Der Mufti war´s, Hitler ist es nicht gewesen! So erzählte uns der große israelische Führer Benjamin Netanyahu eine neue Version der Geschichte von der Vernichtung der europäischen Juden noch vor seinem Treffen mit Frau Merkel. Denn darum ging es Israels Premier: Die Unruhen rund um den Jerusalemer Tempelberg, den möglichen Beginn einer neuen Intifada, einer palästinensischen Erhebung gegen das israelische Regime, als faschistisch zu denunzieren. Die westliche Welt hat müde gelächelt, Ohrfeigen wären eher angebracht gewesen. Der gemeinte Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, betrachtete fraglos die Nazis als Bündnispartner in seinem Kampf gegen die von den Briten unterstützte jüdische Besiedlung Palästinas. Und nach der allgemein üblichen, dummen Methode "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" versuchte al-Husseini bei den Nazis Freunde zu finden. Doch längst hatten die Nazis die Vernichtung der Juden geplant und brauchten den Mufti dafür wirklich nicht. Das wissen die israelische Historiker, und das weiß sogar Netanyahu. Aber lieber lügt er, als über das eigentliche Thema zu sprechen: Die Verzweiflung der Palästinenser.

Denn die jungen palästinensischen Messerstecher, die gern als Terroristen in deutschen Medien auftauchen, sind nichts anderes als Ausdruck von Ohnmacht und Hilflosigkeit: Rund 60 Prozent der Bevölkerung im israelisch besetzten Palästina leben unterhalb der Armutsgrenze, 35 Prozent der jungen Erwachsenen sind arbeitslos, Minderjährige werden vor israelische Militärgerichte gestellt, viele von ihnen füllen die Gefängnisse, hunderte palästinensischer Schulen wurden im Zug israelischer Militäraktionen zugunsten des Landraubs zerstört. Das sind die Methoden, mit denen Terroristen gezüchtet werden. Unterdrückung, Besetzung und Apartheid erleben Palästinenser jeden Tag. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die erduldete israelische Gewalt mit eigener Gewalt beantworteten. Ein auswegloses Unterfangen, denn die westlichen Unterstützer der israelischen Militärmaschine, die deutschen und US-amerikanischen Lieferanten von Waffen und Geld, rüsten Israel immer weiter auf. So siegt die gut organisierte Besatzungsmacht gegen den spontanen, individuellen Widerstand.

Es war ausgerechnet der israelische General Moshe Dajan, der nach dem Sechstagekrieg Israelis und Palästinenser am Tempelberg trennte: Muslime sollten in den beiden Moscheen al-Aksa und Felsendom oben auf dem Tempelberg beten, Juden an der Klagemauer unten. Und es sind orthodoxe Juden, die diese Praxis bisher unterstützten: Sie dürfen erst wenn der Messias kommt, wieder an den heiligen Ort. Das schert die aggressiven Vertreter israelischer Siedlungspolitik wenig: Der radikale jüdische Aktivist Yehuda Glick hat in diesem Jahr vor Gericht erstritten, auf dem Tempelberg beten zu dürfen. Schon zuvor, 2007, hatte das oberste israelische Gericht islamische Begräbnisse am Fuß des Tempelbergs verboten. Die Polizei wurde angewiesen, in Beton gegossene, aber noch nicht belegte Gräber zu Füßen der Umfassungsmauer zu zerstören. So wird ein muslimisches Heiligtum Schritt für Schritt in ein jüdisches umgewandelt und spiegelt doch nur die praktische israelische Politik der Enteignung von Palästinensern zugunsten von Juden.

Dieser praktische Rassismus ist gerade in Jerusalem gut zu beobachten: Laut des israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen (ICAHD) wurden von 1967 bis 2003 kaum Baugenehmigungen für die palästinensischen Einwohner erteilt, während in dem gleichen Zeitraum 90.000 Wohneinheiten für jüdische Siedler geschaffen wurden. Zwar dürfen sich Palästinenser in Jerusalem an palästinensischen Wahlen beteiligen, müssen ihre Stimme aber in Postämtern abgeben, damit Israel dies als Briefwahl von „im Ausland lebenden Palästinensern“ bezeichnen kann. Besucher und Ehegatten aus der Westbank müssen untertänigst beim israelischen Innenministerium um Erlaubnis ersuchen. Seit der Zweiten Intifada werden solche Genehmigungen kaum mehr ausgestellt. Im Ergebnis dieser Apartheid-Politik zeigt ein EU-Bericht von 2011
auf, dass inzwischen etwa 10.000 Kinder ohne Aufenthaltsrecht in der Stadt leben, weil ein Elternteil aus der Westbank stammt.

