Bundestagswahlen sind im September und wünschen kann man sich allerlei. Während manche Parteien manche Wünsche der Wähler verstehen - mehr Geld für fast alle und alles sollte doch irgendwie billiger werden - also große Versprechungen machen, gehen die Schriftsteller Nadolny und Spengler bescheidene Wege. Sie wünschen sich Steinmeier zum Kanzler. Gewiss, von der Wahrscheinlichkeit, dass sich der Wunsch erfüllt, sind die drei weit entfernt. Aber wenn der Wunsch nun in Erfüllung ginge, täte es den Schriftstellern wahrscheinlich leid. Hätten wir gewusst, werden sie dann sagen, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen, dann hätten wir uns auch etwas Richtiges wünschen können. Aber auf ihrer Steinmeier-Wunsch-Website (steinmeier-blog.net) wünschen sie sich nichts sehnlicher als eben Steinmeier. Sicher kann man streiten, ob der Wunsch nach Frau Merkel nicht noch ein wenig kleiner gewesen wäre, aber das wäre dann ein Fall für die Nanotechnolgie.

Spengler und Nadolny schreiben ein Tagebuch nach der gewonnen Wahl: Steinmeier ist Kanzler und sie konjugieren seine ersten 100 Tage. Was wäre da alles möglich! Nadolny zum Beispiel lässt einen Zahnarzt über Steinmeier sagen:

Ich mag Patienten wie ihn. Ich mag ihn, und er wird ja auch merkwürdigerweise allgemein geliebt. Die Leute lieben ja vor allem Mythen, und zum Mythos eignet sich gerade jemand, wenn er zunächst nicht danach ausgesehen hat.

Das soll natürlich lustig sein, vielleicht sogar ironisch. Aber muss Nadolny die Wähler verscheißern? Zum einen werden Mythen eher weniger geliebt, sie sind anstrengend, zum Wesentlichen: Wer sollte je aus Steinmeier einen Mythos sintern können? Hier wird Droge mit dröge verwechselt und scheiteln mit gescheit und Bubi mit Kopf und überhaupt. Eine Phantasie haben die Schriftsteller, köstlich!

Spengler, der schon mit Kanzler Schröder und auch mit Noch-Nicht-Kanzler Steinmeier in China war, greift stark ins Antimilitaristische:

Erstaunlich, wie schnell und weitgehend klaglos sich die Bundeswehr (nachdem Steinmeier Kanzler wurde) mit der Abschaffung aller militärischen Zeremonien beim Empfang ausländischer Staatsgäste abgefunden hat. Die Idee, vertraute Kanzler Steinmeier einer Kaminrunde in Hannover an, sei ihm schon vor ein paar Jahren gekommen.

Das ist groß! Das ist radikal! Das kann dem Dichter nur an seinem Kamin im Haus am Starnberger See eingefallen sein. Völlig phantasievoll hat er diesen ultrapazifistischen Vorschlag dann einfach an den Kamin von Steinmeier umgesiedelt. Wie gut, dass es am Starnberger See keine Afghanen gibt. Was da für Umsiedlungen nötig gewesen wären.

Nadolny ist immer für etwas wirklich Philosophisches gut. Zum Beispiel warum Steinmeier, gegen jede Erwartung, überhaupt hatte Kanzler werden können:

Genaues weiß man über das Gelingen nie, aber es kommen immer irgendwelche Leute zusammen und es gelingt ihnen was, sie fragen sich selbst, warum. Ist auch noch nicht richtig erforscht. Man spricht vom Geist, der über die Menschen kommt (Pfingsten o. ä.) oder vom „flow“, oder phantasielos, aber richtig von Schweineglück. - Sowohl der Wahlsieg, als auch die Kanzlerschaft, als auch erfolgreiche erste hundert Tage galten im Sommer 2009 als unwahrscheinlich. Warum habe ich keine Wetten abgeschlossen, endlich wäre der Weinkeller hinreichend bestückt.

Immer wieder kommen Leute auf SPD-Parteitagen zusammen. Es gelingt ihnen nie etwas. Keiner von ihnen fragt warum. Das würde das gute Gefühl stören und die Harmonie. Der Weinkeller von Nadolny, so hört man, soll völlig leergesoffen sein. Er hatte eines Tages eine Steinmeier-Rede gehört. Weil es so staubte ging er in den Keller. Jetzt kommt er nur noch raus, wenn das Delirium ihn zum Steinmeier-Bloggen treibt.

