Knut Mellenthin ist recht häufig ein guter Journalist. Nicht selten schreibt er für die „Junge Welt“. Auch das Blatt kann Journalismus. Zeitung wie Autor dürften also wissen, woher der Begriff „Journalismus“ kommt: Vom französischen Wort Tag. Was für die schreibende Zunft bedeutet, dass man täglich, also aktuelle Artikel produziert und publiziert. Jüngst gab es von Mellenthin in der „Jungen Welt“ einen Artikel zur „Rhetorik der noch amtierenden Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im Bundestag, Sahra Wagenknecht“. Aktuell? Nö. Anlass? Eher unbekannt. Aber Blatt und Autor wollten offenkundig immer schon mal was über und gegen Sahra Wagenknecht schreiben. Wozu sollte man da à jour sein? Wenn man doch gar keine Nachricht, sondern eine Meinung verbreiten wollte.

Der Ton des Artikels, der ziemlich aus der Zeit gefallen und mit „Faktencheck“ überschrieben war, ist auffallend gehässig. Das ist nachlesbar an Formulierungen, die Frau Wagenknecht in der Nähe der AfD behaupten, die von einem Foto der Aufstehen-Aktion berichten, deren Protagonisten seien „mindestens 60 Jahre alt“ und auch im Vorwurf, dass Wagenknecht erfolglos im Erreichen der AfD-Wähler wäre. Dieses scheinbare Faktum wird so völlig losgelöst vom Misserfolg der kompletten deutschen Linken beim Erreichen der AfD-Wähler erzählt, dass die Bosheit des Artikels aus allen Knopflöchern der dürftigen ideologischen Allerwelts-Hose der „Jungen Welt“ quillt. Im Eifer der Feindschaft zu Sahra Wagenknecht fällt der JW nicht auf, dass die Bundestagsabgeordnete eher nicht der Klassenfeind ist.

Diese sektiererische Haltung der „Jungen Welt“ ist leider nicht neu. Schon als sie Aktivitäten der Friedensbewegung rund um die Montagsmahnwachen als „Querfront“, als Zusammenarbeit von Rechten und Linken diffamierte, war der enge Horizont der Zeitung zu besichtigen. Sie versteht sich als Wächter der reinen linken Lehre, dieses Amt nimmt sie mit wenig Ahnung aber viel Eifer wahr. Das hat immer wieder Diskussionen in der Leseschaft ausgelöst. Aber Zuschriften an die JW, die es wagen, die Redaktionslinie zu kritisieren, erreichen selten die Blatt-Öffentlichkeit. Auch diesmal erfährt man von den Protesten und Abo-Kündigungen, die Mellenthins Artikel ausgelöst haben, öffentlich nichts.

Auch der linke Abgeordnete Diether Dehm, ein Leser und Mitglied der JW-Genossenschaft und Spender für das Medien-Projekt, machte angesichts seines Diskussionsversuchs zur Wagenknecht-Diffamierung mit dem Kritikverbot der Redaktion Bekanntschaft. Bei ihm ging der Chefredakteur der Tageszeitung, Stefan Huth, sogar noch weiter: Dehms „Themenauswahl etwa, bestimmte Formulierungen in deinen Mails und Erfahrungswerte“ seien es, „die uns davon absehen lassen, von dir angebotene Texte zu veröffentlichen“. Der geschraubte Satz enthält kein Argument, keine inhaltliche Auseinandersetzungen sind in der Mail zur Nichtveröffentlichung von Dehms Diskussionsversuch zum Mellenthin-Wagenknecht-Artikel zu lesen. Hohe Priester der Ideologie müssen nicht argumentieren, dekretieren reicht.

Gerade zum Themenkomplex Sahra Wagenknecht, der Linkspartei und der AfD wäre eine Debatte zur Nation und deren Verständnis in der Linken dringend nötig. Doch da krampfen solche linken Institutionen wie die JW. Da macht man lieber ungestört Meinung. Obwohl die Friedensbewegung bis heute unter der auch von der „Jungen Welt“ ausgelösten unsäglichen Querfront-Debatte leidet, mag sich die Redaktion nicht der öffentlichen Aufarbeitung ihrer Rolle in dieser Bahnung einer Sackgasse widmen. Ob es die die Angst vorm Chor der Antideutschen und ihrer Solistin Ditfurth ist oder die mangelnde Fähigkeit zur Selbstkritik, wird solange unbekannt bleiben, wie die Kollegen der JW sich einer Diskussion verweigern.