In Berlin traf Netanyahu den deutschen Außenminister Steinmeier, die EU Außenbeauftragte Mogherini, Frau Merkel und den amerikanischen Außenminister Kerry. Warme Worte, sogar mahnende, konnte man manchmal hören. Und immer wieder erzählten die Medien von einer "Spirale der Gewalt", als gäbe es irgendwo einen unbekannten Uhrmacher, der die Gewaltfeder immer wieder neu aufzöge. Es ist der Lügner Netanyahu, offenkundig stellvertretend für eine israelische Mehrheit, der an der Spirale dreht. Es sind die jüdischen Siedler auf Palästinensergebiet und in Jerusalem, von denen jene Gewalt ausgeht, die Gewalt auslöst. Wer dem Lügner die Hand reicht, macht sich schuldig.

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Netanyahu ist ein rassistischer Kriegsverbrecher reinsten Wassers - von der verbrecherischen Besiedlungspolitik in den besetzten Gebieten bis zu den verbrecherischen Überfällen auf Gaza hat er so viel auf dem Kerbholz, dass in Den Haag ein...

Netanyahu ist ein rassistischer Kriegsverbrecher reinsten Wassers - von der verbrecherischen Besiedlungspolitik in den besetzten Gebieten bis zu den verbrecherischen Überfällen auf Gaza hat er so viel auf dem Kerbholz, dass in Den Haag ein schöner Schauprozess abgefeiert werden könnte - leider ist er kein afrikanischer Potentat, den die terroristische Supermacht Vereinigte Staaten von Amerika und ihr verbrecherischer NATO-Anhang verfolgen wollen, um uns wieder einmal ihre humanitäre Gesinnung ins Hirn zu klatschen.

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Klaus Madersbacher
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Unglaublich, was sich dieser Soziopath herausnimmt und kein westlicher Politiker fühlt sich berufen diesem Drecksack mal Paroli zu bieten. Nein, er wird auch noch in Ehren empfangen. Ferkel und Konsorten scheinen sich im braunen Sumpf äußerst...

Unglaublich, was sich dieser Soziopath herausnimmt und kein westlicher Politiker fühlt sich berufen diesem Drecksack mal Paroli zu bieten. Nein, er wird auch noch in Ehren empfangen. Ferkel und Konsorten scheinen sich im braunen Sumpf äußerst wohl zu fühlen (siehe Ukraine) Mir kommt die Suppe von vorgestern hoch wenn ich mir das derzeitige Politikgekaspere ansehen muss. Es ist einfach erbärmlich von den Marionetten der Weltbühne, wie sie seit Jahrzehnten die Ermordung eines ganzen Volkes erlauben und sie nur ab und zu hüstelnd und mit erhobenen Zeigefinger diesem Massenmörder aufs Pfötchen klopfen. Aber es ist ja Staatsräson sich niemals in Kritik gegenüber Israel zu üben denn sofort wird die Antisemitismuskeule geschwungen und Judenhasser geschrien. Diese ganze verlogene Pack gehört vor ein internationales Gericht, welches nicht von den Amis gekauft wurde und sie gehören abgeurteilt auf eine Insel, jeder mit einem Morgenstern bewaffnet, um sich gegenseitig ins Jenseits zu befördern. Diese Welt verwandelt sich immer mehr in ein Gruselkabinett geleitet von gestörten Monsantozombies, welche sich in Blut und Scheiße wälzen.

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Moyra Mangold
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Du triffst die Wahrheit, wieder einmal, lieber Uli.
Und das mit differenzierten Worten.
Nur in einem irrst Du (hoffentlich) - ich konnte mich zuletzt mehrfach davon überzeugen: Netahyahu handelt nicht für die israelische Mehrheit, wenn er "an der...

Du triffst die Wahrheit, wieder einmal, lieber Uli.
Und das mit differenzierten Worten.
Nur in einem irrst Du (hoffentlich) - ich konnte mich zuletzt mehrfach davon überzeugen: Netahyahu handelt nicht für die israelische Mehrheit, wenn er "an der Spirale dreht". Das Gros der Israelis wünscht nichts dringender als einen Ausgleichs-Frieden.
Dass unsere (deutsche) Regierung auch noch Waffen an diese Regierung liefert, ist unerträglich; dadurch wird ihr von Dir aufgezeigtes Agieren international legitimert.

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Johannes M. Becker
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Und mal wieder kann ich gar nicht so viel essen wie ich.... - ihr wisst schon.

Den letzten Satz könnte man umformulieren: "...Geld und Waffen reicht..."

So lange "das Kapital" nicht besiegt ist, wird es wohl keine Gerechtigkeit geben.

S. Hauptkorn
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Schon mal was davon gehört, dass Palästinenser am Gewinn des Erdgas-Booms im östlichen Mittelmeer beteiligt werden? Nein, "wir geben keinen Zoll ab" so Liebermann.

Deshalb muss auch noch die palästinensische Restbevölkerung im Gazastreifen...

Schon mal was davon gehört, dass Palästinenser am Gewinn des Erdgas-Booms im östlichen Mittelmeer beteiligt werden? Nein, "wir geben keinen Zoll ab" so Liebermann.

