Als die deutsche Kanzlerin vor drei Jahren im August den lässigen Satz "Wir schaffen das" von sich gab, meinte sie leider nicht den Berliner Flughafen BER. Zu diesem Zeitpunkt war der Hauptstadt-Flughafen schon seit Jahren in einem rettungslosen Zustand organisatorischer Inkompetenz. Der Bau hätte energischen Zuspruch brauchen können. Ist der doch ein deutsches Aushängeschild. Als Frau Merkel noch meinte, dass "wir" das schaffen, lagen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 1,3 Millionen Asylanträge vor. Das von Merkel eingeforderte WIR wurde gut erkennbar, als sich bis zu acht Millionen Menschen ehrenamtlich für die Flüchtlinge engagiert hatten. Ohne sie wäre das Land, dessen öffentlicher Dienst seit vierzehn Jahren keinen Flughafen fertig bauen kann, ins Chaos der Hilflosigkeit versunken. Frau Merkel hat unter anderem für ihren humanitären Einsatz für Flüchtlinge den renommierten Four-Freedoms-Award erhalten. Über die Helfer der ersten Stunde in der Flüchtlingsnot redet niemand mehr.

Ein paar Jahre vor Merkel, am 14. März 2003, hatte ein anderer Kanzler, Gerhard Schröder, im Bundestag gefordert: "Wir müssen den Mut aufbringen, in unserem Land jetzt die Veränderungen vorzunehmen, die notwendig sind, um wieder an die Spitze der wirtschaftlichen und der sozialen Entwicklung in Europa zu kommen." Auch er redete vom WIR und meinte, WIR müssten "Leistungen des Staates kürzen", "mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern". Schon vor der Amtszeit des SPD-Kanzlers hatte der Zug öffentlicher Rationalisierung Fahrt aufgenommen, nach und mit Schröder fuhr er schneller: Von 1991 bis 2010 ist die Zahl der Staatsbediensteten um 1,6 Millionen gesunken; das sind über 30 Prozent. Knapp die Hälfte des Stellenabbaus folgte daraus, dass der Staat Wirtschaftsunternehmen wie die Bahn oder die Post, Krankenhäuser und Hochschulen zunehmend aus den Kernhaushalten ausgliederte.

Fast jeder kennt das aus eigener Erfahrung: Schlangen vor den Ämtern, überfordertes Personal in den Krankenhäusern, verschlissene Schulen, kaputte Straßen und Brücken. – Jüngst in Chemnitz konnten rechte Schläger zeitweilig eine Stadt übernehmen und Jagd auf Menschen machen: 300 Polizisten standen 7000 Rechten scheinbar hilflos gegenüber. Selbst wenn in diesem Fall politische Absicht Regie führte: Auch die Polizei wurde ausgedünnt, verschlankt, verkürzt: 22 Millionen zusätzliche Stunden haben Beamte im vergangenen Jahr leisten müssen, das entspricht der Arbeitskraft von 10.000 Polizisten. Das sind die Polizisten, die fehlen. In fast allen öffentlichen Sektoren geht "Privat vor Staat". Weil die Privaten angeblich alles besser können. Ganz sicher können sie besser Geld verdienen.

So wie der Staat gern in jenen Bereichen spart und rationalisiert, in denen er seinen Bürgern dienlich sein sollte, so gibt er gern Geld für Überwachung aus: Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen will seine Behörde massiv vergrößern. Die Zahl der Stellen soll um mehr als 50 Prozent steigen. Es geht um jene Bürokratie, die den rechten Terror mit Spitzeln unterstützt und steuert. Es geht um ein Amt, das der AfD Tips zur Vermeidung von Problemen gibt. Es geht um jenen vorgeblichen Schutz, der seine Spitzel auch im Umfeld des Attentäters vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, platziert hatte. Amri wäre nicht der erste Islamist, der als Agent für Behörden arbeitet.