Wenn Spengler daneben haut - und das macht er ganz gern - dann macht er es richtig:

Einer der sieben Herausgeber der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ warnt heute in einem Kommentar den deutschen Bundeskanzler vor „billigem Amerikanismus. Franz (sic!) Walter Steinmeier, schreibt der Herausgeber, der mehrere Lehrstühle für Politische Wissenschaft an renommierten Hochschulen der amerikanischen West- und Ostküste vertritt, laufe Gefahr, das Vertrauen unseres wichtigsten Allianzpartners zu verlieren, indem er als Kanzler Projekte der Regierung Obama, wie etwa das der Rüstungsbegrenzung unterstütze, bevor sie von der „maßgeblichen Meinungselite“ in Washington befürwortet worden wären.

Die gute alte Tante "Zeit" käme nie und nimmer auf die Idee von billigem Amerikanismus zu schreiben. Und wenn der herbei gewünschte Kanzler Steinmeier Ideen von Obama unterstützen würde, lägen die Herausgeber auf den Knien und sängen "God bless America". So, wie mal einer Nadolny aus dem Weinkeller holen sollte, so müsste sich doch jemand finden, der dem Spengler das Zeitungslesen beibrächte. In einem späteren Kurs könnte Spengler auch lernen, dass der Steinmeiersche Amerikanismus nie nur auf Obama fixiert war: George W. Bush wird ihm wegen der BND-Irak-Hilfe ewig dankbar sein. Außerdem ist der Amerikanismus von Steinmeier nicht billig: In Afghanistan kostet er Leben.

Immer wenn Du denkst, es ginge nicht mehr flacher, kommt Spengler daher und schreibt so was:

Wie mehrfach berichtet, hat die Gruppe „attack“ angekündigt . . . ein Tribunal unter der Losung „Konferenz zur Verteilung von Kondomen in Afrika“ (KzVKA) abzuhalten und dabei gleichzeitig gegen Rassismus, Profitgier und die Projektion schwarzer sexueller Dominanz zu protestieren.

Hach, ist das schwitzig: "attac" verteilt Kondome gegen Profitgier, da klopft sich der Stammtisch aber kräftig auf die Schenkel. Das ist der unmittelbare Weg zum Sieg des Kanzlers Steinmeier: Vulgärer als Mario Barth, primitiver als die Bildzeitung und schweinischer als der Herrenwitz der 50er Jahre, so macht man Sieger.

Kommentare (8)

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Haben Spengler und Nadolny denn auch die Agenda 20/10 literarisch verarbeitet, das Hartz-Elend, die Rentengemeinheit oder den Afghanistankrieg? Alles Entscheidungen an denen Herr Steimeier beteiligt war.

Inge Hermann
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Steinmeier hat keine Vergangenheit. Er begnügt dich mit der Zuknft.

Uli Gellermann
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Ob die literarischen Zukunftsdeuter auch Auskunft geben könnten über die Koalition mit der Setinmeier Kanzler wird?

Gerd Henningsen
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Bisher ist nur eins klar: Kurnaz soll Bundespräsident werden.

Uli Gellermann
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So, wie Frau Bender auf Herrn Steinmeier eindrischt, wünscht sie sich offenkundig Frau Merkel.

Herbert Aschmoneit
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Es macht Mühe, die beiden zu unterscheiden. Auch beim Dreschen.

Uli Gellermann
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Es ist nicht sonderlich neu, dass sich Intellektuelle ins Zeug legen. Bei Brandt, von dem die Sage ging er läse, war das ja nicht unverständlich, aber mit jedem neuen SPD-Kanzler- Kandidat wurde diese Haltung linker Intellektueller unwirklicher....

Es ist nicht sonderlich neu, dass sich Intellektuelle ins Zeug legen. Bei Brandt, von dem die Sage ging er läse, war das ja nicht unverständlich, aber mit jedem neuen SPD-Kanzler- Kandidat wurde diese Haltung linker Intellektueller unwirklicher. Nun also Nadolny und Spengler: es wird sie nicht glücklich machen.

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Anne-Katrin Langner
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Mancher ist einfach in der Nähe der Macht glücklich: Fischers Frauen, Steinmeiers Schriftsteller.

Uli Gellermann
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