichtige Aufgabe zu. Um sie zu erfüllen, bedarf es immer wieder neuer Anstrengungen.“ Ihre Anstrengungen bei den Beschwerden der Bürger erschöpfen sich gern in der immer gleichen Formulierung: „Der Rundfunkrat hat sich mit ihrer Beschwerde befasst . . und Ihre Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.“ Kein Argument, kein Gedanke, kaum eine Variante ist zu lesen. Wahrscheinlich hat sich die intellektuelle Potenz der ehemaligen Oberstaatsanwältin und Senatorin der Hansestadt Lübeck für das Dezernat Allgemeine Verwaltungsaufgaben mit diesen paar Sätzen erschöpft. Und den „Zusammenhalt der Gesellschaft“ sieht sie offenkundig in der Hirn-Betonierug der TV-Zuschauer durch ideologisierte, journalistisch armselige Beiträge gewährleistet.
Eingabe: Proteste in Moskau: "Ich beiße den Bankern die Kehle durch"
26. Januar 2016 - 11:12 Uhr
http://www.tagesschau.de/ausland/russland-oelpreis-101.html
Sehr geehrter Herr Marmor,
nun seit letzten Monat schon das siebente Mal: nach Frau Stöber nun Frau Virnich. Auch sie berichtet über wirtschaftliche Schwierigkeiten in Russland, die Geschichte vom bösen Russen und seiner dysfunktionalen Volkswirtschaft. Diesmal ist der Ölpreis Grund für das russische Dilemma, gestern waren es die fehlenden Investitionen in der russische Wirtschaft. Ob es morgen die rechtswidrigen Sanktionen des Westens sein werden? Nein, die spielen natürlich keine Rolle bei unseren Propagandafreaks um Virnich, Atai, Großheim oder Lielischkies.
Ausgewählt als "Leidensdarsteller" der russischen Bevölkerung hat man sich diesmal Vertreter der etwas betuchteren Kreise, also diejenigen, die es sich leisten können, sich im superteuren Moskau eine Wohnung zu kaufen, nicht in Rubel, wie die Durchschnittsbürger, sondern spekulativ in Dollar-Währung.
Wegen des Ölpreisverfalls ging das Kalkül aber schief. Nun ist der Jammer groß. Und Frau Virnich in ihrem Element: "Druck machen", ein Hauch von Maidan kommt auf. Erst einmal geht es gegen die Banken, die den „armen" Mittelschichtlern wohl die Wohnunge klauen wollen; dann ist es der Staat, der sie im Stich gelassen hat. "Der Staat unterstützt nur die Banken" ist der Tenor des Protestes, den Frau Virnich rüberbringt (als ob es sich in Merkel-Schäuble-Deutschland anders verhielte).
Und Frau Virnich hat nun auch noch einen zusätzlichen Feind im Visier: den Sicherheitsdienst der Bank. Er "droht" ihr mit gerichtlichen Schritten, weil sie ohne Genehmigung dreht, sie soll das Gebäude sofort verlassen. Aber Frau Virnich ist die Heldin des Tages, die Menschen wollen, dass sie zum Drehen bleibt, weil die russischen Medien dieses Thema totschweigen.
Als dann die Polizei kommt, sorgt sich Frau Virnich draußen vor der Tür weiter um das russische Wohl : "Die russische Wirtschaft am Abgrund, wie soll sie sich von der Abhängigkeit vom Öl lösen?" Frau Virnichs TV-Ausflug endet schließlich symbolträchtig vor dem Kreml: Die Protestierenden fühlen sich verraten von den Banken und – wie sollte es anders sein – von Putin, dem bösen. Die Bürger wollten nach wie vor für ihre Wohnungen zahlen, aber "es müsse eine gerechte Regelung geben".
Natürlich fragt man sich, was mit diesem Beitrag bezweckt wird:
Wer langfristige Kredite in fremden Währungen aufnimmt, muss wissen, dass er Risiken eingeht, erst recht, wenn die westlichen Freunde Sanktionen gegen Banken erlassen. Einen ähnlichen Effekt gab es kürzlich beim plötzlichen Aufwerten des Schweizer Franken. Bei den Anlegern gab es einen Katzenjammer, aber wer hat Mitleid mit Spekulanten? Frau Virnich, wie man sieht, weil es die ihr seelenverwandte Sorte Russen sind.
Von dem Einzelfall lässt sich billig eine politische Stimmung in Russland herbeireden, die man in deutschen Medien so liebt. Niedergang und Trouble. Und was sich als Stereotype zusätzlich gut in solchem Propagandaprodukt unterbringen lässt: Vorwürfe über einseitige Medien, drohende Sicherheitsdienste und allmächtige Polizei. Es ist die übliche Russophobie, auf die Autorin und Redaktion hier wieder einmal setzen und die zu verstetigen sie beabsichtigen...
Es ist ein weiteres überzeugendes Beispiel für die Manipulation der Fernsehzuschauer daraus geworden. Unter der Vorgabe, sie wolle die Lage der Menschen in Russland nach dem Ölpreisverfall schildern, liefert uns Frau Virnich einen Bericht in reinem Schwarz-Weiß. Ohne auch nur einmal das überall geltende Problem von Risikogeschäften zu benennen, macht sie klar, wer hier nach ihrer Meinung der Räuber ist und wer das Opfer: Banken und Putin die einen, arme Bürger die anderen.
Sie weckt Sympathien und Antipathien, minimiert die Verantwortlichkeit der einen Seite und überhöht sie auf der anderen. Es geht ihr nicht um gesicherte Fakten, sondern um Gefühle für "Häusle-Bauer" und gegen Putin. Es geht ihr nicht um Rationales sondern um Emotionen.
Und das alles in einem sozialen Mikrokosmos, der ersichtlich keine gesellschaftliche Relevanz ausweist. Umgekehrt bei uns: Wer würde diesen publizistischen Aufwand ernsthaft treiben, wenn in Deutschland Banken wegen der Zahlungsunfähigkeit einiger allzu risikobereiter Kunden die Zwangsvollstreckung betreiben würden? Herr Gniffke und Frau Virnich?
Nein, die wollten ihr deutsches Publikum wieder einmal mit einem antirussischen Propagandastückchen darüber belehren, wie böse doch dieser Putin ist. Auch solche Propaganda auf öffentlich-rechtlichem Kanal ist jedoch ein Verstoß gegen die Programmrichtlinien.
Mit höflichem Gruß
F. Klinkhammer + V. Bräutigam
F. Klinkhammer + V. Bräutigam