Durch alle Kanäle läuft zur Zeit der „ARD-Deutschland-Trend“ und der sieht den Kanzlerkandidaten der SPD als Sieger im Vergleich zur amtierenden Kanzlerin: 50 Prozent der Befragten hätten bei einer Direktwahl lieber Martin Schulz als Kanzler. Nur 34 Prozent möchten noch ein paar Jahre Merkel absitzen. Noch schöner für die SPD erscheint die Antwort auf die Frage, wer denn die nächste Regierung führen soll: Sagen doch 50 Prozent, das mache die SPD besser als die CDU, der diese führende Rolle nur noch von 39 Prozent zugetraut wird. Das sagt natürlich nur wenig über das reale Wahlverhalten der Deutschen im September, am Tag der Bundestagswahl. Aber es ist die interessante Momentaufnahmen einer Wechselstimmung.

Gern wird die Qualität der Befragungsergebnisse bezweifelt. Aber die Ergebnisse weichen – das ist zum Beispiel bei den Wahlprognosen sichtbar – nur wenig von den tatsächlichen Stimmungen ab. Die Manipulation liegt in den Fragen: Welche werden nicht gestellt? Und wie werden sie gestellt? Zum Beispiel ist eine Frage wie „Soll Deutschland sich an einem Krieg in der Ukraine beteiligen?“ nie gestellt worden obwohl die Gefahr groß war. Und eine Frage nach dem Bundeswehr-Einsatz in Mali stellte bisher auch keiner. Auch so eine simple Frage wie „Sollen deutsche Soldaten in Afghanistan fürs Brunnenbohren sterben?“ wurde sicherheitshalber nie erhoben. Aber die Fragen zu Schulz-Merkel bieten kaum Möglichkeiten der Fälschung.

Interessant im aktuellen Deutschland-Trend ist ein scheinbares Nebenthema: 65 Prozent der Befragten halten es für richtig, wenn Arbeitslose – wie von Schulz bei einer SPD-Konferenz vorgeschlagen – länger Arbeitslosengeld I bekommen, damit sie nicht in Hartz IV landen. Sogar 67 Prozent finden es auch richtig, dass zeitlich befristete Arbeitsverträge nur noch bei sachlichen Gründen möglich sein sollen. Diese unpräzisen Vorschläge von Schulz sind jene Morgenluft, die dem SPD-Kanzlerkandidaten den Aufwind verschaffen. Die Wünsche der Deutschen werden in den Hartz-Vier-Umfrage-Ergebnissen deutlicher als in den anderen Antworten: Sie wünschen sich einen Wechsel zwecks „sozialer Gerechtigkeit“.

Was macht die größte Oppositionspartei im Bundestag aus dieser spannenden Momentaufnahme? Nimmt Die LINKE die SPD beim Wort? Und sei es auch nur, um die Ernsthaftigkeit der Sozialdemokratie öffentlich zu testen. Jetzt wäre der Moment, um eine Wechselstimmung in parlamentarische Münze umzuwechseln: Ein Gesetzesantrag zur Revision der asozialen Agenda 2010 muss jetzt auf den Tisch des Bundestages. Nicht auf den Wahltag warten! Welche Stimmungen dann herrschen, ist nicht vorhersehbar. Jetzt ist der Moment die wenigen Vorteile einer parlamentarischen Präsenz für politische Bewegung zu nutzen: In aller Öffentlichkeit, die nur ein Parlament und seine angeschlossenen Lautsprecher bieten, eine soziale Forderung zu stellen, die, siehe Umfrage, tatsächlich die Massen bewegt. Mach was draus, LINKE.

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Gut geschrieben. Danke.
Möchte noch hinzufügen, dass die Sozialen Bewegungen auf die Straße müssten, allein um der LINKEn jetzt den Rücken zu stärken.
Ich glaube eh, dass die SpezialdemokRATEN die Bevölkerung wieder einmal verRATEN werden.
Wenn ich...

