Vor drei Jahren hatte ich Alexander Osang die Zuneigung aufgekündigt. Über eine privat klingende Mailadresse ließ ich den zum SPIEGEL-Erfolgsautor Avancierten im fernen New York wissen, nach 15 Jahren sei zumindest ich wohl aus der Zielgruppe gefallen. Seine Geschichten hatten diese Besonderheit verloren - die entscheidenden Nebensätze, perfekt getarnten Botschaften und den genauen Blick. Für mich war Osang der Gegenstand abhanden und er selbst angekommen, als fähiger Quoten-Ostler, begraben unter Ehrungen, Preisen und Tarifgehalt West.

Eher halbherzig las ich deshalb vor einigen Wochen in dem Hamburger Nachrichtenmagazin einen längeren Beitrag von ihm über »Wir sind Oscar« und das deutsch-deutsche Gespann Donnersmarck – Mühe an. Und siehe, da war plötzlich wieder etwas: In einst gewohnter, völlig emotionsloser Manier sezierte O. so präzise wie entlarvend Verhalten und Verhältnis des absonderlichen Duos. Wie beiläufig webte er die Geschichte um Mühes niederträchtigen Feldzug gegen dessen Ex-Ehefrau im Krebs-Endstadium ein – wieder ganz ohne eigene Meinung. Auf den ersten und zweiten Blick.

Am letzten Samstag brachte dann die Berliner Zeitung, einst Osangs Hausblatt und Sprungbrett in die Welt der Edelfedern, eine Ostergeschichte des inzwischen gemäß Wikipedia im Bötzow-Viertel und damit ja fast wieder in Ost-Berlin Lebenden. Die ging schon trefflich los: Eine Wochenendsiedlung politisch und ökologisch sehr korrekter, arrivierter (West)Berliner im brandenburgischen Umland wird vom Mord an einem alteingesessenen, vormals »antikollektivistischen« Grundbesitzer erschüttert. Den ermittelnden Beamten lässt der Autor als einen dieser vierschrötigen Typen in Lederjacke beschreiben, »wie sie Diktaturen hervorbringen«. Da muss man weiter lesen, und es lohnt sich. Denn der Fall ist zwar relativ früh gelöst, aber ohnehin nur Staffage für einen – natürlich fiktiven! – Einblick in eine Welt, für die der einstige Instandhaltungsmechaniker und Genosse Osang nun schon seit Jahren ein Dauerticket besitzt. So eindringlich und nur scheinbar distanziert, wie er Anfang der 90er ostdeutsche Absteiger in den Weiten blühender Landschaften porträtierte, so schwelgend gnadenlos zeichnet er nun ein gerafftes Sittengemälde linksliberaler Sieger der Geschichte.

Es scheint, als habe Osang die Botschaft Edzard Reuters vernommen, der erst am Ende seines glanzvollen Weges feststellte, ungeachtet aller Würdigungen herkunftsbedingt eben doch nie wirklich dazu gehört zu haben. Dass ihm derlei erspart bleiben möge, hatte ich Leser dem Erfolgsjournalisten, der in den Westen ging, in meinem Aufkündigungsschreiben 2004 herzlichst gewünscht.

Offenbar hat es diesen Zaunpfahl-Winks nicht bedurft. Auch deshalb: Welcome home, Alexander Osang.