Demnächst dürfen wir wieder alle wählen, sogar den Bundestag. Alle Deutschen in einem gewissen Alter können dann erneut Kreuzchen machen und werden kurz darauf mit einer neuen Regierung bestraft. Und es geschieht ihnen recht. Viele von ihnen hatten jüngst, bei den Wahlen in NRW, eine zugegeben schlechte Chance, aber sie haben sie nicht genutzt. Statt zu Hause zu bleiben, haben sie einer CDU-FDP-Regierung, mit einer höheren Wahlbeteiligung als zuvor, zum Sieg verholfen.

Nicht, dass eine SPD-Grüne Regierung irgendetwas besser gemacht hätte. Aber auch nicht wirklich schlechter. Die Deutschen haben in Wahrheit keine Wahl mehr. Nehmen wir mal an, die CDU wäre eine echte Alternative zur SPD. Dann hätten wir von Frau Merkel doch Kritik an den Verteilungsverhältnissen hören müssen. Denn in einem Land, in dem die oberen zwei Prozent der Haushalte über 30 Prozent des Gesamtvermögens und die unteren 50 nicht einmal über fünf Prozent verfügen, da weiß man was man machen müsste, wenn man zunehmendes Massenelend und Arbeitslosigkeit überwinden will: Man kehrte zurück zur Adenauerzeit. Damals kam noch mehr als ein Drittel des Steueraufkommens aus Gewinnen, heute sind es kaum noch 15 Prozent. Obwohl die abhängig beschäftigten Steuerzahler immer weniger und die Milliardäre immer mehr werden. Aber Frau Merkel will nicht zurück zu Adenauer sondern nach vorne, zur »Privatisierung«, zur
»Eigenverantwortung«, zur
»Modernisierung«, zu mehr »Reform«.

Hinter den hübsch anzuhörende Metaphern verbirgt sich nur der alte, erbärmliche Sozialabbau. »Privatisierung« heißt zum Beispiel, gut funktionierende staatliche Betriebe zu verkaufen die anschließend für den Nutzer mindestens teurer werden, häufig aber auch noch schlechter. »Eigenverantwortung« bedeutet, mehr in die Krankenkassen zu zahlen und weniger dafür herauszubekommen. »Modernisierung« nennt sich das Mäntelchen, in das sich Studiengebühren kleiden, die nicht die Studienbedingungen verbessern sondern die Zahl der Studenten verringern. Und letztlich ist »Reform« nur eine neues Wort für Beschiss. Das alles ist »vorne«, dort ist der Platz der Merkel, wenn sie Schröder die Vorfahrt nehmen will. Mit »Vorfahrt für Arbeit« hat das natürlich nichts zu tun.


Insbesondere in den letzten 15 Jahre wurde die Umverteilung von Einkommen und Vermögen von unten nach oben erheblich beschleunigt. Der vor 1990 noch existierende Sozialismus war zwar schlecht für die dort Lebenden, aber prima für die Bevölkerung in Westeuropa: Als Alternative, als Drohpotenzial hielt er die besonders gierigen Kapitalisten im Zaum und sorgte für eine gewisse soziale Balance. Von sozialer Marktwirtschaft kann längst nicht mehr die Rede sein. Statt dessen dominiert der »Markt«, eine anarchische, völlig willkürliche Größe, die immer mehr Menschen in die Armut treibt und Deutschland zu einem unwirtlichen, kalten Land gemacht hat.

Mit Wahlen, bei denen immer nur das austauschbare Personal mit den selben Parolen unter unterschiedliche Fahnen herauskommt, ist die soziale Schieflage nicht zu ändern. Das Land braucht ein neues Wahlrecht. Schon das Königreich Preußen kannte das Drei-Klassen-Wahlrecht. Es orientierte sich am Vermögen, von dem behauptet wurde, dass, je größer es den sei desto mehr Bildung und Verantwortung repräsentiere. So ähnlich sollte das neue Wahlrecht auch sein. Nur umgekehrt. Denn richtig wählen, das bedeutet, die eigenen Interessen wahrnehmen. Das will offensichtlich gelernt sein, siehe NRW. Deshalb wird die erste Klasse, deren Vermögen über 10 Millionen liegt, über längere Zeit von den Wahlen ausgeschlossen werden: Wer so viel hat, dessen Interessen sind bereits gewahrt. Die Gruppe darunter, bis zum Jahreseinkommen von 100.000, darf nur bei jeder zweiten Wahl mitspielen und auch nur dann, wenn sie diesen Betrag mit mindestens 25 Prozent versteuert hat. Die dritte Klasse der Wähler kann, nach einem Eignungslehrgang in dem unter anderem das Wort »Interesse« interpretiert wird, zur Wahl zugelassen werden.

Was gewählt werden sollte ist allerdings fraglich, neue Köpfe sind nicht in Sicht.