Wer die Existenz Israels gefährdet, ist ein Antisemit. Deshalb darf man Ehud Olmert, den israelischen Ministerpräsidenten, getrost einen Antisemiten nennen. Seine Reaktion auf die Entführung eines israelischen Soldaten, die Auslösung eines veritablen Krieges gegen den Libanon, die Kriegshandlungen gegen die Palästinenser wegen eines weiteren Entführten der israelischen Armee, all das hat die Lage im Nahen Osten instabiler werden lassen, hat die Außenpolitik durch militärische Aktivitäten ersetzt und so die Sicherheitsbedingungen Israels verschlechtert.

Der bewährte Außenpolitiker Olmert ist in diesen Tagen Gast der Bundesrepublik Deutschland. Und weil er ja bereits in Israel segensreich gewirkt hat, erteilt er im Vorfeld seines Besuches der deutschen Regierung Ratschläge: Deutschland dürfe keine Wirtschaftsinteressen im Iran verfolgen sagt der Mann, dessen Land sich ständig mit Millionen Dollar von den USA alimentieren lassen muss und damit profunde wirtschaftliche Fähigkeiten nachweist. Auch dem deutschen Außenminister erteilt er gute Tipps: Dessen Besuch in Syrien sei ein Fehler gewesen.

Es gibt immer wieder Staatsgäste, die mit manchen Positionen des Landes, das sie besuchen, nicht einverstanden sind. Das ist normal. Solche unterschiedlichen Meinungen werden, zumeist intern, zwischen Gast und Gastgeber ausgetauscht. Wenn sie öffentlich geäußert werden, dann auf gemeinsamen Pressekonferenzen, bei denen man höflich abwägt, wo man Gemeinsamkeiten hat und wo die Unterschiede liegen. So kopiert die Diplomatie privates, menschliches Verhalten: Man besucht Tante Trude eigentlich auch nicht, um ihr die Meinung zu geigen, da könnte man ja gleich zu Hause bleiben.

Das sieht der brillante Außenpolitiker Olmert anders. Wenn der seine Nachbarn besucht, die im Libanon zum Beispiel, bringt er gleich ein paar Panzer mit. Gut, dass wir für solche Aktivitäten zu weit weg wohnen. Wenn das dann allerdings mit den Panzern nicht geklappt hat, ist der israelische Staatspräsident ganz froh, wenn ihm die internationale Staatengemeinschaft mit Militär, das sich zwischen ihn und seine wenig begeisterten Nachbarn stellt, aus der Patsche hilft. Dass unter diesen Hilfstruppen auch Deutsche sind, um die auch von den Israelis gebeten wurde, ändert an Olmerts moderner Außenpolitik nichts: Gerade, wenn einer einem hilft, muss er öffentlich kritisiert werden. Das nennt man Präventiv-Verteidigung.

Die deutsche Regierung, die sonst mit Antisemiten eher heikel ist, hat auf Olmerts Vorwürfe diplomatisch reagiert. Obwohl die ausdrückliche Schelte eines deutschen Ministers zu den ungewöhnlichen Erscheinungen eines Staatsbesuchsgehört, hat die Regierung darauf verzichtet, mit gleicher Münze zurück zu zahlen. Gründe hätte sie genug, denn zum Beispiel ist der israelische Vizepremier, Avigdor Liberman, ein offener Rassist. Er verlangt den "Transfer" arabischer Bürger Israels, spricht sich also für ethnische Säuberungen aus. Olmert, der dessen Stimmen dringend für seinen Machterhalt braucht, hat ihm bisher nicht widersprochen. Und man kann über Frau Merkel sagen was man will, aber mit Rassisten macht sie sich sonst nicht gemein.

Doch vielleicht wird die Olmertsche Außenpolitik nur verkannt, vielleicht ist sie gar nicht grob, bevormundend und säbelrasselnd, sondern nur ehrlich und offen. Immerhin ist er der erste israelische Politiker, der zugegeben hat, dass Israel die Atombombe besitzt. Zuweilen ist die Offenheit nur der Zwilling der Blödheit. Und das wiederum wäre die subtilste Form des Antisemitismus, denn in seiner komplizierten Lage braucht Israel an seiner Spitze alles andere als einen Blödmann.