Deshalb muss auch noch die palästinensische Restbevölkerung im Gazastreifen ermordet werden.
Die Legitimierung für Massenmord ist immer gleich.
Nicht nur 30 unterirdische Tunnel der Palästinenser sollten beim letzten Gaza-Mord "geschlossen" werden, sondern ein möglicher Verhandlungspartner für Flüssiggas als Anrainer des östlichen Mittelmeeres ist von der Weltkarte "verschwunden".
Wo kein (Palästinenser-) Staat, da kein Völkerrecht, da ist Profit ?

Wirtschaftliche Güter (Knappheit) lassen sich wohl eher in Geld bemessen als Menschenrechte.

Siedler-Kolonialisten und deren Freunde sind Hoch-Kriminelle. Den Haag wäre viel zu klein um sie dauerhaft neu zu beheimaten.

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Ernst Grobschmied
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Herr Becker, ich finde es schon richtig zu sagen, dass Netanyahu offenkundig stellvertretend fuer die Mehrheit an der Spirale der Gewalt dreht.
Ein Premier wie sein Volk. Netanjahu ist beliebt, weil er nichts aendern will und sein
Erfolg sagt eine...

Herr Becker, ich finde es schon richtig zu sagen, dass Netanyahu offenkundig stellvertretend fuer die Mehrheit an der Spirale der Gewalt dreht.
Ein Premier wie sein Volk. Netanjahu ist beliebt, weil er nichts aendern will und sein
Erfolg sagt eine Menge ueber den Gefuehlszustand Israels aus.
Um die Wahl zu gewinnen, bewegte sich Netanjahu in den letzten Tagen des Wahlkampfs in die auesserste Ecke des rechten Ringes und behauptete u.A., eine Zwei-Staaten Loesung werde es unter seiner Regierung nicht geben.
Wer Netanjahu, wer Likud waehlt, weiss sehr wohl, dass er sich nicht fuer den Frieden entscheidet. Netanjahus Likud - Partei hat den Wahlsieg davongetragen.

Es stimmt schon, dass es in Israel viele Menschen gibt, die eine gerechten Frieden mit den Palaestinensern wuenschen. Einige davon demonstrierten gestern gemeinsam mit arabischen Aktivisten auf Israels Strassen fuer eine friedliche Koexistenz.
Doch leider sind diese in der Minderheit.

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Heidrun Zuber
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Uli Gellermann
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Früher oder später wird wieder jemand auftauchen, der Antisemitismus hinter dieser klugen Analyse wittert; das geht ja immer so.
Gleichwohl fehlt mir ein Satz in dem Text: Willkürliche Angriffe auf unbewaffnete jüdisch-israelische Zivilisten mögen...

Früher oder später wird wieder jemand auftauchen, der Antisemitismus hinter dieser klugen Analyse wittert; das geht ja immer so.
Gleichwohl fehlt mir ein Satz in dem Text: Willkürliche Angriffe auf unbewaffnete jüdisch-israelische Zivilisten mögen sich aus der endlosen Repressionspolitik ableiten, sind aber so untauglich wie den legitimen Zielen der Palästinenser abträglich. Sie liefern die Rechtfertigung für immer neue Unterdrückung - und zynische Propaganda.

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Rüdiger Becker
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Lieber Johannes Maria Becker,
mit der jüdisch-israelischen Mehrheit, die Netanjahu unterstützt und einen Ausgleichs-Frieden will, ist es vielleicht so, wie mit der Krupp-Belegschaft, die alltags U-Boote baut und sonntags die Kriegsopfer betrauert,...

Lieber Johannes Maria Becker,
mit der jüdisch-israelischen Mehrheit, die Netanjahu unterstützt und einen Ausgleichs-Frieden will, ist es vielleicht so, wie mit der Krupp-Belegschaft, die alltags U-Boote baut und sonntags die Kriegsopfer betrauert, per omnia saecula saeculorum.

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Thomas Immanuel Steinberg
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"Praktischer Rassismus" - was für ein treffender Ausdruck für so manches, was in Israel und um Israel in krasser Weise geschieht.
- Und daß "Notonyahoo" ein Lügner ist, das auszusprechen ist leider notwendig.
Unfaßbar, wie der Mann mit Menschen und...

"Praktischer Rassismus" - was für ein treffender Ausdruck für so manches, was in Israel und um Israel in krasser Weise geschieht.
- Und daß "Notonyahoo" ein Lügner ist, das auszusprechen ist leider notwendig.
Unfaßbar, wie der Mann mit Menschen und mit der Geschichte umspringen zu können glaubt.

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Benny Thomas Olieni
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Lieber Herr Olieni, zur kategorischen Richtigstellung erlaube ich mir den Hinweis, dass es sich um Chauvinismus in Reinkultur, nicht um Rassismus handelt. Juden wie Palästinenser sind keine Rasse.

Manfred Ebel
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