Was ist der Unterschied zwischen den Wahlen in der DDR und denen in der Bundesrepublik? Die DDR hatte eine hohe Wahlbeteiligung und es kam immer das gleiche heraus. In der Bundesrepublik wird die Beteiligung immer geringer und, wer auch immer gewinnt, es kommt das gleiche heraus. Oder wie sonst sollte Frau Merkels Lob der Schröderschen "Reform"-Politik in der Debatte um das Misstrauensvotum verstanden werden? Am Horizont zeichnet sich bereits die große Koalition ab.

Gerhard Schröder, der die langen Pässe für eine CDU-"Reform"-Politik geschlagen hatte, hat sich vom Parlament das Mandat für Neuwahlen geholt. Das veranlasst die Kommentatoren, das Ende der 68er-Generation und deren Ziele einzuläuten und den Konservativen freie Bahnen auszurechnen. Gegen solche Anwürfe muss man Schröder in Schutz nehmen: Nur ein einziges Mal hatte der Kanzler erkennbare 68er Konturen, als er die Deutschen aus dem Irak-Krieg raushielt, alle anderen Facetten seiner Politik, in der Innenpolitik von der Sicherheitsnadel Schily verkörpert und in der Aussenpolitik vom Weltgeltungsminister Fischer, waren brav an Helmuth Kohl orientiert.

Konservativ ist das scheinbar gegnerische Lager natürlich nicht. Die Merkels und Stoibers sind, in bester Neo-SPD-Tradition, keine Bewahrer der sozialen Marktwirtschaft, sondern "Modernisierer", will sagen: Was lässt sich denn an Sozialklimbim abbauen, und wo kann man denn den Normalos noch in die Tasche greifen, die Mehrwertsteuer erhöhen und die Binnenkaufkraft senken, den Spitzensteuersatz senken und die Krankenkassenbeiträge erhöhen. Sie verkörpern die "Generation Wolf" (gefrässig und auf Sozialraub orientieren).

Die wirklichen Konservativen sitzen in der PDS und um sie herum: das ist programmatisch die SPD vor Godesberg. Die erkannte noch, dass es soziale Unterschiede in der Gesellschaft gibt und dass man sich auf eine der Seiten schlagen muss, wenn man in Wahlen Interessen vertritt. Tatsächlich sind die Interessen von etwa 80 Prozent der Bevölkerung anders als die des Restes. Diese Haltung ist natürlich völlig altmodisch, also konservativ, denn über die herrschenden Medien wissen wir inzwischen, dass, wenn die 80 Prozent weiter zurückstecken, es uns allen besser geht. Wenn auch nicht sofort, dann ganz sicher nach unserem Tod. Dieser metaphysische Politikansatz gilt als Realpolitik, warum auch immer.

Natürlich hat Schröder nach dem Misstrauensvotum noch eine realistische Chance die Wahlen zu gewinnen: Präsident Bush muss nur irgendjemandem den Krieg erklären, dann wird sich Angela Merkel, wie schon damals, als es um den Irak-Krieg ging, freiwillig an die Front melden und uns ihre Kanzlerkandidatur ersparen.

Besser wäre natürlich, wir hätten eine wirklich hohe Wahlbeteiligung und die Enttäuschten, die sozial Ausgegrenzten und Politikmüden würden sich auf Ihre Interessen besinnen. Aber dann würden die Herren Gysie und Lafontaine natürlich sofort die DDR wieder einführen, wir dürften nur noch an die Ostsee und das schwarze Meer reisen, müssten Letscho essen und Wartburg fahren. Das kann ja nun keiner wollen. Deshalb wird es keinen Platz für Konservative geben, sondern eine gewohnt mäßige Wahlbeteiligung. Und wer gewinnt, dass kann uns doch ganz egal sein, Hauptsache nicht egalitär.