Niemand wäre ein besserer künftiger EU-Parlamentspräsident gewesen als der belgische EU-Abgeordnete Guy Verhofstadt. Der Mann, der sich um die Nachfolge von Martin Schulz bewirbt, ist die Inkarnation des korrupten, antidemokratischen Dunkelmannes: Von der belgischen Investmentgesellschaft Sofina steckte er 130.500 Euro zur linken Hand ein, von der belgischen Gastanker-Reederei Exmar bekam er 60.000 Euro fürs Zuhören und Schweigen, von der niederländischen Versicherungsgesellschaft APG nahm er mit Vergnügen 42.840 Euro, um sein schlechtes Gehalt aufzubessern. Denn von 8.000 Euro monatlich fürs Absitzen – ausgepolstert nur durch eine unkontrollierte Kostenpauschale von 4299 Euro im Monat – kann so ein flotter Abgeordneter wie Verhofstadt natürlich nicht leben. In der Griechenlandkrise pöbelte er den griechischen Ministerpräsidenten Tsipras sieben Minuten lang unqualifiziert an, warf ihm Klientelismus vor, saß aber selbst gleichzeitig im Aufsichtsrat eines Unternehmens, das von den Privatisierungen in Griechenland profitierte. Nur so geht EU: Lobbyismus und Scheinparlamentarismus bestimmen den Gang des EU-Parlamentes. Das alles symbolisiert Guy Verhofstadt perfekt.

Aber der hochgelobte ‚Vollbluteuropäer‘ Verhofstadt machte bei seiner Bewerbung um den Job als Parlamentspräsident einen Fehler. Nicht, dass bei ihm noch mehr Geld aus dunklen Quellen aufgedeckt wurde, das hätte ja wie bisher eher seine Eignung bewiesen. Nein, er wollte, um seine Wahl nur ja abzusichern, einen Deal mit der italienischen 5-Sterne-Bewegung fingern. Aber die gelten nun mal als EU-kritisch. Das hat Manfred Weber aus Niederhatzkofen, den Fraktionsvorsitzenden der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), nicht ruhen lassen: Um die Kandidatur des belgischen Liberalen zum Platzen zu bringen, zog er ein Geheimpapier aus der Tasche. Seit 2014 ist das Papier streng unter Verschluss  -– obwohl jeder in Brüssel wusste, was drin steht: Sozial- und Christdemokraten teilen sich den Präsidentenposten, mit Zustimmung der Liberalen: Zweieinhalb Jahre machte Martin Schulz den Job, dann sollte ein Konservativer übernehmen. So geht die spezielle EU-Demokratie. Nicht, dass die EU-Parlamentarier ernsthaft was zu sagen hätten: Entscheidungen fallen immer in der Europäischen Kommission, bei den Vertretern der nationalen Regierungen. Nicht, dass die Bevölkerung der EU jemals ernsthaft über die Verfassung der Union hätte entscheiden können. Aber das Dekorum, der demokratische Tarnanstrich, den hätte man doch gern gewahrt. 

Jetzt schreit Manfred Weber in höchster Not, damit er seinem konservativen Kandidaten die monatlich rund 18.000 Euro an steuerfreien Zuschlägen zum fetten Grundgehalt sichern kann, das offene Geheimnis auf dem Markt aus: Ätsch, auch in diesem EU-Fall wird nichts gewählt, blödes Wahlvolk, der Parlamentspräsident wird im Hinterzimmer ausgekungelt. – Manfred Weber ist eine Blüte der Eurokratie. Er ist der Vertreter einer „christlich-konservativen und liberalen Erneuerung“, und sagt deshalb: “Wir müssen zurück zu Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit finden“. Christlich heißt für ihn offenkundig, dass Bescheissen unter das Beichtgeheimnis mit eingebauter Absolution fällt. Aber Weber hat tolle Gründe für den Pakt gegen das EU-Parlament und teilt den Wählern mit, das Geheimpapier sei: "Eine Partnerschaft gegen den Extremismus in diesem Haus, gegen die Anti-Europäer." Es könnte doch sein, dass jemand falsch wählt, das müssen die verlässlichen Eurokraten aber schleunigst korrigieren. So geht glaubwürdig. Deshalb ist Weber auch ein Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. Wie soll man sonst das dumme Wahlvolk kontrollieren? Und natürlich ist er auch für die Löschung „extremistischer Webseiten“. Wahrscheinlich gibt es längst ein Papier von den Spitzen der Sozial- und Christdemokraten, in dem festgelegt wird was „Extremismus“ ist. 

Dem „Kampf gegen Extremismus“ ist die EU auch außerhalb ihrer Grenzen verpflichtet. Unter dem Etikett der Terrorismus-Bekämpfung stockt die Bundeswehr gerade ihre Truppen in Mali zu ihrem größten Auslandseinsatz auf. Sicher werden die EU-Bürokraten auch entscheiden wer Terrorist ist. Zwar ist die Operation MINUSMA in Mali UN-basiert, wurde aber auf Betreiben Frankreichs initiiert, um die ökonomischen und militärischen Interessen der alten Kolonialmacht zu sichern. Dass es dort auch um Rohstoffe geht, an denen andere EU-Staaten ebenfalls interessiert sind, lässt die Bundeswehr zu echter Höchstform auflaufen: Ein weiteres Afghanistan zeichnet sich ab. Bald werden 1.000 Soldaten der deutschen Armee dort in den Dienst kapitaler Interessen ziehen. Der malische Bürgerkrieg ist sowohl eine Folge der Unterdrückung der Tuareg als auch der Liquidierung Gaddafis, der Teile der Tuareg an sich gebunden hatte. Aber das interessiert Leute wie Verhofstadt oder Weber nicht. Auch so geht die EU: Als bewaffnete Eingreiftruppe für postkoloniale, europäische Interessen. Diese Rolle der EU könnte sich mit einem US-Präsidenten Donald Trump, der die Westeuropäer zu mehr militärischer Verantwortung auffordert, deutlich steigern.

Die jährlichen Kosten des EU-Parlaments liegen bei zwei Milliarden Euro. Deutlich mehr als 6.000 Menschen sind für Wahlbetrüger wie Weber und Lobby-Gehilfen wie Verhofstadt tätig. Rund 1000 dieser parlamentarischen Mitarbeiter verdienen mehr als ein Abgeordneter zum Europaparlament. Das nennt man Schmutz-Zulage. Denn Tag für Tag den Schein von Demokratie aufrecht erhalten, ist ein schmutziges Geschäft. Raus aus der Europäischen Union wäre ein ordentlicher Schritt hin zu einer bürgerlichen Demokratie, die sich an ihre eigenen Regeln hält.