Bis heute schafft der Staat sich bei der Linderung sozialer Probleme ab. Der aktuelle deutsche Staat arbeitet als Schutzmacht für Konzern-Interessen. Die Diesel-Affäre ist nur das bekannteste Beispiel für seine Handlanger-Tätigkeit. Seine Wirtschaftsförderung für Rüstungskonzerne durch Auslandseinsätze und ungehinderten Waffen-Export in alle Welt dient auch der Steigerung von Flucht-Zahlen: 11.027 Menschen aus Mali sind im Jahr 2017 geflohen und haben einen Asylantrag in anderen Ländern gestellt. Darunter auch in Deutschland. Sie kamen aus jenem Land, in dem die Bundeswehr angeblich einen Friedenseinsatz durchführt. Aus Afghanistan, einem weiteren Land, in dem die Bundeswehr zwecks Marketing für deutsche Waffen unterwegs ist, haben es im letzten Jahr trotz aktiver Flüchtlingsabwehr, 16.400 Menschen nach Deutschland geschafft. Afghanistan? Ein fremder Kontinent für den geschafften Staat. Von Merkel bis Gauland: Wer mag schon über Fluchtursachen reden.

Von einer Eröffnung des Hauptstadt-Flughafens ist frühestens im Herbst 2020 auszugehen. Das teilt uns irgendeine Behörde mit. Die Bürger heben bei dieser Nachricht kaum noch den Kopf. Selbst Kabarettisten schweigen inzwischen über die Inszenierung eines gescheiterten Staates. Ein Staat, über den nicht mal mehr Witze gemacht werden, sollte Kondolenz-Bücher auslegen. Oder Zettel an die Eingänge seiner Ämter hängen: Wegen Unfähigkeit geschlossen.

Der Referent muss die Verantstaltung leider absagen!!!!!!

Neuer Kriegsherd in Nahost?
Tsafrir Cohen spricht über den Israel-Iran Konflikt
Veranstaltung im Buchhändlerkeller Berlin am 18-09-2018 um 20:30 Uhr
Moderation: Uli Gellermann

Der US-Ausstieg aus dem Atom-Abkommen folgt einem allmählich entzifferbaren außenpolitischen Kurs, der berechenbare multilaterale Übereinkünfte, wie das Pariser Klimaabkommen, zugunsten einer Politik nationaler Egoismen grundsätzlich ablehnt. Die regionalen Nahostmächte Saudi-Arabien und Israel begrüßen die neue Iran-Politik der USA und hoffen auf eine Allianz, deren Ziel ein von außen forcierter Regimewechsel im Iran ist. Es ist ein Spiel mit hohem Risiko, denn in der Folge könnten die radikalen Elemente des Regimes im Iran das Atomprogramm erneut aufleben lassen, Oppositionskräfte als eine von den USA gesteuerte Fünfte Kolonne porträtieren und, falls das Sanktionsregime wieder erstarkt, die regimetreue Schattenwirtschaft ausbauen, um ihre Machtposition innerhalb Irans auf Kosten anderer Elemente der iranischen Gesellschaft zu stärken. In Israel wiederum nützt die Regierung Netanjahu diesen Konflikt bewusst, um eine immer nationalistischere Politik zu betreiben und die israelische Demokratie auszuhöhlen. Dabei nehmen die beiden Parteien die Gefahr eines Flächenbrandes bewusst in Kauf – mit unübersehbaren Folgen weit über die Region hinaus. Tsafrir Cohen geht auf das innen- wie aussenpolitische Kalkül der Akteure ein.

Tsafrir Cohen wurde 1966 in Tel Aviv geboren und lebt seit 1986 in Berlin. Nach langen Studien- und Arbeitsaufenthalten in Kairo, Ramallah (2007-10 als Repräsentant der Menschenrechtsorganisation medico international für Israel und Palästina, dann Nahostreferent für medico international), in London und Frankfurt am Main leitet er seit 2015 das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Buchhändlerkeller-Berlin
Carmerstraße 1
10623 Berlin - Charlottenburg

Link zum Artikel "Die unheilige Allianz Saudi-Arabien und Israel":
https://www.rationalgalerie.de/kritik/die-unheilige-allianz-saudi-arabien-und-israel.html