Gut geschrieben. Danke.
Möchte noch hinzufügen, dass die Sozialen Bewegungen auf die Straße müssten, allein um der LINKEn jetzt den Rücken zu stärken.
Ich glaube eh, dass die SpezialdemokRATEN die Bevölkerung wieder einmal verRATEN werden.
Wenn ich mir hier in Marburg angucke, wie der sozialdemokratische OB gerade den Sozial- und Kulturetat schröpft, anstatt den Pharma- und VermögensbeRATungsunternehmen höhere Steuern auzudrücken (die dann endlich im deutschen Durchschnitt lägen).

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Johannes M. Becker, Privatdozent Dr.
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Danke Herr Gellermann, das ist wahrhaftig notwendig. Und wenn die LINKE im Parlament, mit Blick auf die Wahlen, nichts tut? Dann bleibt die Idee von Fidel Castro zusammen mit Ernesto Che Guevara, die haben gesagt: ?Wenn die LINKEn ihre Pflicht...

Danke Herr Gellermann, das ist wahrhaftig notwendig. Und wenn die LINKE im Parlament, mit Blick auf die Wahlen, nichts tut? Dann bleibt die Idee von Fidel Castro zusammen mit Ernesto Che Guevara, die haben gesagt: ?Wenn die LINKEn ihre Pflicht nicht tun, müssen wir mit denen zusammenarbeiten, die so handeln wie Linke!?

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Der Linksliberale
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Ausgezeichnet! Bisher habe ich nur von Sahra Wagenknecht einen solchen Vorschlag gehört. Wann wachen andere Vertreter der Linken Parteispitze auf und tun das Gleiche?

Klaus Buschendorft
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Gibt es dazu ein Zitat von Frau Wagenknecht?

Uli Gellermann
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Ja es gibt ein Zitat von Sahra, ihr Pressemitteilung vom 20.02.2017, dazu u.a. :

"Statt im Wahlkampf nur große Hoffnungen zu wecken, die später nicht eingelöst werden, sollte die SPD die vorhandene Mehrheit mit Linken und Grünen im Bundestag in...

Ja es gibt ein Zitat von Sahra, ihr Pressemitteilung vom 20.02.2017, dazu u.a. :

"Statt im Wahlkampf nur große Hoffnungen zu wecken, die später nicht eingelöst werden, sollte die SPD die vorhandene Mehrheit mit Linken und Grünen im Bundestag in den verbleibenden Monaten bis zur Wahl zur Einleitung dringend notwendiger Veränderungen nutzen. Martin Schulz darf mit dem Wunsch großer Teile der Bevölkerung nach einer sozial gerechteren Politik kein falsches Spiel treiben. Auch, weil das den Glauben an die Demokratie in Deutschland bei vielen wohl restlos zerstören würde. Es macht misstrauisch, dass die SPD die vorhandene Mitte-Links-Mehrheit im Bundestag für die Umsetzung der Forderungen ihres Kanzlerkandidaten nicht nutzen will. Es ergibt keinen Sinn, mit den dringend notwendigen Beschlüssen bis nach der Bundestagswahl zu warten, insbesondere weil die Forderungen nach einer Verlängerung des Arbeitslosengeldes I, einer Eindämmung von Befristungen und Leiharbeit, einer wirksame Begrenzung der exze ssiven Manager-Bezüge oder einer Mietpreisbegrenzung plus einer Steigerung des sozialen Wohnungsbaus dringend notwendig sind. Niemand weiß, wie die Mehrheiten nach der Bundestagswahl aussehen werden. Wer aktuell vorhandene Mehrheiten nicht nutzt, um die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern, setzt sich dem Verdacht aus, die eigenen Forderungen nicht besonders ernst zu nehmen."

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Der Linksliberale
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Das ist ein sehr kluges Zitat von Frau Wagenknecht. Aber noch beschreibt sie keine eigene parlamentarische Aktivität der Linkspartei in dieser Sache.

Uli Gellermann
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Und wenn die LINKE diesem klugen Vorschlag von Gellermann nicht folgt? Dann entlarvt sich ihr ganzer parlamentarischer Auftritt als unnützes Getue.

Petra Weber
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......dein Wort in Gottes Gehörgang, lieber Uli.
Nun ist die LINKE, die im Deutschen Bundestag sitzt, von mir übrigens mit einiger Hoffnung auch gewählt worden. Wo sind die Positionen, die ohne wenn und aber, nicht nur verteidigt, sondern...

......dein Wort in Gottes Gehörgang, lieber Uli.
Nun ist die LINKE, die im Deutschen Bundestag sitzt, von mir übrigens mit einiger Hoffnung auch gewählt worden. Wo sind die Positionen, die ohne wenn und aber, nicht nur verteidigt, sondern eingefordert werden ? Dafür einstehen, wofür, sie denn auch von mir gewählt wurden: Nämlich die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Menschen im Land zu verbessern. Das ist und bleibt die Bestimmung einer LINKEN, denn, wenn sie dieses nicht tut, haben sie ihre Berechtigung verloren, und sollen verschwinden. Sie bedienen sich, wie die anderen am gut gefüllten Honigtopf, der von denen gefüllt wird, die unter den Arbeitsbedingungen, unter der Macht derer leiden, die willkürlich, großkotzig Arbeit verteilen, und sie auch wieder hinaus befördern können, wenn es passt. Die LINKE mag in ihrem Wahlprogramm RAUS AUS DER NATO stehen haben, allerdings die, die ihre Nase in die Medien stecken, halten sich oft eher geschlossen. Wahlprogramme können nur eine Bedeutung haben, wenn sie ernst genommen werden können, und sie nicht nur die gesellschaftliche Realität widerspiegeln, sondern erkennbar sind und bleiben, mit den Forderungen der Veränderung in den Macht- und Kräfteverhältnissen im Land. Nun, wir werden sehen. Die LINKE ist nicht eindeutig, viel zuviel hin und her. Grabenkämpfe, den eigenen Leuten in den Rücken fallen, was besonders Sahra Wagenknecht erfahren musste, und Kipping, Bartsch, und van Aaken ? Na, da hab ich so meine Zweifel, wofür die denn nun wirklich stehen. Eine LINKE muss etwas riskieren, gegen alle Widerstände, unabhängig vom Honigtopf, und auch unabhängig von einer möglichen Regierungsbeteiligung.
Sie muss Mut, Kraft, Stärke haben. Eine LINKE darf nie vergessen, warum und vom wem sie gewählt wurde wissen, und auf welcher Seite sie steht.. Der Zusammenschluss 2005 hatte leider keine revolutionäre Theorie zur Grundlage, ohne die es eben, aus meiner Sicht nicht geht. So ist es ein Flickenteppich von vielen, die sich als links verstehen, und andere LINKE im eigenen Haus, bekämpfen.
Vielleicht fällt der Groschen, und sie tuen etwas, wo denn keiner mit rechnet:.
Sie greifen Ulis Vorschlag auf, und zeigen, dass der Heilsbringer der sPD ins Märchen, des Kaisers neue Kleider, gehört. Nur dann gibt es wohl keinen, möglichen Koalitionspartner mehr. Wer aber will denn in einer Reihe mit Kriegsverbrechern, mit Unterstützern von Altersarmut, von Niedriglöhnern und seit längerem auch, Tagelöhnern, von minderjährigen, geflüchteten Kindern und Jugendlichen, alleine in Deutschland, Tausende, wo keiner weiß, wo sie sind, stehen ? Sicherlich alles in allem eine ziemliche Herausforderung, die mit Haltung, Mut, und dem notwendigen Kampfesgeist zu bewältigen ist.Bei dieser LINKEN bleiben berechtigte Zweifel.
Im übrigen um Missverständnisse zu vermeiden; Die Differenzierung ermöglicht, einige von den LINKEN ausschließen zu können, da sie doch eindeutigere linke Positionen vertreten,, doch es müssen mehr werden.

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Ulrike Spurgat
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Mein Draht zu Herrn Gott ist anerkannt schlecht. Den Gehör-Gang sollte Bodo der Ministerpräsident von Thüringen Bodo Ramelow (Die LINKE) übernehmen: Der ist katholisch.

Uli Gellermann
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Ist Die Linke nicht auch Holz vom Holze der Schröder, Schulz & Consorten: aussen rosa, innen hohl? Ändern Umfrageergebniss das parlamentarische Systeme und seine Marionetten? Sie sagen Gerechtigkeit und meinen das Zipfelchen Macht am Rocksaum der...

Ist Die Linke nicht auch Holz vom Holze der Schröder, Schulz & Consorten: aussen rosa, innen hohl? Ändern Umfrageergebniss das parlamentarische Systeme und seine Marionetten? Sie sagen Gerechtigkeit und meinen das Zipfelchen Macht am Rocksaum der herrschenden Klassen. Das Gegenteil zu beweisen, steht aus. Noch, immer noch.

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Paulo H. Bruder
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Der Vorschlag ist genial. Ob die SPD solch einen Vorschlag der Linkspartei unterstützen würde oder nicht (ich fürchte eher nicht) ist fast egal. Das Thema soziale Gerechtigkeit würde mit einer ganz anderen Wucht und Seriosität auf die öffentliche...

Der Vorschlag ist genial. Ob die SPD solch einen Vorschlag der Linkspartei unterstützen würde oder nicht (ich fürchte eher nicht) ist fast egal. Das Thema soziale Gerechtigkeit würde mit einer ganz anderen Wucht und Seriosität auf die öffentliche Tagesordnung kommen und aus dem Wahlkampf-Sätzchen von Schulz könnte der ernsthafte Beginn einer neuen Debatte um die "Abgehängten" im Land werden.

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Vera Brenner
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Lieber Uli,
hab‘ herzlichen Dank für diesen Artikel. Ich finde die politische Richtung, die Du einschlägst völlig überzeugend – für mich zumindest. Diesen Mix, schnell und überzeugend selbst zu agieren und auf die SPD Druck zu machen, müssen wir...

Lieber Uli,
hab‘ herzlichen Dank für diesen Artikel. Ich finde die politische Richtung, die Du einschlägst völlig überzeugend – für mich zumindest. Diesen Mix, schnell und überzeugend selbst zu agieren und auf die SPD Druck zu machen, müssen wir mit Sicherheit besser erlernen. Ich habe den Artikel auch unseren „ChefInnen“, also Sahra, Heike Hänsel, Dietmar Bartsch und Jan Korte, empfohlen und werde Dich auf dem Laufenden halten, wenn ich dazu Reaktionen bekomme. Ich selbst versuche noch mehr, es so zu praktizieren.

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Wolfgang Gehrcke, MdB
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Um eine wirkliche Koalitionsmöglichkeit zu bekommen, müsste Wagenknecht geschasst werden, oder glaubt jemand, dass die SPD so mit der Linken koaliert?
Das vorgeschlagene werden die linken bewusst nicht machen, um die SDP nicht zu gefährden. Durch...

Um eine wirkliche Koalitionsmöglichkeit zu bekommen, müsste Wagenknecht geschasst werden, oder glaubt jemand, dass die SPD so mit der Linken koaliert?
Das vorgeschlagene werden die linken bewusst nicht machen, um die SDP nicht zu gefährden. Durch diese Macht-Spielchen werden beide verlieren und Merkel wird wieder große Koalition machen. Oder glaubt jemand, dass Schulzes Höhenflug nachhaltig sein wird?
Die Wahlen in D. werden leider nichts verbessern.

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Bernd Engelking
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Sie sind schon bei Koalitionen. Ich bescheide mich mit einem einfachen Gesetzes-Vorschlag. Der immerhin schon bei einem Spitzen-LINKEN – Wolfgang Gehrcke, s. Leserbrief weiter unten – eine positive Resonanz gefunden hat.

Uli Gellermann
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